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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Fronten, zwischen denen man wählen kann, auf der Beschränktheit des Schu߬
feldes zwischen engen Bergwänden, und der infolge dessen meistens eintretenden
Unmöglichkeit, den nahenden Feind bereits aus der Ferne zu erschüttern. Daß
man Befestigungen am diesseitigen oder jenseitigen Ausgange anlegen müsse,
um derartige Hindernisse einer freien Entfaltung der fortificatorischen Mittel
zu besiegen, sind Vorschriften, die man selten in Anwendung bringen kann,
denn die beiden Deboucheen liegen meistens nicht mehr da, wo der Paß, ich
weine die Wände, welche ihn einengen, noch schwierig ist. Mit andern Worten,
es tritt hier die Gesahr eines Umgangenwerdens ein, welche insofern ver-
hängnißvoller werden kann, als eine Tournirung befestigter Positionen diesen
alle Bedeutung nimmt.

Wir waren ziemlich eine halbe Stunde lang in der engen Schlucht ge¬
ritten, als wir) nachdem der Weg eine neue Ansteigung gemacht hatte, zwischen
den Bergen, gleichwie durch eine Spalte, in eine unermeßliche Ebene schauten,
doppelt unermeßlich dem Anscheine nach für das Auge, dessen Horizont so lange
Zeit von Bergen nahe umgrenzt gewesen war. "Sofia!" rief bald darauf
einer der am weitesten vorausreitenden Türken und wies auf einen weißen
Streifen, der mitten auf der Fläche gelegen war und über welchem gleich licht¬
gefärbten Stangen die Minarets der Moscheen aufstiegen. Das Wasser neben
uns schien rascher zu rauschen und wir ließen, um die Wette mit ihm, unsre
Pferde trotz Stock und Stein einen muntern Trab laufen. Aber eine Krümmung
der Schlucht entzog uns das heitere Bild alsbald wieder.

Endlich nach etwa einer halben Stunde hatten wir einen sanften Abhang
erreicht, der unmittelbar auf die Sofiaer Ebene ausläuft. Hätten wir auch
die große Stadt nicht vor uns.gesehen, die uns begegnenden Einwohner der¬
selben, die Neitpvsten, die uns einholten und ihr zueilten, würden sie uns ver¬
kündet haben. Eine weitere halbe Stunde und wir langten vor einem halb
verfallenen niedrigen Erdaufwurfe an, welcher die ganze Befestigung war, die
bis dahin diese bedeutende und strategisch höchst wichtig gelegene Stadt gegen
einen Angriff gesichert hatte. Beim Einreiten in die Straßen lenkten wir dem
Platze zu, auf dem das Serai (Gouvernementshaus) gelegen ist. Es war der
vorletzte Tag im October; unsre Glieder waren theils vom Reiten, theils vom
Frost steif, denn zwischen diesen Bergen ziehen eisige Windströme hin, und so
war es uns höchst willkommen, als uns, noch ehe wir uns nach einem Han
umgesehen, ein Saptis die Kunde brachte, daß wir beim Ehef des Gens-
darmeriecorps (der Saptivs) eine einstweilige behagliche Unterkunft finden
würden.




Fronten, zwischen denen man wählen kann, auf der Beschränktheit des Schu߬
feldes zwischen engen Bergwänden, und der infolge dessen meistens eintretenden
Unmöglichkeit, den nahenden Feind bereits aus der Ferne zu erschüttern. Daß
man Befestigungen am diesseitigen oder jenseitigen Ausgange anlegen müsse,
um derartige Hindernisse einer freien Entfaltung der fortificatorischen Mittel
zu besiegen, sind Vorschriften, die man selten in Anwendung bringen kann,
denn die beiden Deboucheen liegen meistens nicht mehr da, wo der Paß, ich
weine die Wände, welche ihn einengen, noch schwierig ist. Mit andern Worten,
es tritt hier die Gesahr eines Umgangenwerdens ein, welche insofern ver-
hängnißvoller werden kann, als eine Tournirung befestigter Positionen diesen
alle Bedeutung nimmt.

Wir waren ziemlich eine halbe Stunde lang in der engen Schlucht ge¬
ritten, als wir) nachdem der Weg eine neue Ansteigung gemacht hatte, zwischen
den Bergen, gleichwie durch eine Spalte, in eine unermeßliche Ebene schauten,
doppelt unermeßlich dem Anscheine nach für das Auge, dessen Horizont so lange
Zeit von Bergen nahe umgrenzt gewesen war. „Sofia!" rief bald darauf
einer der am weitesten vorausreitenden Türken und wies auf einen weißen
Streifen, der mitten auf der Fläche gelegen war und über welchem gleich licht¬
gefärbten Stangen die Minarets der Moscheen aufstiegen. Das Wasser neben
uns schien rascher zu rauschen und wir ließen, um die Wette mit ihm, unsre
Pferde trotz Stock und Stein einen muntern Trab laufen. Aber eine Krümmung
der Schlucht entzog uns das heitere Bild alsbald wieder.

