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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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hatte, setzten wir uns bei einem kleinen Gehölze in Nordosten deS idstedter
Sees, wo Horsts Brigade die meisten Gefangnen verloren halte, wieder in den
Wagen, um auf einer von Hecken eingefaßten Straße zwischen Wiesen nach
Stoll zu fahren. Unser Kutscher wurde hier lebendig. Er hatte bis dahin
auf unsre Fragen hochdeutsch geaiuwortet. Jetzt sprach er plattdeutsch. Da
auf der Wiese zur Linken des Wegs fraß ein weidender Schimmel das Gras,
welches das Blut Schleppegrells gedüngt hatte. Hier war die Stelle, wo
eine Salve der Schleswig-holsteinischen Infanterie ansprengende dänische Dra¬
goner so furchtbar empfing, daß der ganze Raum zwischen den Knicks mit
todten und verwundeten Menschen und Pferden angefüllt wurde. . Dort im
Dorfe, in dem eine Anzahl neuer Häuser mit den Jahreszahlen -I8S0 und
zeigte, daß es bei dieser Gelegenheit zum Theil niedergebrannt war, wies
unser Cicerone uns eine Stelle, wo er einer andern feindlichen Schwadron ein ähn¬
liches Schicksal wie jener bereiten geholfen, und dort, westlich vom Dorfe, hatte
man Hauptmann Baggesens vier Kanonen erbeutet. Wir fuhren alsdann auf
das Nordufer des idstedter Sees zu, bogen, da der Wagen hier des schlechten
Weges halber nicht fortkam, nach Westen hinab in die Haide hinein, und
begaben uns, da der Weg auch hier fast' unfahrbar war, zu Fuße nach Jd-
stedt, von wo aus wir am Nachmittage das Hünengrab, wo Willisen eine
Zeitlang den Kampf beobachtend gestanden und den Krug an der Chaussee,
wo die Avantgarde gefochten, besuchten. Während der östliche Theil des
Schlachtfelds die landesüblichen Knicks zeigt und großentheils aus Weiden und
Getreidefeldern besteht, ist die westliche Hälfte eine völlig flache, zum Theil
sandige, zum Theil sumpfige Haide, deren braunrother düsterer Farbenton recht
wohl zu einer Wahlstatt stimmt, und die in dieser Färbung vornehmlich bei
Sonnenuntergang eine Stimmung hervorrufen kann, in der phantastische Ge¬
müther Gespenster sehen.

Es ist Ihnen bekannt, daß auf den cimbrischen Haiden sich ähnliche Luft¬
erscheinungen zeigen, wie in der Steppe Südrußlands und in den Wüsten
Afrikas. Die eine Art dieser Phänomene ist die von mir schon mehrmals
beobachtete, die mit der, welche die Franzosen Niraxe clef clvserts nennen, viele
Aehnlichkeit hat. Man steht plötzlich am Horizonte eine weite, in der Weise
erhitzter Luft zitternde, touchirte Landschaft sich ausbreiten. Entfernte Gegen¬
stände nähern sich, Schattenpartien entstehen, und ein Meer mit allerlei kleinen
Inseln wallt und wogt in wundersamen Wellenschlage vor den Augen deS
Beobachters, der zu träumen glaubt. Eine andere Art dieser Luftbiloer ent¬
steht dadurch, daß sich Gegenstände, welche tiefer als die Haiden liegen uno
von diesen aus nicht zu bemerken sind, unerwartet über dem Gesichtskreise er¬
heben und ganz in der Nähe zu sein scheinen. Dies soll starken Wind be¬
deuten. Endlich soll auch die eigentliche Fata Morgana mitunter ihr an-


hatte, setzten wir uns bei einem kleinen Gehölze in Nordosten deS idstedter
Sees, wo Horsts Brigade die meisten Gefangnen verloren halte, wieder in den
Wagen, um auf einer von Hecken eingefaßten Straße zwischen Wiesen nach
Stoll zu fahren. Unser Kutscher wurde hier lebendig. Er hatte bis dahin
auf unsre Fragen hochdeutsch geaiuwortet. Jetzt sprach er plattdeutsch. Da
auf der Wiese zur Linken des Wegs fraß ein weidender Schimmel das Gras,
welches das Blut Schleppegrells gedüngt hatte. Hier war die Stelle, wo
eine Salve der Schleswig-holsteinischen Infanterie ansprengende dänische Dra¬
goner so furchtbar empfing, daß der ganze Raum zwischen den Knicks mit
todten und verwundeten Menschen und Pferden angefüllt wurde. . Dort im
Dorfe, in dem eine Anzahl neuer Häuser mit den Jahreszahlen -I8S0 und
zeigte, daß es bei dieser Gelegenheit zum Theil niedergebrannt war, wies
unser Cicerone uns eine Stelle, wo er einer andern feindlichen Schwadron ein ähn¬
liches Schicksal wie jener bereiten geholfen, und dort, westlich vom Dorfe, hatte
man Hauptmann Baggesens vier Kanonen erbeutet. Wir fuhren alsdann auf
das Nordufer des idstedter Sees zu, bogen, da der Wagen hier des schlechten
Weges halber nicht fortkam, nach Westen hinab in die Haide hinein, und
begaben uns, da der Weg auch hier fast' unfahrbar war, zu Fuße nach Jd-
stedt, von wo aus wir am Nachmittage das Hünengrab, wo Willisen eine
Zeitlang den Kampf beobachtend gestanden und den Krug an der Chaussee,
wo die Avantgarde gefochten, besuchten. Während der östliche Theil des
Schlachtfelds die landesüblichen Knicks zeigt und großentheils aus Weiden und
Getreidefeldern besteht, ist die westliche Hälfte eine völlig flache, zum Theil
sandige, zum Theil sumpfige Haide, deren braunrother düsterer Farbenton recht
wohl zu einer Wahlstatt stimmt, und die in dieser Färbung vornehmlich bei
Sonnenuntergang eine Stimmung hervorrufen kann, in der phantastische Ge¬
müther Gespenster sehen.

Es ist Ihnen bekannt, daß auf den cimbrischen Haiden sich ähnliche Luft¬
erscheinungen zeigen, wie in der Steppe Südrußlands und in den Wüsten
Afrikas. Die eine Art dieser Phänomene ist die von mir schon mehrmals
beobachtete, die mit der, welche die Franzosen Niraxe clef clvserts nennen, viele
Aehnlichkeit hat. Man steht plötzlich am Horizonte eine weite, in der Weise
erhitzter Luft zitternde, touchirte Landschaft sich ausbreiten. Entfernte Gegen¬
stände nähern sich, Schattenpartien entstehen, und ein Meer mit allerlei kleinen
Inseln wallt und wogt in wundersamen Wellenschlage vor den Augen deS
Beobachters, der zu träumen glaubt. Eine andere Art dieser Luftbiloer ent¬
steht dadurch, daß sich Gegenstände, welche tiefer als die Haiden liegen uno
von diesen aus nicht zu bemerken sind, unerwartet über dem Gesichtskreise er¬
heben und ganz in der Nähe zu sein scheinen. Dies soll starken Wind be¬
deuten. Endlich soll auch die eigentliche Fata Morgana mitunter ihr an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/503>, abgerufen am 23.07.2024.