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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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meister sind, wenn ich nicht irre, die Gebrüder Fossati, dieselben, welche auch
mit der Ausführung des unvollendet gebliebenen Universitätsgebäudes betraut
waren und nach deren Plane das russische Gesandschaftöpalais erbaut ist.

Der Bosporus hat hier und stundenweit von da aus aufwärts ununter-
brochen das Ansehen, wenn ich so sagen darf, einer Straße Venedigs. Bei
einer wechselnden Breite von 1200--1800 Schritt ist er rechts und links mit
einer stattlichen, dicht am Strande hinlaufenden Häuserreihe besetzt, hinter der
sich, was freilich in Venedig nicht vorkommt, liebliche Gärten die Verghänge
hinanziehe". Tausend Schritte oberhalb von Dolma Bagdsche Serai passiren
wir an dem Palais von Tschiraghan vorüber. Das ist die nun bereits mehr¬
jährige Residenz des sonst etwas veränderungssüchtigen Sultans. Es ist ganz
aus Holz gebaut, gewährt aber von außen her, namentlich auf der Haupt-
fronte, das Aussehen eines massiven Gebäudes. Es ist schon unter Sultan
Muhmedö >I. Negierung aufgeführt worden. Schildwachen von der Garde¬
infanterie (Khassa) halten, wie angenagelt auf ihrem Posten stehend, zuunterst
den Stufen der großen Freitreppe, die zum Wasser herniederführt, Wache.
Gondeln oder wie man hier sagt Kalks liegen rechts und links von der Treppe.
Die Ruderer sind in Blau gekleidet mit türkischrothen Halbblousen um Hals
und Schultern. Sie haben die Minister soeben zum Vortrage nach dem
Schlosse geführt und harren auf ihre Rückkehr aus den kaiserlichen Gemächern,
um sie zu ihren respectiven Konaks (türkische Palais) zurückzuführen.

Ich erinnere mich, daß von manchen Reisebeschreibern, unter ihnen auch
von Fallmerayr, der Bosporus ein Silberstrom genannt worden ist. Dieser
Benennung entspricht indeß meinem Dafürhalten nach sein Aussehen nicht
im entferntesten. Es ist im Gegentheil eine dunkle, dann und wann aller¬
dings blitzend aufschäumende, aber immer doch mehr düster als hellgefärbte
Flut, die uns entgegenrauscht. Und wahrlich, der Eindruck, den sie inmitten
der wunderbaren Landschaft macht, würde nicht gehoben werden, wenn es an¬
ders wäre. Ein mächtiges,-schwärzliches Colorit tragen auch die tiefeingebuch¬
teten Thäler und die untersten Uferränder, an denen die Felsen von Thon-
und Mergelschiefer zu Tage stehe". Erst weiter hinaus wird es Heller, bis
endlich oben auf dem Plateau die sonnenbestrahlten Dächer von Pera und
Skutari das Gemälde krönen, über welches, gleichsam um den Contrast noch
auffallender zu machen, der blaue tiefe Sommerhimmel wolkenlos ausgebrei¬
tet liegt.

Das Treiben der unermeßlichen Metropole und ihres Hafens haben wir
nun schon weil hinter uns. Nicht schießen dicht um die schaumspritzenden
Räder unsres Fahrzeugs jene pfeilschnellen Kalks dahin, von denen tausende
das goldene Horn jeden Augenblick durchfurchen. Die Ufer sind unterwärts
noch immer von der buntfarbigen Häuserfronte eingenommen, aber darüber


meister sind, wenn ich nicht irre, die Gebrüder Fossati, dieselben, welche auch
mit der Ausführung des unvollendet gebliebenen Universitätsgebäudes betraut
waren und nach deren Plane das russische Gesandschaftöpalais erbaut ist.

Der Bosporus hat hier und stundenweit von da aus aufwärts ununter-
brochen das Ansehen, wenn ich so sagen darf, einer Straße Venedigs. Bei
einer wechselnden Breite von 1200—1800 Schritt ist er rechts und links mit
einer stattlichen, dicht am Strande hinlaufenden Häuserreihe besetzt, hinter der
sich, was freilich in Venedig nicht vorkommt, liebliche Gärten die Verghänge
hinanziehe». Tausend Schritte oberhalb von Dolma Bagdsche Serai passiren
wir an dem Palais von Tschiraghan vorüber. Das ist die nun bereits mehr¬
jährige Residenz des sonst etwas veränderungssüchtigen Sultans. Es ist ganz
aus Holz gebaut, gewährt aber von außen her, namentlich auf der Haupt-
fronte, das Aussehen eines massiven Gebäudes. Es ist schon unter Sultan
Muhmedö >I. Negierung aufgeführt worden. Schildwachen von der Garde¬
infanterie (Khassa) halten, wie angenagelt auf ihrem Posten stehend, zuunterst
den Stufen der großen Freitreppe, die zum Wasser herniederführt, Wache.
Gondeln oder wie man hier sagt Kalks liegen rechts und links von der Treppe.
Die Ruderer sind in Blau gekleidet mit türkischrothen Halbblousen um Hals
und Schultern. Sie haben die Minister soeben zum Vortrage nach dem
Schlosse geführt und harren auf ihre Rückkehr aus den kaiserlichen Gemächern,
um sie zu ihren respectiven Konaks (türkische Palais) zurückzuführen.

