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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Blätter begünstigt, läßt uns für die Zukunft eine schmeichelhafte Hoffnung
fassen; besonders da wir uns mit allen Kräften bemühen werden, sie seiner
Gewogenheit immer würdiger zu iriachen.

Man hat bisher verschiedentlich Unzufriedenheit mit unsren Blättern bezeugt;
Autoren sowol als Kritiker, ja sogar das Publicum selbst, halben gewünscht,
daß manches anders sein möchte und könnte, dessen wir uns freilich gerne
schuldig geben wollen, wenn uns nicht UnVollkommenheit aller menschlichen
Dinge genugsam entschuldigt. > >

Es ist wahr, es konnten einige Autoren sich über uns beklagen. Die
billigste Kritik ist schon Ungerechtigkeit; jeder machts nach Vermögen und Kräften,
und findet sein Publicum, wie er einen Buchhändler gefunden hat. Wir hoffen,
diese Herren werden damit sich trösten und die Unbilligkeit verschmerzen, über
die sie sich beschweren. Unsre Mitbrüder an der kritischen Innung hatten außer
dem Handwerksneid noch einige andere Ursachen, uns öffentlich anzuschreien
und heimlich zu necken. Wir trieben das Handwerk ein bischen freier als sie,
und mit mehr Eifer. Die Gleichheit ist in allen Ständen der Grund der Ord¬
nung und des Guten, und der Bäcker verdient Strafe, der Brez'ein bäckt, wenn
er nur Brot aufstellen sollte, sie mögen übrigens wohlschmecken wem sie wollen.

Könnten wir nur auch diesen Trost ganz mit in das neue Jahr nehmen,
daß wir dem Publico einigen Dienst erzeigt, wie es unser Wunsch gewesen,
wir würden uns wegen des übrigen eher zufrieden geben. Allein auch von
diesem ist uns mannigfaltiger Tadel und Klage zu Ohren gekommen, am meisten
über den Mangel so nothwendiger Deutlichkeit. Unsre Sprache, wir ge-
stehens gern, ist nicht die ausgebildetste, wir haben uns über den Unfleiß,
unsre Empfindungen und Gedanken auseinanderzuwickeln noch mancher Nach¬
lässigkeit im Stil schuldig gemacht, und das gibt manchen Recensionen ein
so welsches Ansehn, daß es uns von Herzen leid ist, vielen Personen Gelegen¬
heit zum Annuli) gegeben zu haben, die bei dreimaliger Durchlesung dennoch
nicht klug daraus werden können.

Das größte Uebel aber, das daher entsprungen, sind die Mißverständnisse,
denen unsre Gedanken dadurch unterworfen worden. Wir wissen uns rein von
allen bösen Absichten. Doch hätten wir bedacht, daß über dunkle Stellen einer
Schrift tausende nicht denken mögen noch können, für die also derjenige Lehrer
oder Führer ist, der Witz genug hat, dergleichen zu thun, als habe er sie ver¬
standen; wir würden uns soviel wie möglich einer andern Schreibart befleißigt
haben. Doch was lernt man in der Welt anders als durch Erfahrung.

Ebenso aufmerksam waren wir auf den Borwurf, der uns wegen Mangel
wahrer Gelehrsamkeit gemacht worden. Was wir wahre Gelehrsamkeit nennen,
bildeten wir uns niemals ein, zu besitzen, aber da ein geehrtes Publicum
hierin sonst sehr genügsam ist, merken wir nun wol, daß es uns entweder an


Blätter begünstigt, läßt uns für die Zukunft eine schmeichelhafte Hoffnung
fassen; besonders da wir uns mit allen Kräften bemühen werden, sie seiner
Gewogenheit immer würdiger zu iriachen.

Man hat bisher verschiedentlich Unzufriedenheit mit unsren Blättern bezeugt;
Autoren sowol als Kritiker, ja sogar das Publicum selbst, halben gewünscht,
daß manches anders sein möchte und könnte, dessen wir uns freilich gerne
schuldig geben wollen, wenn uns nicht UnVollkommenheit aller menschlichen
Dinge genugsam entschuldigt. > >

Es ist wahr, es konnten einige Autoren sich über uns beklagen. Die
billigste Kritik ist schon Ungerechtigkeit; jeder machts nach Vermögen und Kräften,
und findet sein Publicum, wie er einen Buchhändler gefunden hat. Wir hoffen,
diese Herren werden damit sich trösten und die Unbilligkeit verschmerzen, über
die sie sich beschweren. Unsre Mitbrüder an der kritischen Innung hatten außer
dem Handwerksneid noch einige andere Ursachen, uns öffentlich anzuschreien
und heimlich zu necken. Wir trieben das Handwerk ein bischen freier als sie,
und mit mehr Eifer. Die Gleichheit ist in allen Ständen der Grund der Ord¬
nung und des Guten, und der Bäcker verdient Strafe, der Brez'ein bäckt, wenn
er nur Brot aufstellen sollte, sie mögen übrigens wohlschmecken wem sie wollen.

