Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

In den liturgischen Abhandlungen liest man S. 266 ven Satz: Wer ein
Altes gegen ein ausgekommenes Neue geltend machen will, muß eben immer
dem Alten eine neue Wendung geben." Die Wendung, welche Kliefath seinem
Alten zu geben gedenkt, besteht in nichts Anderem, als in der Ausprägung
des "Kirchenregiments." Darauf zielen die Worte: "Irren wir nicht, so ist
die seit diversen Jahren schwebende sogenannte Amts frage der Stein, an
welchem die lutherische Kirche Deutschlands entweder auferstehen oder in Schlaf
fallen wird; und in dieser Amtsfrage handelt es sich nicht sowol um Begriffne,
des Predigtamts, sondern eben um Kirchenregiment, Kirchenordnung und Orga¬
nismus der Kirche. Kommen wir da zur Klarheit, so leben wir; sonst sterben
wir."

Welchen Begriff er mit der "Maschinerie der Kirchenordnung" (S. 386)
verbindet, wird sich mit Wenigem zeigen lassen. Zunächst ist "die Kirchen¬
regierungsgewalt eine wirkliche Regierungsgewalt; und die Ausübung der
Kirchenregierungsgewalt, das Kirchenregiment, kommt nicht von selbst dem
Staat und seiner Obrigkeit zu, sondern fällt in die Kirche, selbst." (S. 29.)
Die "christliche Obrigkeit" hat an sich noch "nichts mit der Kirchenregierung
zu schassen;" ist diese ihr übertragen, so hat sie damit "ein Nebenamt", das
auch stets besonders und nicht vom Mittelpunkt der Staatsregierung aus ver¬
waltet werden darf. Seiner Aufgabe nach ist "das Kirchenregiment die ge¬
staltende, alles scheidende und wieder verknüpfende, alles in Wechselwirkung
bringende, in Thätigkeit Setzende, Richtung gebende Macht." (S. 498.) Oder
noch anschaulicher: "Das Kirchenregiment hat das Amt, aus dem Worte und
Geiste Gottes Kirchendienst und Kirchendiener und kirchliche Anstalten zu ge¬
bären." (S. 442.) Wohl bekomms ihm! Daß es übrigens mit dem Gnaden¬
mittel- oder Pastorenamt nicht zusammenfalle, doch mit diesem in steter Ver¬
bindung sei, darüber folgt eine lange Auseinandersetzung, die genau so viel sagt
als das Sprichwort: Eine Hand wäscht die andere. - In Summa: alle drei,
Staatsregiment, Kirchenregiment und Pastorenregiment sind von Gott, und ein
Großherzog, ein Oberkirchenrath und ein Pastor sind ganz göttliche Amts¬
personen. Der Hierarchie beginnen die Flügel zu wachsen. Dabei "ebnet der
Staat der Kirche den Boden äußerlicher Zucht, auf welchem die Kirche dem
Staate Gutes pflanzt, das er mit dem Schwert schützen und durch das Gesetz
gestalten mag." Und "sowol der Kirche als dem Staat wird ein Regiment
zukommen, und beide Regiment? werden so wenig zusammenfallen, als absolut
getrennt werden oder beziehungslos nebeneinander hergehen dürfen, sondern
werden je nach der den beiden Instituten von Gott gegebenen Aufgabe zu¬
sammenarbeiten müssen." (S. 432--33.) Wiederum wie im glücklichen Meck¬
lenburg, so daß die Abendmahlsbesucher mit Namen angeschrieben, den Nicht-
besuchern die Gevatterschaften, beim Absterben die ehrlichen Begräbnisse ver-


In den liturgischen Abhandlungen liest man S. 266 ven Satz: Wer ein
Altes gegen ein ausgekommenes Neue geltend machen will, muß eben immer
dem Alten eine neue Wendung geben." Die Wendung, welche Kliefath seinem
Alten zu geben gedenkt, besteht in nichts Anderem, als in der Ausprägung
des „Kirchenregiments." Darauf zielen die Worte: „Irren wir nicht, so ist
die seit diversen Jahren schwebende sogenannte Amts frage der Stein, an
welchem die lutherische Kirche Deutschlands entweder auferstehen oder in Schlaf
fallen wird; und in dieser Amtsfrage handelt es sich nicht sowol um Begriffne,
des Predigtamts, sondern eben um Kirchenregiment, Kirchenordnung und Orga¬
nismus der Kirche. Kommen wir da zur Klarheit, so leben wir; sonst sterben
wir."

Welchen Begriff er mit der „Maschinerie der Kirchenordnung" (S. 386)
verbindet, wird sich mit Wenigem zeigen lassen. Zunächst ist „die Kirchen¬
regierungsgewalt eine wirkliche Regierungsgewalt; und die Ausübung der
Kirchenregierungsgewalt, das Kirchenregiment, kommt nicht von selbst dem
Staat und seiner Obrigkeit zu, sondern fällt in die Kirche, selbst." (S. 29.)
