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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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festigkeit oder beides ausgezeichnet. Aber wir hätten doch gewünscht, daß >ein
junger Dichter, zumal wenn er Diener desselben Fürstenhauses sein sollte, seine
Muse etwas feinere Schmeicheleien gelehrt hätte. Verstehen Sie mich recht!
Man nennt die Muse, die den Großen und Reichen plump schmeichelt, eine
Metze; wie aber soll man die nennen, welche ebenso plump dem gemeinen
Haufen schmeichelt? Ich denke wahrhaftig nicht besser von der letzteren, möchte
beide vom Gipfel des Parnasses jagen und ehrliche Anfänger vor dem bösen
Scheine warnen, als wollten sie ihre ernstgemeinten Arbeiten durch solche einge¬
streute Tendenzbeziehungen bei Hofe oder bei dem großen Haufen empfehlen.

Mit Bedauern also können wir auch dieses Stück kein gutes patriotisches
Trauerspiel nennen. Nirgend sehen wir den Heiligenschein um das Haupt
eines werdenden Dichters, der ihm die zukünftige Herrschaft verkündete, und
wie die Römer, als sie solchen an einem geborenen Sklavenkinde bemerkten,
daraus schlössen, daß es König werden müsse, denn es geschehe leicht, was den
Göttern lieb sei: so schließen wir umgekehrt, da wir keinen solchen auch nur
matt phosphorescirenden Glanz an den Häuptern unsrer jungen Dichter ge¬
wahrwerden können, daß es den Göttern noch nicht lieb sei, daß einer von
ihnen König werde.




Zur Geschichte consessioneller Bestrebungen der Gegenwart.

Nachdem im ersten Theile dieser Darlegungen die katholischen Vereine,
deren Wirksamkeit auf eine größere Tragweite berechnet ist, besprochen worden
sind, bleibt noch einiges über andere confesstonelle Verbindungen anzuführen,
denen eine nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen werden kann. Das leicht
erregbare Gemüth der Frauen kommt den Absichten der Priesterschaft gar häufig
auf halbem Wege entgegen und die durch Vermittlung der Frauen weiter fort¬
gepflanzten geistlichen Jnfluenzen zeigen sich klerikalischen Intentionen zumeist
sehr zuträglich. Die Heb wigs-Ver e in e, die außer der heiligen Jung¬
frau und dem heiligen Vincenz von Paul, noch die heilige Hedwig als beson¬
dere Patronin verehren, bezwecken vorzugsweise durch ihre der Frauenwelt
""gehörigen Mitglieder materielle Noth unter den Armen zu lindern und Trost
zu spenden, und ihnen die Mittel der Kirche darzubieten; die Führung eines
specifisch-christlichen Lebenswandels und die Lectüre religiöser Schriften soll ein
zweites Bindemittel unter den Vereinsgenossinnen sein. In den Kreisen der
Nothleidenden und Bedrängten wird bei Darreichung milder Gaben durch
weibliche Hand oft genug die Bahn geebnet werden können, auf der eine
große Anzahl Indifferenter, sei es in Ueberzeugung, sei es dem äußern Lebens-


festigkeit oder beides ausgezeichnet. Aber wir hätten doch gewünscht, daß >ein
junger Dichter, zumal wenn er Diener desselben Fürstenhauses sein sollte, seine
Muse etwas feinere Schmeicheleien gelehrt hätte. Verstehen Sie mich recht!
Man nennt die Muse, die den Großen und Reichen plump schmeichelt, eine
Metze; wie aber soll man die nennen, welche ebenso plump dem gemeinen
Haufen schmeichelt? Ich denke wahrhaftig nicht besser von der letzteren, möchte
beide vom Gipfel des Parnasses jagen und ehrliche Anfänger vor dem bösen
Scheine warnen, als wollten sie ihre ernstgemeinten Arbeiten durch solche einge¬
streute Tendenzbeziehungen bei Hofe oder bei dem großen Haufen empfehlen.

Mit Bedauern also können wir auch dieses Stück kein gutes patriotisches
Trauerspiel nennen. Nirgend sehen wir den Heiligenschein um das Haupt
eines werdenden Dichters, der ihm die zukünftige Herrschaft verkündete, und
wie die Römer, als sie solchen an einem geborenen Sklavenkinde bemerkten,
daraus schlössen, daß es König werden müsse, denn es geschehe leicht, was den
Göttern lieb sei: so schließen wir umgekehrt, da wir keinen solchen auch nur
matt phosphorescirenden Glanz an den Häuptern unsrer jungen Dichter ge¬
wahrwerden können, daß es den Göttern noch nicht lieb sei, daß einer von
ihnen König werde.




