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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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drei. Stunden später dieses Dorf mit Uebermacht genommen. Der Versuch,
eS wieder zu erobern, wurde abgeschlagen, und der erste Theil der Schlacht, die
Offensivbewegung der Schleswig-Holsteiner, war zu Ende.

Das war gegen acht Uhr. Noch immer war Hoffnung vorhanden, das
Schlachtfeld zu behaupten. Horst war in seiner alten Stellung hinter dem
Langsee unangreifbar, die Brigade Abercrou war noch vollkommen frisch, ja
kaum recht im Feuer gewesen. Der Feind hatte auf dem linken Flügel mehr
verloren, als er auf dem rechten gewonnen hatte. Er entwickelte jetzt neue
Massen, um die Hauptposition der Schleswig-Holsteiner zu nehmen. Willisen
sah daS, aber statt sich von Abercron Verstärkung auszukitten, unternahm er
es, mit zwei Fünfteln seiner Armee die ganze gegen ihn anrückende Haupt¬
macht der Dänen aufzuhalten. Im Centrum entspann sich ein furchtbarer
Artilleriekampf, der mehre Stunden ohne Erfolg blieb, obwol die Angreifer die
Uebermacht für sich hatten. Da gab eines jener verhängnißvollen Mißver¬
ständnisse, die so häufig in der Geschichte eine Rolle spielen, den Ausschlag.

Die Dänen hatten auf dem linken Flügel einen ziemlich bedeutenden Vor¬
theil erlangt. Sie hatten nach hartnäckigem Kampfe der Avantgarde und der
vierten Brigade das westlich von Jdstedt gelegene Vuchholz" abgenommen, es
wieder verloren, es abermals aufgeben müssen und es schließlich nochmals er¬
stürmt und behalten, worauf die Schleswig-Holsteiuer sich auf Schubye zurück¬
gezogen hatten. Als man im Centrum das Gewehrfeuer erst in der linken
Flanke, dann fast im Rücken hörte, glaubte man, es sei eine Umgehung im
Werke. Man meldete Willisen, schon stünden zwei Bataillone des Feindes in
Schubye. Er glaubte es anfänglich nicht. Mehre Offiziere wurden hinge¬
sandt, endlich ein höherer Offizier aus dem Generalstabe. Alle brachten die¬
selbe falsche Nachricht zurück, und jetzt ergriff auch den Oberbefehlshaber die
Furcht, überflügelt zu werden. Er ging in Person mit zwei Bataillonen nach
der bedrohten, aber nicht ernstlich bedrohten Gegend ab und hinterließ zugleich
den unseligen Befehl, daß die Artillerie des Centrums, die sich bisher gegen
daS Gros der dänischen Artillerie und Infanterie mit entschiedenem Glücke be¬
hauptet hatte, langsam abfahren sollte. Damit war die Schlacht verloren,
und zwar in einem Moment verloren, wo auch die Dänen am Gelingen ihres
Angriffs verzweifelnd sich zum Rückzüge anschickten. Ihre Bagage fuhr bereits
nach Flensburg ab, der linke Flügel machte bei Silberstedt eine rückgängige
Bewegung, ihre Reserven waren verbraucht, ohne einen Erfolg zu erringen,
nur die Garde war noch übrig, und diese unternahm jetzt einen letzten Angriff
aus das Centrum der Schleswig-Holsteiner lediglich, um den anbefohlenen Ruck^
zug der Armee zu maskiren.

Als die dänische Garde vorrückte, waren die Geschütze der Schleöwig-
Holsteiner bereits auf dem Wege nach Schleswig. Nur vier Kanonen standen


drei. Stunden später dieses Dorf mit Uebermacht genommen. Der Versuch,
eS wieder zu erobern, wurde abgeschlagen, und der erste Theil der Schlacht, die
Offensivbewegung der Schleswig-Holsteiner, war zu Ende.

Das war gegen acht Uhr. Noch immer war Hoffnung vorhanden, das
Schlachtfeld zu behaupten. Horst war in seiner alten Stellung hinter dem
Langsee unangreifbar, die Brigade Abercrou war noch vollkommen frisch, ja
kaum recht im Feuer gewesen. Der Feind hatte auf dem linken Flügel mehr
verloren, als er auf dem rechten gewonnen hatte. Er entwickelte jetzt neue
Massen, um die Hauptposition der Schleswig-Holsteiner zu nehmen. Willisen
sah daS, aber statt sich von Abercron Verstärkung auszukitten, unternahm er
es, mit zwei Fünfteln seiner Armee die ganze gegen ihn anrückende Haupt¬
macht der Dänen aufzuhalten. Im Centrum entspann sich ein furchtbarer
Artilleriekampf, der mehre Stunden ohne Erfolg blieb, obwol die Angreifer die
Uebermacht für sich hatten. Da gab eines jener verhängnißvollen Mißver¬
ständnisse, die so häufig in der Geschichte eine Rolle spielen, den Ausschlag.

Die Dänen hatten auf dem linken Flügel einen ziemlich bedeutenden Vor¬
theil erlangt. Sie hatten nach hartnäckigem Kampfe der Avantgarde und der
vierten Brigade das westlich von Jdstedt gelegene Vuchholz" abgenommen, es
wieder verloren, es abermals aufgeben müssen und es schließlich nochmals er¬
stürmt und behalten, worauf die Schleswig-Holsteiuer sich auf Schubye zurück¬
gezogen hatten. Als man im Centrum das Gewehrfeuer erst in der linken
Flanke, dann fast im Rücken hörte, glaubte man, es sei eine Umgehung im
Werke. Man meldete Willisen, schon stünden zwei Bataillone des Feindes in
Schubye. Er glaubte es anfänglich nicht. Mehre Offiziere wurden hinge¬
sandt, endlich ein höherer Offizier aus dem Generalstabe. Alle brachten die¬
selbe falsche Nachricht zurück, und jetzt ergriff auch den Oberbefehlshaber die
Furcht, überflügelt zu werden. Er ging in Person mit zwei Bataillonen nach
der bedrohten, aber nicht ernstlich bedrohten Gegend ab und hinterließ zugleich
den unseligen Befehl, daß die Artillerie des Centrums, die sich bisher gegen
daS Gros der dänischen Artillerie und Infanterie mit entschiedenem Glücke be¬
hauptet hatte, langsam abfahren sollte. Damit war die Schlacht verloren,
und zwar in einem Moment verloren, wo auch die Dänen am Gelingen ihres
Angriffs verzweifelnd sich zum Rückzüge anschickten. Ihre Bagage fuhr bereits
nach Flensburg ab, der linke Flügel machte bei Silberstedt eine rückgängige
Bewegung, ihre Reserven waren verbraucht, ohne einen Erfolg zu erringen,
nur die Garde war noch übrig, und diese unternahm jetzt einen letzten Angriff
aus das Centrum der Schleswig-Holsteiner lediglich, um den anbefohlenen Ruck^
zug der Armee zu maskiren.

Als die dänische Garde vorrückte, waren die Geschütze der Schleöwig-
Holsteiner bereits auf dem Wege nach Schleswig. Nur vier Kanonen standen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/501>, abgerufen am 23.07.2024.