Die „christliche Obrigkeit" hat an sich noch „nichts mit der Kirchenregierung
zu schassen;" ist diese ihr übertragen, so hat sie damit „ein Nebenamt", das
auch stets besonders und nicht vom Mittelpunkt der Staatsregierung aus ver¬
waltet werden darf. Seiner Aufgabe nach ist „das Kirchenregiment die ge¬
staltende, alles scheidende und wieder verknüpfende, alles in Wechselwirkung
bringende, in Thätigkeit Setzende, Richtung gebende Macht." (S. 498.) Oder
noch anschaulicher: „Das Kirchenregiment hat das Amt, aus dem Worte und
Geiste Gottes Kirchendienst und Kirchendiener und kirchliche Anstalten zu ge¬
bären." (S. 442.) Wohl bekomms ihm! Daß es übrigens mit dem Gnaden¬
mittel- oder Pastorenamt nicht zusammenfalle, doch mit diesem in steter Ver¬
bindung sei, darüber folgt eine lange Auseinandersetzung, die genau so viel sagt
als das Sprichwort: Eine Hand wäscht die andere. - In Summa: alle drei,
Staatsregiment, Kirchenregiment und Pastorenregiment sind von Gott, und ein
Großherzog, ein Oberkirchenrath und ein Pastor sind ganz göttliche Amts¬
personen. Der Hierarchie beginnen die Flügel zu wachsen. Dabei „ebnet der
Staat der Kirche den Boden äußerlicher Zucht, auf welchem die Kirche dem
Staate Gutes pflanzt, das er mit dem Schwert schützen und durch das Gesetz
gestalten mag." Und „sowol der Kirche als dem Staat wird ein Regiment
zukommen, und beide Regiment? werden so wenig zusammenfallen, als absolut
getrennt werden oder beziehungslos nebeneinander hergehen dürfen, sondern
werden je nach der den beiden Instituten von Gott gegebenen Aufgabe zu¬
sammenarbeiten müssen." (S. 432—33.) Wiederum wie im glücklichen Meck¬
lenburg, so daß die Abendmahlsbesucher mit Namen angeschrieben, den Nicht-
besuchern die Gevatterschaften, beim Absterben die ehrlichen Begräbnisse ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100880"/>
          <p xml:id="ID_1268"> In den liturgischen Abhandlungen liest man S. 266 ven Satz: Wer ein<lb/>
Altes gegen ein ausgekommenes Neue geltend machen will, muß eben immer<lb/>
dem Alten eine neue Wendung geben." Die Wendung, welche Kliefath seinem<lb/>
Alten zu geben gedenkt, besteht in nichts Anderem, als in der Ausprägung<lb/>
des &#x201E;Kirchenregiments." Darauf zielen die Worte: &#x201E;Irren wir nicht, so ist<lb/>
die seit diversen Jahren schwebende sogenannte Amts frage der Stein, an<lb/>
welchem die lutherische Kirche Deutschlands entweder auferstehen oder in Schlaf<lb/>
fallen wird; und in dieser Amtsfrage handelt es sich nicht sowol um Begriffne,<lb/>
des Predigtamts, sondern eben um Kirchenregiment, Kirchenordnung und Orga¬<lb/>
nismus der Kirche. Kommen wir da zur Klarheit, so leben wir; sonst sterben<lb/>
wir."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1269" next="#ID_1270"> Welchen Begriff er mit der &#x201E;Maschinerie der Kirchenordnung" (S. 386)<lb/>
verbindet, wird sich mit Wenigem zeigen lassen. Zunächst ist &#x201E;die Kirchen¬<lb/>
regierungsgewalt eine wirkliche Regierungsgewalt; und die Ausübung der<lb/>
Kirchenregierungsgewalt, das Kirchenregiment, kommt nicht von selbst dem<lb/>
Staat und seiner Obrigkeit zu, sondern fällt in die Kirche, selbst." (S. 29.)<lb/>
Die &#x201E;christliche Obrigkeit" hat an sich noch &#x201E;nichts mit der Kirchenregierung<lb/>
zu schassen;" ist diese ihr übertragen, so hat sie damit &#x201E;ein Nebenamt", das<lb/>
auch stets besonders und nicht vom Mittelpunkt der Staatsregierung aus ver¬<lb/>
waltet werden darf. Seiner Aufgabe nach ist &#x201E;das Kirchenregiment die ge¬<lb/>
staltende, alles scheidende und wieder verknüpfende, alles in Wechselwirkung<lb/>
bringende, in Thätigkeit Setzende, Richtung gebende Macht." (S. 498.) Oder<lb/>
noch anschaulicher: &#x201E;Das Kirchenregiment hat das Amt, aus dem Worte und<lb/>
Geiste Gottes Kirchendienst und Kirchendiener und kirchliche Anstalten zu ge¬<lb/>
bären." (S. 442.) Wohl bekomms ihm! Daß es übrigens mit dem Gnaden¬<lb/>
mittel- oder Pastorenamt nicht zusammenfalle, doch mit diesem in steter Ver¬<lb/>
bindung sei, darüber folgt eine lange Auseinandersetzung, die genau so viel sagt<lb/>
