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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Geld oder Capital ist eine Frucht der Leistung) regeln, nicht gewaltsam unter¬
drückt wird.

, Die englischen Fabrikarbeiter haben in der letzten Zeit Strikes oder
Arbeitseinstellungen gemacht, wenn sie glaubten, die Fabrikunter-
nehmer hätten sich untereinander verabredet und thäten ihnen durch das An¬
gebot eines zu niedrigen Lohnes unrecht. Aber diese Strikes sind ihnen meist
sehr übel bekommen, so daß sich hoffen läßt, die Arbeiter werden von dieser
Waffe der Gegenwehr mehr und mehr zurückkommen, werden einsehen, daß
durch Handels- und Wechselconjuncturen auch der Lohn afficirt werden muß,
werden begreifen, daß nicht selten der Fabrikherr schlechte Zeiten und viel Sorgen
hat, und diese auch dem Arbeiter nicht erspart werden können, werden zugeben,
daß es ganz unausführbar ist, einestheils den Arbeiter an dem aus den
Büchern festgestellten Gewinnsten der Unternehmer theilhaben zu lassen und ihm
nicht auch zugleich die Passiva, die Verluste solidarisch mitaufzulegen nach Buch
und Conto, werden die Erfahrung nicht vergessen, daß ein tüchtiger Arbeiter
fast stets sein gutes Brot findet. Dazu kommt, daß mindestens gegenwärtig
in England, Nordamerika u. s. w. die Arbeit nicht eben niedrig im Preise
steht, und das bei fast ganz ungehinderter Concurrenz, ohne Zunftzwang und
Bannmeile. -- Die Klage über die Ausbeute der Arbeit durch das
Capital ist insofern berechtigt, als etwa, dem Arbeiter verhältnißmäßig mehr
Steuern und dergleichen auferlegt sind, wie dem Kapitalisten; aber einestheils
würde es jeder Arbeiter, sobald er zu Capital käme, ebenso machen wie die
"Geldsäcke", und andrerseits ist es Starrköpftgkeit, nicht einsehen zu wollen, ,
daß im wesentlichen das Capital die Frucht der Arbeit und des Talentes ist,
wenn auch nicht des Sohnes, so doch des Vaters, wenn nicht des Vaters,
so doch des Großvaters.

Was ists also, das dem deutschen Handwerk nicht helfen kann?
Nicht die Bannmeile, die Abgrenzung der Arbeitsbefugniß (daß z. B. der Zimmer¬
mann nur Gartenstühle, der Tischler Stubenstühle machen dürft!), die Fest¬
setzung der Meisterzahl, der Gesellenzahl, >der Lehrlingszahl, die Schutzzölle
und Kauföverbote zwischen Land und Land, Stadt und Stadt -- denn alle diese
Dinge sind für die Zukunft unmöglich. Ferner nicht die Gewerberäthe, sofern
sie beabsichtigen, die Löhne und Waarenpreise festzustellen, viel Zeit und Geld
kosten, sammt den Gewerbegerichten, sofern sie ebenfalls Zeit und Geld kosten,
und sich mit den Streitigkeiten über Abgrenzung der Arbeitsbefugniß herum¬
schlagen wollen. Was ists dagegen, was dem deutschen Handwerk
Hilfe bringt? Vor allem, daß der Handwerker die sich vollziehende Aen¬
derung seiner Lage begreift, sich ihr fügt und darauf einrichtet. Von einzelnen
Maßregeln dürste noch auf eine Zeit die Prüfung nicht ganz unzweckmäßig
sein, um den Zudrang zu der Meisterschaft einigermaßen auszuhalten, sowie


Geld oder Capital ist eine Frucht der Leistung) regeln, nicht gewaltsam unter¬
drückt wird.

, Die englischen Fabrikarbeiter haben in der letzten Zeit Strikes oder
Arbeitseinstellungen gemacht, wenn sie glaubten, die Fabrikunter-
nehmer hätten sich untereinander verabredet und thäten ihnen durch das An¬
gebot eines zu niedrigen Lohnes unrecht. Aber diese Strikes sind ihnen meist
sehr übel bekommen, so daß sich hoffen läßt, die Arbeiter werden von dieser
Waffe der Gegenwehr mehr und mehr zurückkommen, werden einsehen, daß
durch Handels- und Wechselconjuncturen auch der Lohn afficirt werden muß,
werden begreifen, daß nicht selten der Fabrikherr schlechte Zeiten und viel Sorgen
hat, und diese auch dem Arbeiter nicht erspart werden können, werden zugeben,
daß es ganz unausführbar ist, einestheils den Arbeiter an dem aus den
Büchern festgestellten Gewinnsten der Unternehmer theilhaben zu lassen und ihm
nicht auch zugleich die Passiva, die Verluste solidarisch mitaufzulegen nach Buch
und Conto, werden die Erfahrung nicht vergessen, daß ein tüchtiger Arbeiter
fast stets sein gutes Brot findet. Dazu kommt, daß mindestens gegenwärtig
in England, Nordamerika u. s. w. die Arbeit nicht eben niedrig im Preise
steht, und das bei fast ganz ungehinderter Concurrenz, ohne Zunftzwang und
Bannmeile. — Die Klage über die Ausbeute der Arbeit durch das
Capital ist insofern berechtigt, als etwa, dem Arbeiter verhältnißmäßig mehr
Steuern und dergleichen auferlegt sind, wie dem Kapitalisten; aber einestheils
würde es jeder Arbeiter, sobald er zu Capital käme, ebenso machen wie die
„Geldsäcke", und andrerseits ist es Starrköpftgkeit, nicht einsehen zu wollen, ,
daß im wesentlichen das Capital die Frucht der Arbeit und des Talentes ist,
wenn auch nicht des Sohnes, so doch des Vaters, wenn nicht des Vaters,
so doch des Großvaters.