Könnten wir nur auch diesen Trost ganz mit in das neue Jahr nehmen,
daß wir dem Publico einigen Dienst erzeigt, wie es unser Wunsch gewesen,
wir würden uns wegen des übrigen eher zufrieden geben. Allein auch von
diesem ist uns mannigfaltiger Tadel und Klage zu Ohren gekommen, am meisten
über den Mangel so nothwendiger Deutlichkeit. Unsre Sprache, wir ge-
stehens gern, ist nicht die ausgebildetste, wir haben uns über den Unfleiß,
unsre Empfindungen und Gedanken auseinanderzuwickeln noch mancher Nach¬
lässigkeit im Stil schuldig gemacht, und das gibt manchen Recensionen ein
so welsches Ansehn, daß es uns von Herzen leid ist, vielen Personen Gelegen¬
heit zum Annuli) gegeben zu haben, die bei dreimaliger Durchlesung dennoch
nicht klug daraus werden können.

Das größte Uebel aber, das daher entsprungen, sind die Mißverständnisse,
denen unsre Gedanken dadurch unterworfen worden. Wir wissen uns rein von
allen bösen Absichten. Doch hätten wir bedacht, daß über dunkle Stellen einer
Schrift tausende nicht denken mögen noch können, für die also derjenige Lehrer
oder Führer ist, der Witz genug hat, dergleichen zu thun, als habe er sie ver¬
standen; wir würden uns soviel wie möglich einer andern Schreibart befleißigt
haben. Doch was lernt man in der Welt anders als durch Erfahrung.

Ebenso aufmerksam waren wir auf den Borwurf, der uns wegen Mangel
wahrer Gelehrsamkeit gemacht worden. Was wir wahre Gelehrsamkeit nennen,
bildeten wir uns niemals ein, zu besitzen, aber da ein geehrtes Publicum
hierin sonst sehr genügsam ist, merken wir nun wol, daß es uns entweder an


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[0178] Blätter begünstigt, läßt uns für die Zukunft eine schmeichelhafte Hoffnung fassen; besonders da wir uns mit allen Kräften bemühen werden, sie seiner Gewogenheit immer würdiger zu iriachen. Man hat bisher verschiedentlich Unzufriedenheit mit unsren Blättern bezeugt; Autoren sowol als Kritiker, ja sogar das Publicum selbst, halben gewünscht, daß manches anders sein möchte und könnte, dessen wir uns freilich gerne schuldig geben wollen, wenn uns nicht UnVollkommenheit aller menschlichen Dinge genugsam entschuldigt. > > Es ist wahr, es konnten einige Autoren sich über uns beklagen. Die billigste Kritik ist schon Ungerechtigkeit; jeder machts nach Vermögen und Kräften, und findet sein Publicum, wie er einen Buchhändler gefunden hat. Wir hoffen, diese Herren werden damit sich trösten und die Unbilligkeit verschmerzen, über die sie sich beschweren. Unsre Mitbrüder an der kritischen Innung hatten außer dem Handwerksneid noch einige andere Ursachen, uns öffentlich anzuschreien und heimlich zu necken. Wir trieben das Handwerk ein bischen freier als sie, und mit mehr Eifer. Die Gleichheit ist in allen Ständen der Grund der Ord¬ nung und des Guten, und der Bäcker verdient Strafe, der Brez'ein bäckt, wenn er nur Brot aufstellen sollte, sie mögen übrigens wohlschmecken wem sie wollen. Könnten wir nur auch diesen Trost ganz mit in das neue Jahr nehmen, daß wir dem Publico einigen Dienst erzeigt, wie es unser Wunsch gewesen, wir würden uns wegen des übrigen eher zufrieden geben. Allein auch von diesem ist uns mannigfaltiger Tadel und Klage zu Ohren gekommen, am meisten über den Mangel so nothwendiger Deutlichkeit. Unsre Sprache, wir ge- stehens gern, ist nicht die ausgebildetste, wir haben uns über den Unfleiß, unsre Empfindungen und Gedanken auseinanderzuwickeln noch mancher Nach¬ lässigkeit im Stil schuldig gemacht, und das gibt manchen Recensionen ein so welsches Ansehn, daß es uns von Herzen leid ist, vielen Personen Gelegen¬ heit zum Annuli) gegeben zu haben, die bei dreimaliger Durchlesung dennoch nicht klug daraus werden können. Das größte Uebel aber, das daher entsprungen, sind die Mißverständnisse, denen unsre Gedanken dadurch unterworfen worden. Wir wissen uns rein von allen bösen Absichten. Doch hätten wir bedacht, daß über dunkle Stellen einer Schrift tausende nicht denken mögen noch können, für die also derjenige Lehrer oder Führer ist, der Witz genug hat, dergleichen zu thun, als habe er sie ver¬ standen; wir würden uns soviel wie möglich einer andern Schreibart befleißigt haben. Doch was lernt man in der Welt anders als durch Erfahrung. Ebenso aufmerksam waren wir auf den Borwurf, der uns wegen Mangel wahrer Gelehrsamkeit gemacht worden. Was wir wahre Gelehrsamkeit nennen, bildeten wir uns niemals ein, zu besitzen, aber da ein geehrtes Publicum hierin sonst sehr genügsam ist, merken wir nun wol, daß es uns entweder an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/178>, abgerufen am 23.07.2024.