Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.Beim Weiterreiten sahen wir eine Menge großer Adler über uns kreisen. Als die Sonne im Untergange begriffen war, sahen wir, wie dies seither Korrespondenzen. -- Seitdem ich meinen letzten Brief an Sie Dieselbe Witterung scheint innerhalb des ganzen weiten Bassins zu herrschen, Beim Weiterreiten sahen wir eine Menge großer Adler über uns kreisen. Als die Sonne im Untergange begriffen war, sahen wir, wie dies seither Korrespondenzen. — Seitdem ich meinen letzten Brief an Sie Dieselbe Witterung scheint innerhalb des ganzen weiten Bassins zu herrschen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99130"/> <p xml:id="ID_973"> Beim Weiterreiten sahen wir eine Menge großer Adler über uns kreisen.<lb/> Diese Thiere fliegen ungeschickter, ^schwerfälliger und mit weniger Grazie als<lb/> selbst unsre Krähen; ihre Flügelenden sind nicht scharf, sondern gleichsam wie<lb/> abgestumpft, und wie um sie zu verhöhnen flogen dann und wann kleinere<lb/> Vögel ziemlich dicht an ihnen vorüber. Die Adler nisten in den am wenigsten<lb/> bewohnten Theilen des Balkan und streifen von dort aus unaufhörlich einer¬<lb/> seits über die Ebene Bulgariens, andrerseits nach Rumelien hin. Obwol sie<lb/> an Kälbern und Schafen mancherlei Frevel begehen, schießt man nicht nach<lb/> ihnen — ich weiß nicht warum.</p><lb/> <p xml:id="ID_974"> Als die Sonne im Untergange begriffen war, sahen wir, wie dies seither<lb/> meistens der Fall gewesen war, unser Reiseziel, das Städtchen Kostendil, in<lb/> der Ferne liegen, und eine halbe Stunde darauf stiegen wir vor einem abson¬<lb/> derlich schmuzigen Han ab, der für dies Mal unser Nachtquartier werden<lb/> sollte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Korrespondenzen.</head><lb/> <div n="2"> <head> </head> <p xml:id="ID_975"> — Seitdem ich meinen letzten Brief an Sie<lb/> abgehen ließ, hat es hier ununterbrochen geschneit oder gefroren, und ein Blick<lb/> auf Stadt und Umgegend läßt eher aus eine Lage unter dem einundfunfzigsten, wie<lb/> unter dem einundvierzigsten Breitengrad schließen. Ihr Berichterstatter hatte am<lb/> vergangenen Dienstag und Mittwoch Mühe, sich auf seinen weiten Gängen im In¬<lb/> neren der Metropole durch die unermeßlichen Schneemassen hindurchzuarbeiten, die<lb/> der Wind stellenweise zu einer Höhe von drei bis vier Fuß in den Straßen zu-<lb/> sammengewebt hat. An Kehren denken hier wenige; die ganze Erscheinung eines<lb/> derartigen Winters hat für die hiesigen Einwohner etwas, Neues und Ueberraschen-<lb/> des; und während auf den nach und nach glatt gewordenen, abschüssigen Gassen<lb/> Pferde, Esel und Kameele und die Menschen ungeachtet aller Behutsamkeit stürzen,<lb/> fällt es kaum jemandem ein, Asche oder Sand zu streuen.</p><lb/> <p xml:id="ID_976" next="#ID_977"> Dieselbe Witterung scheint innerhalb des ganzen weiten Bassins zu herrschen,<lb/> welches sich rings zum Pontus absenkt und in diesem Meere seine räumliche Mitte<lb/> hat. Man hat aus der Krim, aus Odessa, aus Varna, aus Batna und Redut<lb/> Kate die Nachricht von bedeutendem Schneefall und anhaltender Kälte empfangen.<lb/> Die Griechen flüstern untereinander: „so verläßt doch der Himmel Nußland auch<lb/> dieses Mal nicht," aber man kann annehmen, daß die Märsche der Truppen inTau-<lb/> rien wie in ganz Rußland durch den harten Frost nicht minder ausgehalten werden,<lb/> als dadurch die Lage der immer noch ohne Obdach vor Sebastopol lagernden alliirten<lb/> Armeen eine an Verzweiflung streifende geworden sein wird. Als gewiß gilt, daß<lb/> die Führung beider Heere, des französischen wie des englischen, sehr viel zu wünschen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
Beim Weiterreiten sahen wir eine Menge großer Adler über uns kreisen.
Diese Thiere fliegen ungeschickter, ^schwerfälliger und mit weniger Grazie als
selbst unsre Krähen; ihre Flügelenden sind nicht scharf, sondern gleichsam wie
abgestumpft, und wie um sie zu verhöhnen flogen dann und wann kleinere
Vögel ziemlich dicht an ihnen vorüber. Die Adler nisten in den am wenigsten
bewohnten Theilen des Balkan und streifen von dort aus unaufhörlich einer¬
seits über die Ebene Bulgariens, andrerseits nach Rumelien hin. Obwol sie
an Kälbern und Schafen mancherlei Frevel begehen, schießt man nicht nach
ihnen — ich weiß nicht warum.
Als die Sonne im Untergange begriffen war, sahen wir, wie dies seither
meistens der Fall gewesen war, unser Reiseziel, das Städtchen Kostendil, in
der Ferne liegen, und eine halbe Stunde darauf stiegen wir vor einem abson¬
derlich schmuzigen Han ab, der für dies Mal unser Nachtquartier werden
sollte.
Korrespondenzen.
— Seitdem ich meinen letzten Brief an Sie
abgehen ließ, hat es hier ununterbrochen geschneit oder gefroren, und ein Blick
auf Stadt und Umgegend läßt eher aus eine Lage unter dem einundfunfzigsten, wie
unter dem einundvierzigsten Breitengrad schließen. Ihr Berichterstatter hatte am
vergangenen Dienstag und Mittwoch Mühe, sich auf seinen weiten Gängen im In¬
neren der Metropole durch die unermeßlichen Schneemassen hindurchzuarbeiten, die
der Wind stellenweise zu einer Höhe von drei bis vier Fuß in den Straßen zu-
sammengewebt hat. An Kehren denken hier wenige; die ganze Erscheinung eines
derartigen Winters hat für die hiesigen Einwohner etwas, Neues und Ueberraschen-
des; und während auf den nach und nach glatt gewordenen, abschüssigen Gassen
Pferde, Esel und Kameele und die Menschen ungeachtet aller Behutsamkeit stürzen,
fällt es kaum jemandem ein, Asche oder Sand zu streuen.
Dieselbe Witterung scheint innerhalb des ganzen weiten Bassins zu herrschen,
welches sich rings zum Pontus absenkt und in diesem Meere seine räumliche Mitte
hat. Man hat aus der Krim, aus Odessa, aus Varna, aus Batna und Redut
Kate die Nachricht von bedeutendem Schneefall und anhaltender Kälte empfangen.
Die Griechen flüstern untereinander: „so verläßt doch der Himmel Nußland auch
dieses Mal nicht," aber man kann annehmen, daß die Märsche der Truppen inTau-
rien wie in ganz Rußland durch den harten Frost nicht minder ausgehalten werden,
als dadurch die Lage der immer noch ohne Obdach vor Sebastopol lagernden alliirten
Armeen eine an Verzweiflung streifende geworden sein wird. Als gewiß gilt, daß
die Führung beider Heere, des französischen wie des englischen, sehr viel zu wünschen
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