Was ists also, das dem deutschen Handwerk nicht helfen kann?
Nicht die Bannmeile, die Abgrenzung der Arbeitsbefugniß (daß z. B. der Zimmer¬
mann nur Gartenstühle, der Tischler Stubenstühle machen dürft!), die Fest¬
setzung der Meisterzahl, der Gesellenzahl, >der Lehrlingszahl, die Schutzzölle
und Kauföverbote zwischen Land und Land, Stadt und Stadt — denn alle diese
Dinge sind für die Zukunft unmöglich. Ferner nicht die Gewerberäthe, sofern
sie beabsichtigen, die Löhne und Waarenpreise festzustellen, viel Zeit und Geld
kosten, sammt den Gewerbegerichten, sofern sie ebenfalls Zeit und Geld kosten,
und sich mit den Streitigkeiten über Abgrenzung der Arbeitsbefugniß herum¬
schlagen wollen. Was ists dagegen, was dem deutschen Handwerk
Hilfe bringt? Vor allem, daß der Handwerker die sich vollziehende Aen¬
derung seiner Lage begreift, sich ihr fügt und darauf einrichtet. Von einzelnen
Maßregeln dürste noch auf eine Zeit die Prüfung nicht ganz unzweckmäßig
sein, um den Zudrang zu der Meisterschaft einigermaßen auszuhalten, sowie


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[0340] Geld oder Capital ist eine Frucht der Leistung) regeln, nicht gewaltsam unter¬ drückt wird. , Die englischen Fabrikarbeiter haben in der letzten Zeit Strikes oder Arbeitseinstellungen gemacht, wenn sie glaubten, die Fabrikunter- nehmer hätten sich untereinander verabredet und thäten ihnen durch das An¬ gebot eines zu niedrigen Lohnes unrecht. Aber diese Strikes sind ihnen meist sehr übel bekommen, so daß sich hoffen läßt, die Arbeiter werden von dieser Waffe der Gegenwehr mehr und mehr zurückkommen, werden einsehen, daß durch Handels- und Wechselconjuncturen auch der Lohn afficirt werden muß, werden begreifen, daß nicht selten der Fabrikherr schlechte Zeiten und viel Sorgen hat, und diese auch dem Arbeiter nicht erspart werden können, werden zugeben, daß es ganz unausführbar ist, einestheils den Arbeiter an dem aus den Büchern festgestellten Gewinnsten der Unternehmer theilhaben zu lassen und ihm nicht auch zugleich die Passiva, die Verluste solidarisch mitaufzulegen nach Buch und Conto, werden die Erfahrung nicht vergessen, daß ein tüchtiger Arbeiter fast stets sein gutes Brot findet. Dazu kommt, daß mindestens gegenwärtig in England, Nordamerika u. s. w. die Arbeit nicht eben niedrig im Preise steht, und das bei fast ganz ungehinderter Concurrenz, ohne Zunftzwang und Bannmeile. — Die Klage über die Ausbeute der Arbeit durch das Capital ist insofern berechtigt, als etwa, dem Arbeiter verhältnißmäßig mehr Steuern und dergleichen auferlegt sind, wie dem Kapitalisten; aber einestheils würde es jeder Arbeiter, sobald er zu Capital käme, ebenso machen wie die „Geldsäcke", und andrerseits ist es Starrköpftgkeit, nicht einsehen zu wollen, , daß im wesentlichen das Capital die Frucht der Arbeit und des Talentes ist, wenn auch nicht des Sohnes, so doch des Vaters, wenn nicht des Vaters, so doch des Großvaters. Was ists also, das dem deutschen Handwerk nicht helfen kann? Nicht die Bannmeile, die Abgrenzung der Arbeitsbefugniß (daß z. B. der Zimmer¬ mann nur Gartenstühle, der Tischler Stubenstühle machen dürft!), die Fest¬ setzung der Meisterzahl, der Gesellenzahl, >der Lehrlingszahl, die Schutzzölle und Kauföverbote zwischen Land und Land, Stadt und Stadt — denn alle diese Dinge sind für die Zukunft unmöglich. Ferner nicht die Gewerberäthe, sofern sie beabsichtigen, die Löhne und Waarenpreise festzustellen, viel Zeit und Geld kosten, sammt den Gewerbegerichten, sofern sie ebenfalls Zeit und Geld kosten, und sich mit den Streitigkeiten über Abgrenzung der Arbeitsbefugniß herum¬ schlagen wollen. Was ists dagegen, was dem deutschen Handwerk Hilfe bringt? Vor allem, daß der Handwerker die sich vollziehende Aen¬ derung seiner Lage begreift, sich ihr fügt und darauf einrichtet. Von einzelnen Maßregeln dürste noch auf eine Zeit die Prüfung nicht ganz unzweckmäßig sein, um den Zudrang zu der Meisterschaft einigermaßen auszuhalten, sowie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/340>, abgerufen am 28.09.2024.