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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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revolution wieder betreten. Ich bezeichne nicht das Jahr, sondern die Februar¬
revolution als den Ausgangspunkt der zweiten dramatischen Carriere, weil
die politischen Ereignisse gewissermaßen Georges Sands neuen dramatischen
Schöpfungen zum Anlaß dienten. So tapfer sich auch Georges Sand gegen
die Kritiker von Cosima zur Wehre gestellt hatte, so scharf sie auch auf sie
einHieb, fühlte sie doch einige Entmuthigung nach diesem verfehlten dramatischen
Versuche.

Nach den Februartagen, als die Republik proclamirt wurde und Bestand
zu bekommen versprach, machten die Comediens ordinairs de la republique
francaise ihrer damaligen Gebieterin ebenso den Hof, wie sie heute vor
Napoleon IU. im Staube kriechen möchten, wenn er ihnen diese Gnade gewähren
würde -- der Kaiser weist sie einfach an Fould und sie müssen sich mit Fuß-
fällcn vor diesem begnügen. Also damals wollte man der Republik angenehm
sein und die republikanisch ' regierten Schauspieler wandten sich durch das
Organ von Regnier an Madame Sand. Dieser rieth der Dichterin, aus
ihrem letzten Roman Francois le Champi ein Drama zu machen und versprach
den allerglänzendsten Erfolg. Georges Sand ließ sich den Vorschlag gefallen
und in wenigen Wochen war das neue Drama fertig. Fräulein Augustine
Brohan übernahm es, die Aufführung zu betreiben -- es sollte alles schnell
gehen. ?i-une/.ol8 le onawpi blieb bei der Soubrette vom Theatre francais,
die Aufführung ließ immer aus sich warten und man weigerte sich doch, das
Manuscript zurückzugeben. Das Theatre francais diplomatistrte, die Republik
war noch nicht todt, aber, die Wahl des zehnten December hatte ihr einen
Todesstoß gegeben. Endlich ließ Madame Sand das Drama durch ihren
Sohn Moritz mit Entschiedenheit zurückverlangen und es sollte wieder in das
Portefeuille der Dichterin zurückkehren. Borage, der damalige Director des '
Odeon, hatte von dem Drama gehört und bewog Moritz, es ihm zu zeigen.
Er fühlte, welcher Bühnenerfolg in diesem Stücke lag, reiste nach Nohaut,
setzte bei der widerstrebenden Chatelaine eine Leseprobe durch und las das Stück
selbst, um der Dichterin zu zeigen, was daraus gemacht werden könne. Georges
Sand weinte wie ein Kind, bei dieser Lectüre, ihr Held hatte sie aufs heftigste
ergriffen und sie glaubte nun an den dramatischen Effect des Champi. Sie
nahm einige geringe, von Borage verlangte Aenderungen vor und auf dem
Odeontheater wurde der Champi einen ganzen Winter lang mit außerordent-,
lieben Erfolge jeden Abend gespielt. Nun wandte Georges Sand ihre Thä¬
tigkeit wieder dem Theater zu und während der letztverflossenen fünf Jahre
folgten ewuäiö, NoUcwe, los vaocmcW cle ?iUiäc>IMö, w mari^s <Ze View-
rin<z, Is Lkvmin Zu koz'Lr, le pressoir und I^auprat schnell auseinander. Die
Dorfgeschichte hat in ihren neuesten Stücken wie in ihren letzten Romanen
das Uebergewicht gewonnen. Die Dichterin lebt seither fast immer auf dem


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revolution wieder betreten. Ich bezeichne nicht das Jahr, sondern die Februar¬
revolution als den Ausgangspunkt der zweiten dramatischen Carriere, weil
die politischen Ereignisse gewissermaßen Georges Sands neuen dramatischen
Schöpfungen zum Anlaß dienten. So tapfer sich auch Georges Sand gegen
die Kritiker von Cosima zur Wehre gestellt hatte, so scharf sie auch auf sie
einHieb, fühlte sie doch einige Entmuthigung nach diesem verfehlten dramatischen
Versuche.

