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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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weg. Als sie aber in einem Boote über die Schlei heimkehren wollten, ver¬
sanken sie mit sammt ihrem Rande.

Ein wunderlicbliches Bildchen ist das weiße Herrenhaus von Louisenlund,
umgeben von seinem dunkeln Parke. Nicht weit davon schwimmt der kleine
Dampfer, der uns tragt, durch einen engen Kanal, der von baumlosen Hügeln
eingefaßt ist, und wo der Name Missunde und die Neste von Schanzen, die
sich hier finden, noch einmal an Willisen und seine Strategie mahnen.
Wieder in eine Breite hinausdampfend, fliegen wir an einer Bucht vorbei, in
welcher nächtlich aufflackernde blaue Flämmchen mitunter noch den Ort anzeigen,
an dem Abel den ermordeten Erich Pflugpfcnnig versenken ließ. Die Stelle
heißt noch heute "zum finstern Stern". Auf einem Hügel in der Nähe, welcher
den Namen Buburghöi hat, sott die Burg deS Erschlagenen gestanden haben,
und hier hat man zu Zeiten eine.goldene Wiege gesehen. Einem Dienstjungen
in Missunde träumte einmal, daß er in Bohnert, dem nächsten Dorfe bei der
Stelle, diene und, Abends nach dem Burgplatze geschickt, um die Pferde abzu¬
holen, die goldene Wiege erblicke. Er war später wirklich bei dem Bauer in
Bohnert, dem der Platz gehörte, in Dienst. Eines Abends ging er mit diesem
aus, um die Pferde zu holen. Der Bauer befahl ihm, unten an der Schlei
entlang zu gehen und die Thiere weiter hinaufzutreiben. Als der Junge an
den Burgplatz kam, sah er zu seiner Verwunderung in der Mitte desselben
die goldne Wiege, so blank und glänzend, daß es ihn blendete. Wäre er
nun stillschweigend darauf zugegangen und hätte sein Messer darauf geworfen,
so wäre sie sein gewesen. Aber er lief zu seinem Herrn zurück und erzählte
ihm, was er gesehen, und als sie nun wieder nach der Stecke zurückkamen, war
die Wiege verschwunden.

Es ist fast kein Ort an der Schlei, an den sich nicht eine Sage oder
eine geschichtliche Erinnerung knüpft. In Wesebyc soll einst ein festes Raub-
schloß gestanden haben. In Stubbe hatten in alter Zeit die Bischöfe von Schles¬
wig ihre Burg, die, da jene geistlichen Herren bald für Dänemark, bald für
die holsteinischen Grafen Partei nahmen, mehrmals belagert, eingenommen
und zerstört wurde, bis sie das kriegerische Gewand ablegte und ein friedliches
Rittergut wurde. In Siseby wohnte vor hundert Jahren eine Frau, die mit
Zauberkünsten den Wind ändern konnte. Die Schleswiger Heringsfischer
pflegten hier anzulegen. Einst wollten sie heimfahren, da erhob sich ein West¬
wind und sie konnten nicht abkommen. Man ging zu dem Weibe und bat
sie, den Wind zu drehen. Sie versprach es für ein Gericht Fische und gab
ihnen, alö sie dies erhalten, ein Tuch mit drei Knoten. Den ersten und
den zweiten sollten sie öffnen, sagte sie, den dritten aber nicht eher, als
bis sie Land hätten. Die Schiffer spannten nun die Segel auf, wiewol noch
Westwind war, als sie aber den ersten Knoten lösten, kam alsbald ein vor-


weg. Als sie aber in einem Boote über die Schlei heimkehren wollten, ver¬
sanken sie mit sammt ihrem Rande.

Ein wunderlicbliches Bildchen ist das weiße Herrenhaus von Louisenlund,
umgeben von seinem dunkeln Parke. Nicht weit davon schwimmt der kleine
Dampfer, der uns tragt, durch einen engen Kanal, der von baumlosen Hügeln
eingefaßt ist, und wo der Name Missunde und die Neste von Schanzen, die
sich hier finden, noch einmal an Willisen und seine Strategie mahnen.
Wieder in eine Breite hinausdampfend, fliegen wir an einer Bucht vorbei, in
welcher nächtlich aufflackernde blaue Flämmchen mitunter noch den Ort anzeigen,
an dem Abel den ermordeten Erich Pflugpfcnnig versenken ließ. Die Stelle
heißt noch heute „zum finstern Stern". Auf einem Hügel in der Nähe, welcher
den Namen Buburghöi hat, sott die Burg deS Erschlagenen gestanden haben,
und hier hat man zu Zeiten eine.goldene Wiege gesehen. Einem Dienstjungen
in Missunde träumte einmal, daß er in Bohnert, dem nächsten Dorfe bei der
Stelle, diene und, Abends nach dem Burgplatze geschickt, um die Pferde abzu¬
holen, die goldene Wiege erblicke. Er war später wirklich bei dem Bauer in
Bohnert, dem der Platz gehörte, in Dienst. Eines Abends ging er mit diesem
aus, um die Pferde zu holen. Der Bauer befahl ihm, unten an der Schlei
entlang zu gehen und die Thiere weiter hinaufzutreiben. Als der Junge an
den Burgplatz kam, sah er zu seiner Verwunderung in der Mitte desselben
die goldne Wiege, so blank und glänzend, daß es ihn blendete. Wäre er
nun stillschweigend darauf zugegangen und hätte sein Messer darauf geworfen,
so wäre sie sein gewesen. Aber er lief zu seinem Herrn zurück und erzählte
ihm, was er gesehen, und als sie nun wieder nach der Stecke zurückkamen, war
die Wiege verschwunden.

