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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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ein Vortheil ist, den er fordern kann, wird es auch für die Commune und
für den Staat sein, ganz abgesehen davon, daß ein Bauherr am liebsten nur
mit einem Unternehmer zu thun hat.

Die vielfach precäre Stellung, die oft brodlose Lage des deutschen Hand¬
werkers hat bewirkt, daß die größere Zahl derselben sich leicht jeder gegen das
Bestehende oppositionellen Bewegung anschloß: sie meinten, daß sie dabei
wahrscheinlich gewinnen und im schlimmsten Falle nichts verlieren könnten. Es
liegt der Staatsgewalt die verführerische Lockung nahe, den Grundsatz anzu¬
wenden: Theile und herrsche, b. h. z. B. dem Meisterstande Erwerb sichernde
Privilegien zu geben, und dafür den Gesellenstand zu beeinträchtigen; aber so
nahe dies zu liegen scheint, so schwer ist doch die Ausführung. Was man dem
jetzigen Meister einräumt, das räumt man im Grunde auch dem künftigen Meister,
den Gesellen, ein, und so würde eine Maßregel, durch welche man etwa die
Gesellen sür ihre wenig konservative Haltung strafen wollte, in einen späteren
Vortheil für sie umschlagen. Außerdem aber müßte, was man den Handwerkern
geben wollte, erst dem Publicum, insbesondere dem Fabrikanten, dem Magazin¬
unternehmer u. s. w. weggenommen werden, und ein Uebel träte an die Stelle eines
andern. Und das will wenigstens der gebildete, edeldenkende Handwerker nicht; er
will nicht vom Almosen anderer leben; er begreift sogut wie jedes andre Men¬
schenkind die Lehren und Ideen einer gesunden Volkswirthschaft, die Tendenzen
der zur Zukunft werdenden Zeit, die Gesetze zwischen Nachfrage und Angebot,
die Wirkungen hemmender Schutz- oder Verbotzölle u. s. w. Und diesen Grund¬
sätzen, welche stärker sind als persönliche Launen und diplomatische Künste, treu
sein, heißt konservativ sein.

Aber wenn es die Aufgabe der Zukunft, ist, einen Theil des Handwerker¬
standes zu Fabrikanten und einen noch weit größeren zu Fabrikarbeitern zu
machen, wie dies bereits in andern Ländern geschehen ist, werden da diese so
umgewandelten Leute auch zu Conservativen umgewandelt sein, welche sich
revolutionärer Tendenzen enthalten? Haben nicht die französischen und eng¬
lischen Arbeiter sich so leicht der Partei des "Umsturzes" angeschlossen? Wir
wollen uns hier nicht auf eine zeitgemäße Definition dessen, was Revolution
sei, nicht aus sophistische Unterscheidungen dessen, was an einer bestehen¬
den Regierungsgewalt ein göttliches legitimes Recht habe und was von
Gott verlassen und verdammt sei, einlassen, sondern wollen uns mit der ein
fachen Erklärung begnügen, daß thatsächlich derjenige die Revolution, d. h. den
Kampf gegen gesunde Zustände, nicht will, der sich in seinem natürlichen
Rechte nicht gehemmt fühlt, was wir besonders auf das industrielle, ökono¬
mische Verhältniß angewandt wissen wollen.

Das ist die beste Garantie für Ruhe und Frieden im Staate, wenn das
freie Gesetz, wonach sich die Einkünfte nach dem Maße der Leistungen (und auch


ein Vortheil ist, den er fordern kann, wird es auch für die Commune und
für den Staat sein, ganz abgesehen davon, daß ein Bauherr am liebsten nur
mit einem Unternehmer zu thun hat.

Die vielfach precäre Stellung, die oft brodlose Lage des deutschen Hand¬
werkers hat bewirkt, daß die größere Zahl derselben sich leicht jeder gegen das
Bestehende oppositionellen Bewegung anschloß: sie meinten, daß sie dabei
wahrscheinlich gewinnen und im schlimmsten Falle nichts verlieren könnten. Es
liegt der Staatsgewalt die verführerische Lockung nahe, den Grundsatz anzu¬
wenden: Theile und herrsche, b. h. z. B. dem Meisterstande Erwerb sichernde
Privilegien zu geben, und dafür den Gesellenstand zu beeinträchtigen; aber so
nahe dies zu liegen scheint, so schwer ist doch die Ausführung. Was man dem
jetzigen Meister einräumt, das räumt man im Grunde auch dem künftigen Meister,
den Gesellen, ein, und so würde eine Maßregel, durch welche man etwa die
Gesellen sür ihre wenig konservative Haltung strafen wollte, in einen späteren
Vortheil für sie umschlagen. Außerdem aber müßte, was man den Handwerkern
geben wollte, erst dem Publicum, insbesondere dem Fabrikanten, dem Magazin¬
unternehmer u. s. w. weggenommen werden, und ein Uebel träte an die Stelle eines
andern. Und das will wenigstens der gebildete, edeldenkende Handwerker nicht; er
will nicht vom Almosen anderer leben; er begreift sogut wie jedes andre Men¬
schenkind die Lehren und Ideen einer gesunden Volkswirthschaft, die Tendenzen
der zur Zukunft werdenden Zeit, die Gesetze zwischen Nachfrage und Angebot,
die Wirkungen hemmender Schutz- oder Verbotzölle u. s. w. Und diesen Grund¬
sätzen, welche stärker sind als persönliche Launen und diplomatische Künste, treu
sein, heißt konservativ sein.

Aber wenn es die Aufgabe der Zukunft, ist, einen Theil des Handwerker¬
standes zu Fabrikanten und einen noch weit größeren zu Fabrikarbeitern zu
machen, wie dies bereits in andern Ländern geschehen ist, werden da diese so
umgewandelten Leute auch zu Conservativen umgewandelt sein, welche sich
revolutionärer Tendenzen enthalten? Haben nicht die französischen und eng¬
lischen Arbeiter sich so leicht der Partei des „Umsturzes" angeschlossen? Wir
wollen uns hier nicht auf eine zeitgemäße Definition dessen, was Revolution
sei, nicht aus sophistische Unterscheidungen dessen, was an einer bestehen¬
den Regierungsgewalt ein göttliches legitimes Recht habe und was von
Gott verlassen und verdammt sei, einlassen, sondern wollen uns mit der ein
fachen Erklärung begnügen, daß thatsächlich derjenige die Revolution, d. h. den
Kampf gegen gesunde Zustände, nicht will, der sich in seinem natürlichen
Rechte nicht gehemmt fühlt, was wir besonders auf das industrielle, ökono¬
mische Verhältniß angewandt wissen wollen.

Das ist die beste Garantie für Ruhe und Frieden im Staate, wenn das
freie Gesetz, wonach sich die Einkünfte nach dem Maße der Leistungen (und auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/339>, abgerufen am 29.06.2024.