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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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hinaus sind die Gebäude seltener, die Gärten weit gedehnter, üppiger, grünet,
ländlicher geworden, links sind wir über Pera, rechts über Skutari hinaus,
und unwillkürlich zieht es uns zum Stern des Schiffes,- um, neben dem
Steuermann stehend, einen letzten Blick noch der Kaiserstadt zuzusenden, ehe
sie uns auf lange Zeit hinter den Krümmungen der Ufer verschwinden wird.

Es ist die Serailspitze allein, die noch innerhalb unsres Gesichtskreises
liegt; von dem Nest des großen häuserbedeckten Dreiecks nehmen wir nur die
Spitze des minaretartig aufsteigenden hohen Seriaskerthurmes wahr. Rechts
davon ragt das Pyramidalische grüne Kupferdach des Thurmes von Galata
mit seinem kolossalen kronenartjgen Knopfe. Zugleich sehen wir rechts vor
uns die letzten Häuser von Pera und links einen Theil des weiten Häuser-
knäuls von Skutari. Die Luft ist so klar und durchsichtig, daß wir über das
blaue Dunstmeer hinweg, welches sich in niederer Region über der Fernsicht
hinbreitet, die schneegekrönte Spitze des Olymp noch erkennen können.

Inzwischen sind wir zwischen den beiden Festen Rumili und Anadoli Hifsar
(die beiden Hissaren gemeinhin genannt), angelangt. Diesseits der letzteren, auf
dem astatischen Ufer, liegt das der Häusersronte eingewobene Dorf Kandili.
Hier ist es, wo Fuad Effendi, der bekannte, feingewiegte türkische Staatsmann
sich für den Sommeraufenthalt ein äußerst geschmackvolles Haus hat erbauen
lassen. Wir fahren dicht an seiner Hauptseite vorüber und überschauen den
weilen Vorhof, der sich vor ihm ausbreitet. Die Gemächer sind durchaus frän¬
kisch eingerichtet. Hier auch ist es, wo der des Westens kundige Minister,
zur Zeit seines Jnnehabens der Stelle eines Staatöseeretürs der auswärtigen
Angelegenheiten die Gesandten der Großmächte bewirthete. Man erinnert sich
noch jetzt in den diplomatischen Cirkeln von Pera des reichen Silbergeschirrs,
welches die Tafel schmückte, und beim Desert der mit Diamanten reinsten Was¬
sers mehr als sonst üblich überladenen Pfeifen (Tschibucks).

Von den beiden Hissaren ist das europäische Schloß das bei weitem im-
ponirendste. Drei hohe und zwei kleinere Thürme, die mit einer zick.ackförmigen,
mit Zinnen versehenen Mauer verbunden sind, machen die Hauptbestandtheile
des Forts aus, welches, auf dem AbHange selbst erbaut, sich amphitheatralisch
erhebt. Ich habe nicht sicher erfahren, aus welcher Zeit der Bau herstammt.
Die Türken nennen Muhammed it. oder wie die Türken sich ausdrücken:
Sultan Mehemmed (der Name Muhammed ist für den Propheten allein reser-
virt) als Gründer.

Weitere tausend Schritte oberhalb kommen wir an Balta Liman vorüber.
Man kennt den Vertrag, der sich von daher, nämlich von dem Palaste Reschid
Paschas, der hier seine Sommerrestdenz hat, datirt. Hier war es, wo Fürst
Menschikoff seine letzte Rücksprache mit dem Pfortenminister nahm. Die innere
Einrichtung des Gebäudes soll prachtvoll sein. Ich kenne sie nicht.


Grenzboten. I. ,,8^. 2t

hinaus sind die Gebäude seltener, die Gärten weit gedehnter, üppiger, grünet,
ländlicher geworden, links sind wir über Pera, rechts über Skutari hinaus,
und unwillkürlich zieht es uns zum Stern des Schiffes,- um, neben dem
Steuermann stehend, einen letzten Blick noch der Kaiserstadt zuzusenden, ehe
sie uns auf lange Zeit hinter den Krümmungen der Ufer verschwinden wird.

Es ist die Serailspitze allein, die noch innerhalb unsres Gesichtskreises
liegt; von dem Nest des großen häuserbedeckten Dreiecks nehmen wir nur die
Spitze des minaretartig aufsteigenden hohen Seriaskerthurmes wahr. Rechts
davon ragt das Pyramidalische grüne Kupferdach des Thurmes von Galata
mit seinem kolossalen kronenartjgen Knopfe. Zugleich sehen wir rechts vor
uns die letzten Häuser von Pera und links einen Theil des weiten Häuser-
knäuls von Skutari. Die Luft ist so klar und durchsichtig, daß wir über das
blaue Dunstmeer hinweg, welches sich in niederer Region über der Fernsicht
hinbreitet, die schneegekrönte Spitze des Olymp noch erkennen können.

