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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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auswandern, wo sie die freieste Verwendung finden, so ist die oben angedeutete
Bewegung unausbleiblich, wenn auch die Räder des rollenden Wagens hier
und da einen Menschen zerdrücken, der sich im Staube windet. Da gilt es die
rechte Theilung und die rechte Vereinigung der Arbeitskraft. Aber es will
uns dünken, als dürfe die Vereinigung keine Association sein, wie sie etwa
seit 18i8 in Paris versucht worden ist und selten gedeihen will. Oder soll
das wirklich eine stichhaltige Vereinigung sein, bei welcher etwa 50 Gesellen
und Meister zu einem Geschäft zusammentreten, ihre, kleinen Geldmittel zu¬
sammenlegen, Material kaufen, ein Local miethen, die Arbeit und den Ge¬
winn nach Beschlüssen der Generalversammlung oder eines Ausschusses unter
sich vertheilen?

Wird nicht trotz des V.ereinslocales jeder noch für sich ein Local haben und
bezahlen müssen? Werden die Wohlhabenden hinzutreten, durch welche die
Gesellschaft bei Capitalisten Credit erhält? Die Erfahrung spricht nicht dafür.
Wird der, welcher an die Gesellschaft Rohstoffe verkauft oder das Local ver-
miethet, sich nicht an einen unter ihnen halten wollen? Wird er die soli¬
darische Verpflichtung aller als Garantie annehmen? Wird sich jeder die
Arbeit gefallen lassen, welche ihm die Gemeinschaft aufträgt? Wird es nicht
bei der Vertheilung des Gewinnes Streit geben? Wird nicht der Einkauf
zur rechten Zeit und am rechten Orte manche Hemmung erfahren, wenn nicht
einer volle Macht dazu erhalt? Diese Vollmacht würde in gewisser Weise das
Wesen der Association vernichten. Einzelne Vereine, z. B. der Tischler für
Magazine, der Schneider für gemeinsamen Einkauf von Knöpfen, Zwirn,
Tuch u. s. w. haben einige Vortheile gebracht; aber sie sind nicht sehr be¬
deutend; sie sind weit bedeutender, wenn einer als Unternehmer dasteht mit
monarchischer Vollmacht, wenn auch mit monarchischen Risiko. Nur
keine halben Maßregeln! Nur nicht geschont, wo es gilt, ein schönes, bequem
gelegenes Local einzurichten! Capital und Einheit des Willens finden auch
das Talent. Im Geiste vieler Meister müssen wir über die Kleidermagazine
klagen, welche ihnen die Arbeit nehmen und den Lohn Herabdrücken. Aber wie
will man sie beseitigen? Schreibt dem Unternehmer vor, daß er ein Schneider¬
meister sein soll, der sein Meisterstück vor der strengsten Prüsungscommission
gemacht hat und der Unternehmer wird Euch einen hochgelehrten Schneider¬
meister vorschieben, daß es eine Art hat? Und sowenig wie die Fabriken
unterdrückt werden können, sowenig helfen Schutzzölle etwas. Denn wenn
z. B. der Tischler gegen ausländische Tischlerwaaren geschützt wird, muß auch
der Holzverkäufer, der Leimsleder, der Eisenfabrikant geschützt, d. h. dem
Tischler das "Material vertheuert werden. Und wollte man diese Schutzzölle,
selbst zwischen einzelnen Städten, wenn auch nur z. B. für Wcihnachtsmärkte
einführen, so müßte man ebenso der freien Arbeitsbefugniß Fußsesseln und


auswandern, wo sie die freieste Verwendung finden, so ist die oben angedeutete
Bewegung unausbleiblich, wenn auch die Räder des rollenden Wagens hier
und da einen Menschen zerdrücken, der sich im Staube windet. Da gilt es die
rechte Theilung und die rechte Vereinigung der Arbeitskraft. Aber es will
uns dünken, als dürfe die Vereinigung keine Association sein, wie sie etwa
seit 18i8 in Paris versucht worden ist und selten gedeihen will. Oder soll
das wirklich eine stichhaltige Vereinigung sein, bei welcher etwa 50 Gesellen
und Meister zu einem Geschäft zusammentreten, ihre, kleinen Geldmittel zu¬
sammenlegen, Material kaufen, ein Local miethen, die Arbeit und den Ge¬
winn nach Beschlüssen der Generalversammlung oder eines Ausschusses unter
sich vertheilen?

Wird nicht trotz des V.ereinslocales jeder noch für sich ein Local haben und
bezahlen müssen? Werden die Wohlhabenden hinzutreten, durch welche die
Gesellschaft bei Capitalisten Credit erhält? Die Erfahrung spricht nicht dafür.
Wird der, welcher an die Gesellschaft Rohstoffe verkauft oder das Local ver-
miethet, sich nicht an einen unter ihnen halten wollen? Wird er die soli¬
darische Verpflichtung aller als Garantie annehmen? Wird sich jeder die
Arbeit gefallen lassen, welche ihm die Gemeinschaft aufträgt? Wird es nicht
bei der Vertheilung des Gewinnes Streit geben? Wird nicht der Einkauf
zur rechten Zeit und am rechten Orte manche Hemmung erfahren, wenn nicht
einer volle Macht dazu erhalt? Diese Vollmacht würde in gewisser Weise das
Wesen der Association vernichten. Einzelne Vereine, z. B. der Tischler für
Magazine, der Schneider für gemeinsamen Einkauf von Knöpfen, Zwirn,
Tuch u. s. w. haben einige Vortheile gebracht; aber sie sind nicht sehr be¬
deutend; sie sind weit bedeutender, wenn einer als Unternehmer dasteht mit
monarchischer Vollmacht, wenn auch mit monarchischen Risiko. Nur
keine halben Maßregeln! Nur nicht geschont, wo es gilt, ein schönes, bequem
gelegenes Local einzurichten! Capital und Einheit des Willens finden auch
das Talent. Im Geiste vieler Meister müssen wir über die Kleidermagazine
klagen, welche ihnen die Arbeit nehmen und den Lohn Herabdrücken. Aber wie
will man sie beseitigen? Schreibt dem Unternehmer vor, daß er ein Schneider¬
meister sein soll, der sein Meisterstück vor der strengsten Prüsungscommission
gemacht hat und der Unternehmer wird Euch einen hochgelehrten Schneider¬
meister vorschieben, daß es eine Art hat? Und sowenig wie die Fabriken
unterdrückt werden können, sowenig helfen Schutzzölle etwas. Denn wenn
z. B. der Tischler gegen ausländische Tischlerwaaren geschützt wird, muß auch
der Holzverkäufer, der Leimsleder, der Eisenfabrikant geschützt, d. h. dem
Tischler das „Material vertheuert werden. Und wollte man diese Schutzzölle,
selbst zwischen einzelnen Städten, wenn auch nur z. B. für Wcihnachtsmärkte
einführen, so müßte man ebenso der freien Arbeitsbefugniß Fußsesseln und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/332>, abgerufen am 29.06.2024.