Ich erinnere mich, daß von manchen Reisebeschreibern, unter ihnen auch
von Fallmerayr, der Bosporus ein Silberstrom genannt worden ist. Dieser
Benennung entspricht indeß meinem Dafürhalten nach sein Aussehen nicht
im entferntesten. Es ist im Gegentheil eine dunkle, dann und wann aller¬
dings blitzend aufschäumende, aber immer doch mehr düster als hellgefärbte
Flut, die uns entgegenrauscht. Und wahrlich, der Eindruck, den sie inmitten
der wunderbaren Landschaft macht, würde nicht gehoben werden, wenn es an¬
ders wäre. Ein mächtiges,-schwärzliches Colorit tragen auch die tiefeingebuch¬
teten Thäler und die untersten Uferränder, an denen die Felsen von Thon-
und Mergelschiefer zu Tage stehe». Erst weiter hinaus wird es Heller, bis
endlich oben auf dem Plateau die sonnenbestrahlten Dächer von Pera und
Skutari das Gemälde krönen, über welches, gleichsam um den Contrast noch
auffallender zu machen, der blaue tiefe Sommerhimmel wolkenlos ausgebrei¬
tet liegt.

Das Treiben der unermeßlichen Metropole und ihres Hafens haben wir
nun schon weil hinter uns. Nicht schießen dicht um die schaumspritzenden
Räder unsres Fahrzeugs jene pfeilschnellen Kalks dahin, von denen tausende
das goldene Horn jeden Augenblick durchfurchen. Die Ufer sind unterwärts
noch immer von der buntfarbigen Häuserfronte eingenommen, aber darüber


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[0192] meister sind, wenn ich nicht irre, die Gebrüder Fossati, dieselben, welche auch mit der Ausführung des unvollendet gebliebenen Universitätsgebäudes betraut waren und nach deren Plane das russische Gesandschaftöpalais erbaut ist. Der Bosporus hat hier und stundenweit von da aus aufwärts ununter- brochen das Ansehen, wenn ich so sagen darf, einer Straße Venedigs. Bei einer wechselnden Breite von 1200—1800 Schritt ist er rechts und links mit einer stattlichen, dicht am Strande hinlaufenden Häuserreihe besetzt, hinter der sich, was freilich in Venedig nicht vorkommt, liebliche Gärten die Verghänge hinanziehe». Tausend Schritte oberhalb von Dolma Bagdsche Serai passiren wir an dem Palais von Tschiraghan vorüber. Das ist die nun bereits mehr¬ jährige Residenz des sonst etwas veränderungssüchtigen Sultans. Es ist ganz aus Holz gebaut, gewährt aber von außen her, namentlich auf der Haupt- fronte, das Aussehen eines massiven Gebäudes. Es ist schon unter Sultan Muhmedö >I. Negierung aufgeführt worden. Schildwachen von der Garde¬ infanterie (Khassa) halten, wie angenagelt auf ihrem Posten stehend, zuunterst den Stufen der großen Freitreppe, die zum Wasser herniederführt, Wache. Gondeln oder wie man hier sagt Kalks liegen rechts und links von der Treppe. Die Ruderer sind in Blau gekleidet mit türkischrothen Halbblousen um Hals und Schultern. Sie haben die Minister soeben zum Vortrage nach dem Schlosse geführt und harren auf ihre Rückkehr aus den kaiserlichen Gemächern, um sie zu ihren respectiven Konaks (türkische Palais) zurückzuführen. Ich erinnere mich, daß von manchen Reisebeschreibern, unter ihnen auch von Fallmerayr, der Bosporus ein Silberstrom genannt worden ist. Dieser Benennung entspricht indeß meinem Dafürhalten nach sein Aussehen nicht im entferntesten. Es ist im Gegentheil eine dunkle, dann und wann aller¬ dings blitzend aufschäumende, aber immer doch mehr düster als hellgefärbte Flut, die uns entgegenrauscht. Und wahrlich, der Eindruck, den sie inmitten der wunderbaren Landschaft macht, würde nicht gehoben werden, wenn es an¬ ders wäre. Ein mächtiges,-schwärzliches Colorit tragen auch die tiefeingebuch¬ teten Thäler und die untersten Uferränder, an denen die Felsen von Thon- und Mergelschiefer zu Tage stehe». Erst weiter hinaus wird es Heller, bis endlich oben auf dem Plateau die sonnenbestrahlten Dächer von Pera und Skutari das Gemälde krönen, über welches, gleichsam um den Contrast noch auffallender zu machen, der blaue tiefe Sommerhimmel wolkenlos ausgebrei¬ tet liegt. Das Treiben der unermeßlichen Metropole und ihres Hafens haben wir nun schon weil hinter uns. Nicht schießen dicht um die schaumspritzenden Räder unsres Fahrzeugs jene pfeilschnellen Kalks dahin, von denen tausende das goldene Horn jeden Augenblick durchfurchen. Die Ufer sind unterwärts noch immer von der buntfarbigen Häuserfronte eingenommen, aber darüber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/192>, abgerufen am 25.08.2024.