Nach den Februartagen, als die Republik proclamirt wurde und Bestand
zu bekommen versprach, machten die Comediens ordinairs de la republique
francaise ihrer damaligen Gebieterin ebenso den Hof, wie sie heute vor
Napoleon IU. im Staube kriechen möchten, wenn er ihnen diese Gnade gewähren
würde — der Kaiser weist sie einfach an Fould und sie müssen sich mit Fuß-
fällcn vor diesem begnügen. Also damals wollte man der Republik angenehm
sein und die republikanisch ' regierten Schauspieler wandten sich durch das
Organ von Regnier an Madame Sand. Dieser rieth der Dichterin, aus
ihrem letzten Roman Francois le Champi ein Drama zu machen und versprach
den allerglänzendsten Erfolg. Georges Sand ließ sich den Vorschlag gefallen
und in wenigen Wochen war das neue Drama fertig. Fräulein Augustine
Brohan übernahm es, die Aufführung zu betreiben — es sollte alles schnell
gehen. ?i-une/.ol8 le onawpi blieb bei der Soubrette vom Theatre francais,
die Aufführung ließ immer aus sich warten und man weigerte sich doch, das
Manuscript zurückzugeben. Das Theatre francais diplomatistrte, die Republik
war noch nicht todt, aber, die Wahl des zehnten December hatte ihr einen
Todesstoß gegeben. Endlich ließ Madame Sand das Drama durch ihren
Sohn Moritz mit Entschiedenheit zurückverlangen und es sollte wieder in das
Portefeuille der Dichterin zurückkehren. Borage, der damalige Director des '
Odeon, hatte von dem Drama gehört und bewog Moritz, es ihm zu zeigen.
Er fühlte, welcher Bühnenerfolg in diesem Stücke lag, reiste nach Nohaut,
setzte bei der widerstrebenden Chatelaine eine Leseprobe durch und las das Stück
selbst, um der Dichterin zu zeigen, was daraus gemacht werden könne. Georges
Sand weinte wie ein Kind, bei dieser Lectüre, ihr Held hatte sie aufs heftigste
ergriffen und sie glaubte nun an den dramatischen Effect des Champi. Sie
nahm einige geringe, von Borage verlangte Aenderungen vor und auf dem
Odeontheater wurde der Champi einen ganzen Winter lang mit außerordent-,
lieben Erfolge jeden Abend gespielt. Nun wandte Georges Sand ihre Thä¬
tigkeit wieder dem Theater zu und während der letztverflossenen fünf Jahre
folgten ewuäiö, NoUcwe, los vaocmcW cle ?iUiäc>IMö, w mari^s <Ze View-
rin<z, Is Lkvmin Zu koz'Lr, le pressoir und I^auprat schnell auseinander. Die
Dorfgeschichte hat in ihren neuesten Stücken wie in ihren letzten Romanen
das Uebergewicht gewonnen. Die Dichterin lebt seither fast immer auf dem


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[0265] revolution wieder betreten. Ich bezeichne nicht das Jahr, sondern die Februar¬ revolution als den Ausgangspunkt der zweiten dramatischen Carriere, weil die politischen Ereignisse gewissermaßen Georges Sands neuen dramatischen Schöpfungen zum Anlaß dienten. So tapfer sich auch Georges Sand gegen die Kritiker von Cosima zur Wehre gestellt hatte, so scharf sie auch auf sie einHieb, fühlte sie doch einige Entmuthigung nach diesem verfehlten dramatischen Versuche. Nach den Februartagen, als die Republik proclamirt wurde und Bestand zu bekommen versprach, machten die Comediens ordinairs de la republique francaise ihrer damaligen Gebieterin ebenso den Hof, wie sie heute vor Napoleon IU. im Staube kriechen möchten, wenn er ihnen diese Gnade gewähren würde — der Kaiser weist sie einfach an Fould und sie müssen sich mit Fuß- fällcn vor diesem begnügen. Also damals wollte man der Republik angenehm sein und die republikanisch ' regierten Schauspieler wandten sich durch das Organ von Regnier an Madame Sand. Dieser rieth der Dichterin, aus ihrem letzten Roman Francois le Champi ein Drama zu machen und versprach den allerglänzendsten Erfolg. Georges Sand ließ sich den Vorschlag gefallen und in wenigen Wochen war das neue Drama fertig. Fräulein Augustine Brohan übernahm es, die Aufführung zu betreiben — es sollte alles schnell gehen. ?i-une/.ol8 le onawpi blieb bei der Soubrette vom Theatre francais, die Aufführung ließ immer aus sich warten und man weigerte sich doch, das Manuscript zurückzugeben. Das Theatre francais diplomatistrte, die Republik war noch nicht todt, aber, die Wahl des zehnten December hatte ihr einen Todesstoß gegeben. Endlich ließ Madame Sand das Drama durch ihren Sohn Moritz mit Entschiedenheit zurückverlangen und es sollte wieder in das Portefeuille der Dichterin zurückkehren. Borage, der damalige Director des ' Odeon, hatte von dem Drama gehört und bewog Moritz, es ihm zu zeigen. Er fühlte, welcher Bühnenerfolg in diesem Stücke lag, reiste nach Nohaut, setzte bei der widerstrebenden Chatelaine eine Leseprobe durch und las das Stück selbst, um der Dichterin zu zeigen, was daraus gemacht werden könne. Georges Sand weinte wie ein Kind, bei dieser Lectüre, ihr Held hatte sie aufs heftigste ergriffen und sie glaubte nun an den dramatischen Effect des Champi. Sie nahm einige geringe, von Borage verlangte Aenderungen vor und auf dem Odeontheater wurde der Champi einen ganzen Winter lang mit außerordent-, lieben Erfolge jeden Abend gespielt. Nun wandte Georges Sand ihre Thä¬ tigkeit wieder dem Theater zu und während der letztverflossenen fünf Jahre folgten ewuäiö, NoUcwe, los vaocmcW cle ?iUiäc>IMö, w mari^s <Ze View- rin<z, Is Lkvmin Zu koz'Lr, le pressoir und I^auprat schnell auseinander. Die Dorfgeschichte hat in ihren neuesten Stücken wie in ihren letzten Romanen das Uebergewicht gewonnen. Die Dichterin lebt seither fast immer auf dem Grenzboten. l. -iLLii. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/265>, abgerufen am 29.06.2024.