als das Sprichwort: Eine Hand wäscht die andere. - In Summa: alle drei,<lb/>
Staatsregiment, Kirchenregiment und Pastorenregiment sind von Gott, und ein<lb/>
Großherzog, ein Oberkirchenrath und ein Pastor sind ganz göttliche Amts¬<lb/>
personen. Der Hierarchie beginnen die Flügel zu wachsen. Dabei &#x201E;ebnet der<lb/>
Staat der Kirche den Boden äußerlicher Zucht, auf welchem die Kirche dem<lb/>
Staate Gutes pflanzt, das er mit dem Schwert schützen und durch das Gesetz<lb/>
gestalten mag." Und &#x201E;sowol der Kirche als dem Staat wird ein Regiment<lb/>
zukommen, und beide Regiment? werden so wenig zusammenfallen, als absolut<lb/>
getrennt werden oder beziehungslos nebeneinander hergehen dürfen, sondern<lb/>
werden je nach der den beiden Instituten von Gott gegebenen Aufgabe zu¬<lb/>
sammenarbeiten müssen." (S. 432&#x2014;33.) Wiederum wie im glücklichen Meck¬<lb/>
lenburg, so daß die Abendmahlsbesucher mit Namen angeschrieben, den Nicht-<lb/>
besuchern die Gevatterschaften, beim Absterben die ehrlichen Begräbnisse ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0426] In den liturgischen Abhandlungen liest man S. 266 ven Satz: Wer ein Altes gegen ein ausgekommenes Neue geltend machen will, muß eben immer dem Alten eine neue Wendung geben." Die Wendung, welche Kliefath seinem Alten zu geben gedenkt, besteht in nichts Anderem, als in der Ausprägung des „Kirchenregiments." Darauf zielen die Worte: „Irren wir nicht, so ist die seit diversen Jahren schwebende sogenannte Amts frage der Stein, an welchem die lutherische Kirche Deutschlands entweder auferstehen oder in Schlaf fallen wird; und in dieser Amtsfrage handelt es sich nicht sowol um Begriffne, des Predigtamts, sondern eben um Kirchenregiment, Kirchenordnung und Orga¬ nismus der Kirche. Kommen wir da zur Klarheit, so leben wir; sonst sterben wir." Welchen Begriff er mit der „Maschinerie der Kirchenordnung" (S. 386) verbindet, wird sich mit Wenigem zeigen lassen. Zunächst ist „die Kirchen¬ regierungsgewalt eine wirkliche Regierungsgewalt; und die Ausübung der Kirchenregierungsgewalt, das Kirchenregiment, kommt nicht von selbst dem Staat und seiner Obrigkeit zu, sondern fällt in die Kirche, selbst." (S. 29.) Die „christliche Obrigkeit" hat an sich noch „nichts mit der Kirchenregierung zu schassen;" ist diese ihr übertragen, so hat sie damit „ein Nebenamt", das auch stets besonders und nicht vom Mittelpunkt der Staatsregierung aus ver¬ waltet werden darf. Seiner Aufgabe nach ist „das Kirchenregiment die ge¬ staltende, alles scheidende und wieder verknüpfende, alles in Wechselwirkung bringende, in Thätigkeit Setzende, Richtung gebende Macht." (S. 498.) Oder noch anschaulicher: „Das Kirchenregiment hat das Amt, aus dem Worte und Geiste Gottes Kirchendienst und Kirchendiener und kirchliche Anstalten zu ge¬ bären." (S. 442.) Wohl bekomms ihm! Daß es übrigens mit dem Gnaden¬ mittel- oder Pastorenamt nicht zusammenfalle, doch mit diesem in steter Ver¬ bindung sei, darüber folgt eine lange Auseinandersetzung, die genau so viel sagt als das Sprichwort: Eine Hand wäscht die andere. - In Summa: alle drei, Staatsregiment, Kirchenregiment und Pastorenregiment sind von Gott, und ein Großherzog, ein Oberkirchenrath und ein Pastor sind ganz göttliche Amts¬ personen. Der Hierarchie beginnen die Flügel zu wachsen. Dabei „ebnet der Staat der Kirche den Boden äußerlicher Zucht, auf welchem die Kirche dem Staate Gutes pflanzt, das er mit dem Schwert schützen und durch das Gesetz gestalten mag." Und „sowol der Kirche als dem Staat wird ein Regiment zukommen, und beide Regiment? werden so wenig zusammenfallen, als absolut getrennt werden oder beziehungslos nebeneinander hergehen dürfen, sondern werden je nach der den beiden Instituten von Gott gegebenen Aufgabe zu¬ sammenarbeiten müssen." (S. 432—33.) Wiederum wie im glücklichen Meck¬ lenburg, so daß die Abendmahlsbesucher mit Namen angeschrieben, den Nicht- besuchern die Gevatterschaften, beim Absterben die ehrlichen Begräbnisse ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/426
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/426>, abgerufen am 24.08.2024.