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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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noch auf dem Platze. Willisen, der jetzt seinen Irrthum in Betreff des linken
Flügels erkannt, befahl denselben, sich um jeden Preis zu halten. Die braven
Artilleristen thaten, was sie konnten, und schlugen die anstürmende Garde drei¬
mal zurück. Sie stürmte zum vierten Male, und jetzt gingen den vier Kanonen
die Kartätschen aus, worauf sie von den Dänen genommen wurden. Die
ganze Schleswig-holsteinische Armee zog sich jetzt -- es war gegen ein Uhr --
langsam und ohne verfolgt zu werden, zurück. Sie hatte die Schlacht, aber
nicht ihre Ehre verloren. Obwol um volle zehntausend Mann schwächer als
die Dänen, war sie auf dem rechten Flügel siegreich gewesen und selbst im
Centrum nur infolge einer Uebereilung ihres Feldherrn zurückgedrängt worden.
Die Schlacht war überdies eine äußerst blutige, beide Armeen hatten den
zehnten Mann eingebüßt, die Dänen ungefähr Z800, das Heer Willisens etwa
2800 Mann. Die Schlacht ging nicht durch die Schuld der Soldaten ver¬
loren. Ihr Verlust und der mit ihr verbundene Verlust Schleswigs war die
Folge, des Ilmstandes, daß dieses mit Ausnahme zweier jungen Bataillone
durchaus tüchtige Heer von einem Manne commandirt wurde, der zunächst ein
militärischer Doctrinär war, der sodann seine Entschlüsse und Maßnahmen von
diplomatischen Rücksichten bestimmen ließ, und der endlich am Tage der Ent¬
scheidung mit einem zu schwachen Centrum und zu weit ausgedehnten Flügeln
den Kampf aufnahm ohne den moralischen Muth zu besitzen, es auss Aeußerste
ankommen zu lassen. Seine spätern Maßregeln, namentlich sein Rückzug
über die starke Stellung bei Schleswig hinaus und seine Gleichgiltigkeit, als
die Dänen das Dannewerk u°ut Friedrichstadt uneinnehmbar machten, waren
so auffallend, daß man es erklärlich findet, wenn das niedere Volk sie mit
dem Worte Verrath bezeichnet, und wenn richtiger Urtheilende wenigstens ent¬
schiedene Fehlgriffe darin sehen zu müssen glauben. Wir unsrerseits meinen
dem persönlich so ehrenwerthen Manne nicht Unrecht zu thun, wenn wir es
als eine Mischung von Unlust und Ungeschick bezeichnen, Unlust zu einer Sache,
die auch im Falle pes Sieges verloren schien, und Ungeschick, ein Heer anders
als aus dem Papiere zu führen.

Wir betraten das Schlachtfeld, nachdem wir durch den östlichen Theil des
Westergeheges gefahren, an der Stelle, wo die eigentliche Mitte des Centrums
der Schleswig-Holsteiner gewesen war. Ein kleiner Hohlweg, neben dem sich
rechts eine grasbewachsene Hügelwelle hinzieht, auf der während der Schlacht
mehre Geschütze standen, brachte uns an das User des Jdstedter Sees, den
man bei uns einen Teich nennen würde. Auf einem Wege zwischen dem
Wasser und jener Hügelkette gelangten wir sodann nach einer Brücke, wo
nach der Schlacht viele Todte gelegen hatten. Weiterhin traten wir in das
gryder Holz, wo es ebenfalls sehr hart hergegangen war. Nachdem wir noch
zu Fuße die Stelle am Langsee besucht, wo v. d. Horst denselben überschritten


noch auf dem Platze. Willisen, der jetzt seinen Irrthum in Betreff des linken
Flügels erkannt, befahl denselben, sich um jeden Preis zu halten. Die braven
Artilleristen thaten, was sie konnten, und schlugen die anstürmende Garde drei¬
mal zurück. Sie stürmte zum vierten Male, und jetzt gingen den vier Kanonen
die Kartätschen aus, worauf sie von den Dänen genommen wurden. Die
ganze Schleswig-holsteinische Armee zog sich jetzt — es war gegen ein Uhr —
langsam und ohne verfolgt zu werden, zurück. Sie hatte die Schlacht, aber
nicht ihre Ehre verloren. Obwol um volle zehntausend Mann schwächer als
die Dänen, war sie auf dem rechten Flügel siegreich gewesen und selbst im
Centrum nur infolge einer Uebereilung ihres Feldherrn zurückgedrängt worden.
Die Schlacht war überdies eine äußerst blutige, beide Armeen hatten den
zehnten Mann eingebüßt, die Dänen ungefähr Z800, das Heer Willisens etwa
2800 Mann. Die Schlacht ging nicht durch die Schuld der Soldaten ver¬
loren. Ihr Verlust und der mit ihr verbundene Verlust Schleswigs war die
Folge, des Ilmstandes, daß dieses mit Ausnahme zweier jungen Bataillone
durchaus tüchtige Heer von einem Manne commandirt wurde, der zunächst ein
militärischer Doctrinär war, der sodann seine Entschlüsse und Maßnahmen von
diplomatischen Rücksichten bestimmen ließ, und der endlich am Tage der Ent¬
scheidung mit einem zu schwachen Centrum und zu weit ausgedehnten Flügeln
den Kampf aufnahm ohne den moralischen Muth zu besitzen, es auss Aeußerste
ankommen zu lassen. Seine spätern Maßregeln, namentlich sein Rückzug
über die starke Stellung bei Schleswig hinaus und seine Gleichgiltigkeit, als
die Dänen das Dannewerk u°ut Friedrichstadt uneinnehmbar machten, waren
so auffallend, daß man es erklärlich findet, wenn das niedere Volk sie mit
dem Worte Verrath bezeichnet, und wenn richtiger Urtheilende wenigstens ent¬
schiedene Fehlgriffe darin sehen zu müssen glauben. Wir unsrerseits meinen
dem persönlich so ehrenwerthen Manne nicht Unrecht zu thun, wenn wir es
als eine Mischung von Unlust und Ungeschick bezeichnen, Unlust zu einer Sache,
die auch im Falle pes Sieges verloren schien, und Ungeschick, ein Heer anders
als aus dem Papiere zu führen.

Wir betraten das Schlachtfeld, nachdem wir durch den östlichen Theil des
Westergeheges gefahren, an der Stelle, wo die eigentliche Mitte des Centrums
der Schleswig-Holsteiner gewesen war. Ein kleiner Hohlweg, neben dem sich
rechts eine grasbewachsene Hügelwelle hinzieht, auf der während der Schlacht
mehre Geschütze standen, brachte uns an das User des Jdstedter Sees, den
man bei uns einen Teich nennen würde. Auf einem Wege zwischen dem
Wasser und jener Hügelkette gelangten wir sodann nach einer Brücke, wo
nach der Schlacht viele Todte gelegen hatten. Weiterhin traten wir in das
gryder Holz, wo es ebenfalls sehr hart hergegangen war. Nachdem wir noch
zu Fuße die Stelle am Langsee besucht, wo v. d. Horst denselben überschritten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/502>, abgerufen am 23.07.2024.