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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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trefflicher Fahrwind aus Osten, Man machte den zweiten auf, da hatten sie
Sturm und näherten sich mit der größten Schnelligkeit der Stadt. Nun hätten
sie gern gewußt, was die Folge sein würde, wenn sie den dritten Knoten
lösten. Der Aelteste widerrieth es, die übrigen aber ließen keine Ruhe und
so wurde er geöffnet. Kaum war das aber geschehen, als ein furchtbarer
Orkan aus dem Westen losbrach, so daß sie nur mit der größten Mühe sich
zu retten vermochten.

Bei Amis, einem höchst anmuthig gelegenen Fischerdorfe auf einer Insel
der Schlei, verengert sich der Meerbusen wieder zu einem schmalen Kanäle.
Die Heringszäune und die Nauchhäuser werden sichtbar, die uns die wohl¬
bekannten Pöklinge liefern. Endlich erscheint mit seiner stattlichen Kirche, seinem
lebhaften Schiffsverkehr, seinen Werften und seinen freundlichen rothen und
weißen Häusern ein äußerst malerischer Anblick, Kappeln, am Nordufer der
Schlei.

Man ist aus der Poesie der Vergangenheit in die Prosa der Gegenwart
gelangt. Eine sehr erfreuliche Prosa freilich! Kappeln ist in den letzten Jahren
ungemein gewachsen, obwol die Regierung nichts sür den Flecken gethan hat
und die Regulirung der Schlei noch heute auf ihren Anfang wartet. Kappeln
ist der Punkt, wo der Verkehr von ganz Südangeln sich concentrirt und wo¬
hin selbst die nördlichen Kirchspiele zum Theil hinhandeln. Es ist deshalb
auch der Ausdruck deö Wohlstandes dieser Striche. Von den unendlichen
Butterfässern und Käsehügeln, welche die rothen Kühe Angelus erzeugen, geht
bei weitem der größte Theil hierher, um durch Zwischenhändler dahin befördert
zu werden, wohin der Productenreichthum Schleswig-Holsteins, sofern er nicht
im Lande selbst verbraucht wird, mindestens zu sechzig Procent seinen Weg
nimmt, nach dem Süden, nach Hamburg.

Das Geld, das in Hamburg concentrirt ist, muß, wenn auch nicht als
die stärkste, doch als eine sehr beachtenswerthe Klammer angesehen werden,
womit die Herzogtümer unabtrennbar an den Süden geheftet sind. Hier
allein kann man brauchen, hier allein bezahlen, was die verschiedenen nord-
albingischen Bezirke hervorbringen. Hamburg ist ein Magnet, welcher der dä¬
nischen Negierung nie gestatten wird, die Gesichter ihrer deutschen Unterthanen
nach Norden zu richten. Nie komm! es vor, daß eine Schleswig-holsteinische
Landschaft ihre Produkte nach der ihr nördlich zunächst liegende" Stadt ver¬
kaufte, wenigstens -nicht auf der Ostküste. Der dänische Wohld handelt nach
Kiel, die Halbinsel Schwansee nach Eckernförde oder ebenfalls nach Kiel, daS
Land Angeln bis hart vor die Thore FlensburgS nach Kappeln, ganz Nord¬
schleswig endlich nach Fiensburg. Nach Kopenhagen geht nicht der zehnte
Theil dessen, was nach Hamburg versandt wird, von Kopenhagen wird trotz
der Zollgrenze bei Altona selbst an günstig gelegenen Orten nur wenig von


trefflicher Fahrwind aus Osten, Man machte den zweiten auf, da hatten sie
Sturm und näherten sich mit der größten Schnelligkeit der Stadt. Nun hätten
sie gern gewußt, was die Folge sein würde, wenn sie den dritten Knoten
lösten. Der Aelteste widerrieth es, die übrigen aber ließen keine Ruhe und
so wurde er geöffnet. Kaum war das aber geschehen, als ein furchtbarer
Orkan aus dem Westen losbrach, so daß sie nur mit der größten Mühe sich
zu retten vermochten.

Bei Amis, einem höchst anmuthig gelegenen Fischerdorfe auf einer Insel
der Schlei, verengert sich der Meerbusen wieder zu einem schmalen Kanäle.
Die Heringszäune und die Nauchhäuser werden sichtbar, die uns die wohl¬
bekannten Pöklinge liefern. Endlich erscheint mit seiner stattlichen Kirche, seinem
lebhaften Schiffsverkehr, seinen Werften und seinen freundlichen rothen und
weißen Häusern ein äußerst malerischer Anblick, Kappeln, am Nordufer der
Schlei.

Man ist aus der Poesie der Vergangenheit in die Prosa der Gegenwart
gelangt. Eine sehr erfreuliche Prosa freilich! Kappeln ist in den letzten Jahren
ungemein gewachsen, obwol die Regierung nichts sür den Flecken gethan hat
und die Regulirung der Schlei noch heute auf ihren Anfang wartet. Kappeln
ist der Punkt, wo der Verkehr von ganz Südangeln sich concentrirt und wo¬
hin selbst die nördlichen Kirchspiele zum Theil hinhandeln. Es ist deshalb
auch der Ausdruck deö Wohlstandes dieser Striche. Von den unendlichen
Butterfässern und Käsehügeln, welche die rothen Kühe Angelus erzeugen, geht
bei weitem der größte Theil hierher, um durch Zwischenhändler dahin befördert
zu werden, wohin der Productenreichthum Schleswig-Holsteins, sofern er nicht
im Lande selbst verbraucht wird, mindestens zu sechzig Procent seinen Weg
nimmt, nach dem Süden, nach Hamburg.

Das Geld, das in Hamburg concentrirt ist, muß, wenn auch nicht als
die stärkste, doch als eine sehr beachtenswerthe Klammer angesehen werden,
womit die Herzogtümer unabtrennbar an den Süden geheftet sind. Hier
allein kann man brauchen, hier allein bezahlen, was die verschiedenen nord-
albingischen Bezirke hervorbringen. Hamburg ist ein Magnet, welcher der dä¬
nischen Negierung nie gestatten wird, die Gesichter ihrer deutschen Unterthanen
nach Norden zu richten. Nie komm! es vor, daß eine Schleswig-holsteinische
Landschaft ihre Produkte nach der ihr nördlich zunächst liegende» Stadt ver¬
kaufte, wenigstens -nicht auf der Ostküste. Der dänische Wohld handelt nach
Kiel, die Halbinsel Schwansee nach Eckernförde oder ebenfalls nach Kiel, daS
Land Angeln bis hart vor die Thore FlensburgS nach Kappeln, ganz Nord¬
schleswig endlich nach Fiensburg. Nach Kopenhagen geht nicht der zehnte
Theil dessen, was nach Hamburg versandt wird, von Kopenhagen wird trotz
der Zollgrenze bei Altona selbst an günstig gelegenen Orten nur wenig von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/511>, abgerufen am 22.07.2024.