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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Waaren bezogen, Hamburg, mit einem Worte, ist die merkantile Hauptstadt
der Herzogthümer und nicht dieser allein, sondern der gesammten cimbrischen
Halbinsel..

Von Koppeln aus durchstrich ich die Halbinsel Schwansee nach verschie¬
denen Richtungen, bis an die Bucht von Eckernförde, an deren Strande ich
einen Tag sehr angenehm mit einem der feurigsten und thätigsten Patrioten
des Landes verlebte. Ich besuchte Ludwigsburg, sah das hübsche Schloß
des sarborfer Ahlefeld, durchstreifte die Besitzungen des Herzogs von Glücksburg,
welcher durch fortwährenden Ankauf neuer Güter sich in Besitz einer beinahe
ebenso großen Strecke Landes gesetzt hat, als vormals der Herzog von Augusten¬
burg auf Alsen und im Sundewitt sein nannte. Er steht im Rufe eines gütigen,
äußerst leuiseligen Herrn. Bedrückungen, wie sie auf andern Gütern nicht selten
vorkommen, werden von den Gegenden, wo er gebietet, nicht berichtet.

Schwansee war ursprünglich von einem den Angeln verwandten Stamme
bewohnt und hieß Swansö d. h. Schwaneninsel. Noch vor zweihundert
Jahren sprach man hier einen halbdänischen Dialekt. Im Mittelalter wurde
der Wall, den die Dänen zur Abwehr des Deutschthums von der obern Schlei
nach dem Meerbusen von Eckernförde erbaut hatten, durchbrochen und die hol¬
steinischen Edelleute bemächtigten sich des Landes. Jetzt ist das Plattdeutsche
die alleinige Volkssprache in Schwansee und ebenso sind alle Häuser in der
Weise der holsteinischen, d. h. ohne Schornsteine, gebaut und mit Pferdeköpfen
geschmückt. Ist dieser Sieg des deutschen Wesens ein erfreulicher, so sind
einige seiner Folgen weniger heilsam zu nennen. Schwansee hat bei weitem
weniger freie Bauern, als andre Striche Schleswigs. Als die holsteinischen
Nittvr die Halbinsel eroberten, machten sie das dort wohnende Volk zu Leib¬
eignen und als die Leibeigenschaft im vorigen Jahrhunderte aufgehoben wurde,
fügten es die Verhältnisse, daß hier in Schwansee in ähnlichem Maße wie im
östlichen Holstein an ihre Stelle keine volle Befreiung der Gulsunterthanen,
sondern nur das Verhältniß des Zeitpachts trat. In diesem Verhältnisse, wo
der Grund und Boden Eigenthum des Gutsherrn bleibt, ist Raum zu aller¬
lei Bedrückungen, aber sür den Pächter kein Raum zu Verbesserungen. Wo
er weiß, daß der Inspector ihm, wenn er sein Feld drainiren, wenn er es mit
Guano düngen, wenn er seine Stube mir einem farbigen Muster schmücken
wollte, bei der nächsten Pachtbestimmung für jede dieser Verbesserungen einen
Thaler mehr'auferlegen würde, läßt er begreiflicherweise die Drams, den Guano
und das Wandmuster sein und so kommt es, daß man in Schwansee viel sel¬
tener als in Angeln gut gehaltene Bauergüter und elegant ausgestattete
Wohnungen antrifft.

Die Stimmung des Volkes ist dieselbe wie in Südangeln. Mit Aus¬
nahme eines Geistlichen, des Pfarrers Wald in Wabö, der als Seitenstück zu


Waaren bezogen, Hamburg, mit einem Worte, ist die merkantile Hauptstadt
der Herzogthümer und nicht dieser allein, sondern der gesammten cimbrischen
Halbinsel..

Von Koppeln aus durchstrich ich die Halbinsel Schwansee nach verschie¬
denen Richtungen, bis an die Bucht von Eckernförde, an deren Strande ich
einen Tag sehr angenehm mit einem der feurigsten und thätigsten Patrioten
des Landes verlebte. Ich besuchte Ludwigsburg, sah das hübsche Schloß
des sarborfer Ahlefeld, durchstreifte die Besitzungen des Herzogs von Glücksburg,
welcher durch fortwährenden Ankauf neuer Güter sich in Besitz einer beinahe
ebenso großen Strecke Landes gesetzt hat, als vormals der Herzog von Augusten¬
burg auf Alsen und im Sundewitt sein nannte. Er steht im Rufe eines gütigen,
äußerst leuiseligen Herrn. Bedrückungen, wie sie auf andern Gütern nicht selten
vorkommen, werden von den Gegenden, wo er gebietet, nicht berichtet.