Zur Geschichte consessioneller Bestrebungen der Gegenwart.

Nachdem im ersten Theile dieser Darlegungen die katholischen Vereine,
deren Wirksamkeit auf eine größere Tragweite berechnet ist, besprochen worden
sind, bleibt noch einiges über andere confesstonelle Verbindungen anzuführen,
denen eine nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen werden kann. Das leicht
erregbare Gemüth der Frauen kommt den Absichten der Priesterschaft gar häufig
auf halbem Wege entgegen und die durch Vermittlung der Frauen weiter fort¬
gepflanzten geistlichen Jnfluenzen zeigen sich klerikalischen Intentionen zumeist
sehr zuträglich. Die Heb wigs-Ver e in e, die außer der heiligen Jung¬
frau und dem heiligen Vincenz von Paul, noch die heilige Hedwig als beson¬
dere Patronin verehren, bezwecken vorzugsweise durch ihre der Frauenwelt
««gehörigen Mitglieder materielle Noth unter den Armen zu lindern und Trost
zu spenden, und ihnen die Mittel der Kirche darzubieten; die Führung eines
specifisch-christlichen Lebenswandels und die Lectüre religiöser Schriften soll ein
zweites Bindemittel unter den Vereinsgenossinnen sein. In den Kreisen der
Nothleidenden und Bedrängten wird bei Darreichung milder Gaben durch
weibliche Hand oft genug die Bahn geebnet werden können, auf der eine
große Anzahl Indifferenter, sei es in Ueberzeugung, sei es dem äußern Lebens-


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[0356] festigkeit oder beides ausgezeichnet. Aber wir hätten doch gewünscht, daß >ein junger Dichter, zumal wenn er Diener desselben Fürstenhauses sein sollte, seine Muse etwas feinere Schmeicheleien gelehrt hätte. Verstehen Sie mich recht! Man nennt die Muse, die den Großen und Reichen plump schmeichelt, eine Metze; wie aber soll man die nennen, welche ebenso plump dem gemeinen Haufen schmeichelt? Ich denke wahrhaftig nicht besser von der letzteren, möchte beide vom Gipfel des Parnasses jagen und ehrliche Anfänger vor dem bösen Scheine warnen, als wollten sie ihre ernstgemeinten Arbeiten durch solche einge¬ streute Tendenzbeziehungen bei Hofe oder bei dem großen Haufen empfehlen. Mit Bedauern also können wir auch dieses Stück kein gutes patriotisches Trauerspiel nennen. Nirgend sehen wir den Heiligenschein um das Haupt eines werdenden Dichters, der ihm die zukünftige Herrschaft verkündete, und wie die Römer, als sie solchen an einem geborenen Sklavenkinde bemerkten, daraus schlössen, daß es König werden müsse, denn es geschehe leicht, was den Göttern lieb sei: so schließen wir umgekehrt, da wir keinen solchen auch nur matt phosphorescirenden Glanz an den Häuptern unsrer jungen Dichter ge¬ wahrwerden können, daß es den Göttern noch nicht lieb sei, daß einer von ihnen König werde. Zur Geschichte consessioneller Bestrebungen der Gegenwart. Nachdem im ersten Theile dieser Darlegungen die katholischen Vereine, deren Wirksamkeit auf eine größere Tragweite berechnet ist, besprochen worden sind, bleibt noch einiges über andere confesstonelle Verbindungen anzuführen, denen eine nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen werden kann. Das leicht erregbare Gemüth der Frauen kommt den Absichten der Priesterschaft gar häufig auf halbem Wege entgegen und die durch Vermittlung der Frauen weiter fort¬ gepflanzten geistlichen Jnfluenzen zeigen sich klerikalischen Intentionen zumeist sehr zuträglich. Die Heb wigs-Ver e in e, die außer der heiligen Jung¬ frau und dem heiligen Vincenz von Paul, noch die heilige Hedwig als beson¬ dere Patronin verehren, bezwecken vorzugsweise durch ihre der Frauenwelt ««gehörigen Mitglieder materielle Noth unter den Armen zu lindern und Trost zu spenden, und ihnen die Mittel der Kirche darzubieten; die Führung eines specifisch-christlichen Lebenswandels und die Lectüre religiöser Schriften soll ein zweites Bindemittel unter den Vereinsgenossinnen sein. In den Kreisen der Nothleidenden und Bedrängten wird bei Darreichung milder Gaben durch weibliche Hand oft genug die Bahn geebnet werden können, auf der eine große Anzahl Indifferenter, sei es in Ueberzeugung, sei es dem äußern Lebens-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/356>, abgerufen am 26.06.2024.