Endlich nach etwa einer halben Stunde hatten wir einen sanften Abhang
erreicht, der unmittelbar auf die Sofiaer Ebene ausläuft. Hätten wir auch
die große Stadt nicht vor uns.gesehen, die uns begegnenden Einwohner der¬
selben, die Neitpvsten, die uns einholten und ihr zueilten, würden sie uns ver¬
kündet haben. Eine weitere halbe Stunde und wir langten vor einem halb
verfallenen niedrigen Erdaufwurfe an, welcher die ganze Befestigung war, die
bis dahin diese bedeutende und strategisch höchst wichtig gelegene Stadt gegen
einen Angriff gesichert hatte. Beim Einreiten in die Straßen lenkten wir dem
Platze zu, auf dem das Serai (Gouvernementshaus) gelegen ist. Es war der
vorletzte Tag im October; unsre Glieder waren theils vom Reiten, theils vom
Frost steif, denn zwischen diesen Bergen ziehen eisige Windströme hin, und so
war es uns höchst willkommen, als uns, noch ehe wir uns nach einem Han
umgesehen, ein Saptis die Kunde brachte, daß wir beim Ehef des Gens-
darmeriecorps (der Saptivs) eine einstweilige behagliche Unterkunft finden
würden.




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[0318] Fronten, zwischen denen man wählen kann, auf der Beschränktheit des Schu߬ feldes zwischen engen Bergwänden, und der infolge dessen meistens eintretenden Unmöglichkeit, den nahenden Feind bereits aus der Ferne zu erschüttern. Daß man Befestigungen am diesseitigen oder jenseitigen Ausgange anlegen müsse, um derartige Hindernisse einer freien Entfaltung der fortificatorischen Mittel zu besiegen, sind Vorschriften, die man selten in Anwendung bringen kann, denn die beiden Deboucheen liegen meistens nicht mehr da, wo der Paß, ich weine die Wände, welche ihn einengen, noch schwierig ist. Mit andern Worten, es tritt hier die Gesahr eines Umgangenwerdens ein, welche insofern ver- hängnißvoller werden kann, als eine Tournirung befestigter Positionen diesen alle Bedeutung nimmt. Wir waren ziemlich eine halbe Stunde lang in der engen Schlucht ge¬ ritten, als wir) nachdem der Weg eine neue Ansteigung gemacht hatte, zwischen den Bergen, gleichwie durch eine Spalte, in eine unermeßliche Ebene schauten, doppelt unermeßlich dem Anscheine nach für das Auge, dessen Horizont so lange Zeit von Bergen nahe umgrenzt gewesen war. „Sofia!" rief bald darauf einer der am weitesten vorausreitenden Türken und wies auf einen weißen Streifen, der mitten auf der Fläche gelegen war und über welchem gleich licht¬ gefärbten Stangen die Minarets der Moscheen aufstiegen. Das Wasser neben uns schien rascher zu rauschen und wir ließen, um die Wette mit ihm, unsre Pferde trotz Stock und Stein einen muntern Trab laufen. Aber eine Krümmung der Schlucht entzog uns das heitere Bild alsbald wieder. Endlich nach etwa einer halben Stunde hatten wir einen sanften Abhang erreicht, der unmittelbar auf die Sofiaer Ebene ausläuft. Hätten wir auch die große Stadt nicht vor uns.gesehen, die uns begegnenden Einwohner der¬ selben, die Neitpvsten, die uns einholten und ihr zueilten, würden sie uns ver¬ kündet haben. Eine weitere halbe Stunde und wir langten vor einem halb verfallenen niedrigen Erdaufwurfe an, welcher die ganze Befestigung war, die bis dahin diese bedeutende und strategisch höchst wichtig gelegene Stadt gegen einen Angriff gesichert hatte. Beim Einreiten in die Straßen lenkten wir dem Platze zu, auf dem das Serai (Gouvernementshaus) gelegen ist. Es war der vorletzte Tag im October; unsre Glieder waren theils vom Reiten, theils vom Frost steif, denn zwischen diesen Bergen ziehen eisige Windströme hin, und so war es uns höchst willkommen, als uns, noch ehe wir uns nach einem Han umgesehen, ein Saptis die Kunde brachte, daß wir beim Ehef des Gens- darmeriecorps (der Saptivs) eine einstweilige behagliche Unterkunft finden würden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/318>, abgerufen am 29.06.2024.