Es ist fast kein Ort an der Schlei, an den sich nicht eine Sage oder
eine geschichtliche Erinnerung knüpft. In Wesebyc soll einst ein festes Raub-
schloß gestanden haben. In Stubbe hatten in alter Zeit die Bischöfe von Schles¬
wig ihre Burg, die, da jene geistlichen Herren bald für Dänemark, bald für
die holsteinischen Grafen Partei nahmen, mehrmals belagert, eingenommen
und zerstört wurde, bis sie das kriegerische Gewand ablegte und ein friedliches
Rittergut wurde. In Siseby wohnte vor hundert Jahren eine Frau, die mit
Zauberkünsten den Wind ändern konnte. Die Schleswiger Heringsfischer
pflegten hier anzulegen. Einst wollten sie heimfahren, da erhob sich ein West¬
wind und sie konnten nicht abkommen. Man ging zu dem Weibe und bat
sie, den Wind zu drehen. Sie versprach es für ein Gericht Fische und gab
ihnen, alö sie dies erhalten, ein Tuch mit drei Knoten. Den ersten und
den zweiten sollten sie öffnen, sagte sie, den dritten aber nicht eher, als
bis sie Land hätten. Die Schiffer spannten nun die Segel auf, wiewol noch
Westwind war, als sie aber den ersten Knoten lösten, kam alsbald ein vor-


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[0510] weg. Als sie aber in einem Boote über die Schlei heimkehren wollten, ver¬ sanken sie mit sammt ihrem Rande. Ein wunderlicbliches Bildchen ist das weiße Herrenhaus von Louisenlund, umgeben von seinem dunkeln Parke. Nicht weit davon schwimmt der kleine Dampfer, der uns tragt, durch einen engen Kanal, der von baumlosen Hügeln eingefaßt ist, und wo der Name Missunde und die Neste von Schanzen, die sich hier finden, noch einmal an Willisen und seine Strategie mahnen. Wieder in eine Breite hinausdampfend, fliegen wir an einer Bucht vorbei, in welcher nächtlich aufflackernde blaue Flämmchen mitunter noch den Ort anzeigen, an dem Abel den ermordeten Erich Pflugpfcnnig versenken ließ. Die Stelle heißt noch heute „zum finstern Stern". Auf einem Hügel in der Nähe, welcher den Namen Buburghöi hat, sott die Burg deS Erschlagenen gestanden haben, und hier hat man zu Zeiten eine.goldene Wiege gesehen. Einem Dienstjungen in Missunde träumte einmal, daß er in Bohnert, dem nächsten Dorfe bei der Stelle, diene und, Abends nach dem Burgplatze geschickt, um die Pferde abzu¬ holen, die goldene Wiege erblicke. Er war später wirklich bei dem Bauer in Bohnert, dem der Platz gehörte, in Dienst. Eines Abends ging er mit diesem aus, um die Pferde zu holen. Der Bauer befahl ihm, unten an der Schlei entlang zu gehen und die Thiere weiter hinaufzutreiben. Als der Junge an den Burgplatz kam, sah er zu seiner Verwunderung in der Mitte desselben die goldne Wiege, so blank und glänzend, daß es ihn blendete. Wäre er nun stillschweigend darauf zugegangen und hätte sein Messer darauf geworfen, so wäre sie sein gewesen. Aber er lief zu seinem Herrn zurück und erzählte ihm, was er gesehen, und als sie nun wieder nach der Stecke zurückkamen, war die Wiege verschwunden. Es ist fast kein Ort an der Schlei, an den sich nicht eine Sage oder eine geschichtliche Erinnerung knüpft. In Wesebyc soll einst ein festes Raub- schloß gestanden haben. In Stubbe hatten in alter Zeit die Bischöfe von Schles¬ wig ihre Burg, die, da jene geistlichen Herren bald für Dänemark, bald für die holsteinischen Grafen Partei nahmen, mehrmals belagert, eingenommen und zerstört wurde, bis sie das kriegerische Gewand ablegte und ein friedliches Rittergut wurde. In Siseby wohnte vor hundert Jahren eine Frau, die mit Zauberkünsten den Wind ändern konnte. Die Schleswiger Heringsfischer pflegten hier anzulegen. Einst wollten sie heimfahren, da erhob sich ein West¬ wind und sie konnten nicht abkommen. Man ging zu dem Weibe und bat sie, den Wind zu drehen. Sie versprach es für ein Gericht Fische und gab ihnen, alö sie dies erhalten, ein Tuch mit drei Knoten. Den ersten und den zweiten sollten sie öffnen, sagte sie, den dritten aber nicht eher, als bis sie Land hätten. Die Schiffer spannten nun die Segel auf, wiewol noch Westwind war, als sie aber den ersten Knoten lösten, kam alsbald ein vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/510>, abgerufen am 22.07.2024.