Schwansee war ursprünglich von einem den Angeln verwandten Stamme
bewohnt und hieß Swansö d. h. Schwaneninsel. Noch vor zweihundert
Jahren sprach man hier einen halbdänischen Dialekt. Im Mittelalter wurde
der Wall, den die Dänen zur Abwehr des Deutschthums von der obern Schlei
nach dem Meerbusen von Eckernförde erbaut hatten, durchbrochen und die hol¬
steinischen Edelleute bemächtigten sich des Landes. Jetzt ist das Plattdeutsche
die alleinige Volkssprache in Schwansee und ebenso sind alle Häuser in der
Weise der holsteinischen, d. h. ohne Schornsteine, gebaut und mit Pferdeköpfen
geschmückt. Ist dieser Sieg des deutschen Wesens ein erfreulicher, so sind
einige seiner Folgen weniger heilsam zu nennen. Schwansee hat bei weitem
weniger freie Bauern, als andre Striche Schleswigs. Als die holsteinischen
Nittvr die Halbinsel eroberten, machten sie das dort wohnende Volk zu Leib¬
eignen und als die Leibeigenschaft im vorigen Jahrhunderte aufgehoben wurde,
fügten es die Verhältnisse, daß hier in Schwansee in ähnlichem Maße wie im
östlichen Holstein an ihre Stelle keine volle Befreiung der Gulsunterthanen,
sondern nur das Verhältniß des Zeitpachts trat. In diesem Verhältnisse, wo
der Grund und Boden Eigenthum des Gutsherrn bleibt, ist Raum zu aller¬
lei Bedrückungen, aber sür den Pächter kein Raum zu Verbesserungen. Wo
er weiß, daß der Inspector ihm, wenn er sein Feld drainiren, wenn er es mit
Guano düngen, wenn er seine Stube mir einem farbigen Muster schmücken
wollte, bei der nächsten Pachtbestimmung für jede dieser Verbesserungen einen
Thaler mehr'auferlegen würde, läßt er begreiflicherweise die Drams, den Guano
und das Wandmuster sein und so kommt es, daß man in Schwansee viel sel¬
tener als in Angeln gut gehaltene Bauergüter und elegant ausgestattete
Wohnungen antrifft.

Die Stimmung des Volkes ist dieselbe wie in Südangeln. Mit Aus¬
nahme eines Geistlichen, des Pfarrers Wald in Wabö, der als Seitenstück zu


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[0512] Waaren bezogen, Hamburg, mit einem Worte, ist die merkantile Hauptstadt der Herzogthümer und nicht dieser allein, sondern der gesammten cimbrischen Halbinsel.. Von Koppeln aus durchstrich ich die Halbinsel Schwansee nach verschie¬ denen Richtungen, bis an die Bucht von Eckernförde, an deren Strande ich einen Tag sehr angenehm mit einem der feurigsten und thätigsten Patrioten des Landes verlebte. Ich besuchte Ludwigsburg, sah das hübsche Schloß des sarborfer Ahlefeld, durchstreifte die Besitzungen des Herzogs von Glücksburg, welcher durch fortwährenden Ankauf neuer Güter sich in Besitz einer beinahe ebenso großen Strecke Landes gesetzt hat, als vormals der Herzog von Augusten¬ burg auf Alsen und im Sundewitt sein nannte. Er steht im Rufe eines gütigen, äußerst leuiseligen Herrn. Bedrückungen, wie sie auf andern Gütern nicht selten vorkommen, werden von den Gegenden, wo er gebietet, nicht berichtet. Schwansee war ursprünglich von einem den Angeln verwandten Stamme bewohnt und hieß Swansö d. h. Schwaneninsel. Noch vor zweihundert Jahren sprach man hier einen halbdänischen Dialekt. Im Mittelalter wurde der Wall, den die Dänen zur Abwehr des Deutschthums von der obern Schlei nach dem Meerbusen von Eckernförde erbaut hatten, durchbrochen und die hol¬ steinischen Edelleute bemächtigten sich des Landes. Jetzt ist das Plattdeutsche die alleinige Volkssprache in Schwansee und ebenso sind alle Häuser in der Weise der holsteinischen, d. h. ohne Schornsteine, gebaut und mit Pferdeköpfen geschmückt. Ist dieser Sieg des deutschen Wesens ein erfreulicher, so sind einige seiner Folgen weniger heilsam zu nennen. Schwansee hat bei weitem weniger freie Bauern, als andre Striche Schleswigs. Als die holsteinischen Nittvr die Halbinsel eroberten, machten sie das dort wohnende Volk zu Leib¬ eignen und als die Leibeigenschaft im vorigen Jahrhunderte aufgehoben wurde, fügten es die Verhältnisse, daß hier in Schwansee in ähnlichem Maße wie im östlichen Holstein an ihre Stelle keine volle Befreiung der Gulsunterthanen, sondern nur das Verhältniß des Zeitpachts trat. In diesem Verhältnisse, wo der Grund und Boden Eigenthum des Gutsherrn bleibt, ist Raum zu aller¬ lei Bedrückungen, aber sür den Pächter kein Raum zu Verbesserungen. Wo er weiß, daß der Inspector ihm, wenn er sein Feld drainiren, wenn er es mit Guano düngen, wenn er seine Stube mir einem farbigen Muster schmücken wollte, bei der nächsten Pachtbestimmung für jede dieser Verbesserungen einen Thaler mehr'auferlegen würde, läßt er begreiflicherweise die Drams, den Guano und das Wandmuster sein und so kommt es, daß man in Schwansee viel sel¬ tener als in Angeln gut gehaltene Bauergüter und elegant ausgestattete Wohnungen antrifft. Die Stimmung des Volkes ist dieselbe wie in Südangeln. Mit Aus¬ nahme eines Geistlichen, des Pfarrers Wald in Wabö, der als Seitenstück zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/512>, abgerufen am 22.07.2024.