Inzwischen sind wir zwischen den beiden Festen Rumili und Anadoli Hifsar
(die beiden Hissaren gemeinhin genannt), angelangt. Diesseits der letzteren, auf
dem astatischen Ufer, liegt das der Häusersronte eingewobene Dorf Kandili.
Hier ist es, wo Fuad Effendi, der bekannte, feingewiegte türkische Staatsmann
sich für den Sommeraufenthalt ein äußerst geschmackvolles Haus hat erbauen
lassen. Wir fahren dicht an seiner Hauptseite vorüber und überschauen den
weilen Vorhof, der sich vor ihm ausbreitet. Die Gemächer sind durchaus frän¬
kisch eingerichtet. Hier auch ist es, wo der des Westens kundige Minister,
zur Zeit seines Jnnehabens der Stelle eines Staatöseeretürs der auswärtigen
Angelegenheiten die Gesandten der Großmächte bewirthete. Man erinnert sich
noch jetzt in den diplomatischen Cirkeln von Pera des reichen Silbergeschirrs,
welches die Tafel schmückte, und beim Desert der mit Diamanten reinsten Was¬
sers mehr als sonst üblich überladenen Pfeifen (Tschibucks).

Von den beiden Hissaren ist das europäische Schloß das bei weitem im-
ponirendste. Drei hohe und zwei kleinere Thürme, die mit einer zick.ackförmigen,
mit Zinnen versehenen Mauer verbunden sind, machen die Hauptbestandtheile
des Forts aus, welches, auf dem AbHange selbst erbaut, sich amphitheatralisch
erhebt. Ich habe nicht sicher erfahren, aus welcher Zeit der Bau herstammt.
Die Türken nennen Muhammed it. oder wie die Türken sich ausdrücken:
Sultan Mehemmed (der Name Muhammed ist für den Propheten allein reser-
virt) als Gründer.

Weitere tausend Schritte oberhalb kommen wir an Balta Liman vorüber.
Man kennt den Vertrag, der sich von daher, nämlich von dem Palaste Reschid
Paschas, der hier seine Sommerrestdenz hat, datirt. Hier war es, wo Fürst
Menschikoff seine letzte Rücksprache mit dem Pfortenminister nahm. Die innere
Einrichtung des Gebäudes soll prachtvoll sein. Ich kenne sie nicht.


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[0193] hinaus sind die Gebäude seltener, die Gärten weit gedehnter, üppiger, grünet, ländlicher geworden, links sind wir über Pera, rechts über Skutari hinaus, und unwillkürlich zieht es uns zum Stern des Schiffes,- um, neben dem Steuermann stehend, einen letzten Blick noch der Kaiserstadt zuzusenden, ehe sie uns auf lange Zeit hinter den Krümmungen der Ufer verschwinden wird. Es ist die Serailspitze allein, die noch innerhalb unsres Gesichtskreises liegt; von dem Nest des großen häuserbedeckten Dreiecks nehmen wir nur die Spitze des minaretartig aufsteigenden hohen Seriaskerthurmes wahr. Rechts davon ragt das Pyramidalische grüne Kupferdach des Thurmes von Galata mit seinem kolossalen kronenartjgen Knopfe. Zugleich sehen wir rechts vor uns die letzten Häuser von Pera und links einen Theil des weiten Häuser- knäuls von Skutari. Die Luft ist so klar und durchsichtig, daß wir über das blaue Dunstmeer hinweg, welches sich in niederer Region über der Fernsicht hinbreitet, die schneegekrönte Spitze des Olymp noch erkennen können. Inzwischen sind wir zwischen den beiden Festen Rumili und Anadoli Hifsar (die beiden Hissaren gemeinhin genannt), angelangt. Diesseits der letzteren, auf dem astatischen Ufer, liegt das der Häusersronte eingewobene Dorf Kandili. Hier ist es, wo Fuad Effendi, der bekannte, feingewiegte türkische Staatsmann sich für den Sommeraufenthalt ein äußerst geschmackvolles Haus hat erbauen lassen. Wir fahren dicht an seiner Hauptseite vorüber und überschauen den weilen Vorhof, der sich vor ihm ausbreitet. Die Gemächer sind durchaus frän¬ kisch eingerichtet. Hier auch ist es, wo der des Westens kundige Minister, zur Zeit seines Jnnehabens der Stelle eines Staatöseeretürs der auswärtigen Angelegenheiten die Gesandten der Großmächte bewirthete. Man erinnert sich noch jetzt in den diplomatischen Cirkeln von Pera des reichen Silbergeschirrs, welches die Tafel schmückte, und beim Desert der mit Diamanten reinsten Was¬ sers mehr als sonst üblich überladenen Pfeifen (Tschibucks). Von den beiden Hissaren ist das europäische Schloß das bei weitem im- ponirendste. Drei hohe und zwei kleinere Thürme, die mit einer zick.ackförmigen, mit Zinnen versehenen Mauer verbunden sind, machen die Hauptbestandtheile des Forts aus, welches, auf dem AbHange selbst erbaut, sich amphitheatralisch erhebt. Ich habe nicht sicher erfahren, aus welcher Zeit der Bau herstammt. Die Türken nennen Muhammed it. oder wie die Türken sich ausdrücken: Sultan Mehemmed (der Name Muhammed ist für den Propheten allein reser- virt) als Gründer. Weitere tausend Schritte oberhalb kommen wir an Balta Liman vorüber. Man kennt den Vertrag, der sich von daher, nämlich von dem Palaste Reschid Paschas, der hier seine Sommerrestdenz hat, datirt. Hier war es, wo Fürst Menschikoff seine letzte Rücksprache mit dem Pfortenminister nahm. Die innere Einrichtung des Gebäudes soll prachtvoll sein. Ich kenne sie nicht. Grenzboten. I. ,,8^. 2t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/193>, abgerufen am 25.08.2024.