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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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wenn es kein Deutschland hätte? Deutschland ist das Herz Europas, Luther
ist in diesem Herzen die Seele, Verdenke uns niemand, daß wir uns freuen,
heute doppelt freuen, daß wir Deutsche sind. Du großes Deutschland, gedenke
d'eines großen Lehrers. Und du, o Gemeine, liebe toller Gemeine, die du dich
zu dem ganz verhältst wie ein Sternlein zum Heer der Sterne, gedenke dieses
Tages, daß sein Gedächtniß komme von deinen Kindern auf deine Kindes-
kinder. -- Mit der Kriegsfahne in der Hand zog Luther immer voran. Nun schläft
er unter dem Schatten dieser Fahne. Kennt ihr sie, die ewige Tricolore? Sie
ist schwarz, roth, gelb. Im schwarzen Felde ein blutiges Kreuz mit einer
goldnen Krone. Heil dir, Luther! So lange eine deutsche Kirche auf Erben
steht, so lange ein deutsches Lied den Herrn der Heerscharen lobt, wird
dein Name wohnen im Lande und deines Namens Gedächtniß bleiben im
Lande. Geist Luthers, höre es, wir legen die Hand auf deinen Sarg und
sprechen: Wie viele auch schwanken in der schwankenden Zeit, wie du bleiben
wir fest!"

schwungvolle Worte! Aber wie Stands mit der That, die nach der feier¬
lichen Geisterbeschwörung erwartet, werden mußte? Nun, die Bauern haben
ihr Gelübde, wenn sie es überhaupt nachsprachen, in der große Mehrzahl ehr¬
lich geHallen, Der würdige Seelenhirt dagegen -- siehe folgenden Auszug aus
einer seiner Reden im Jahre 1830:

""Zwischen uns liegt eine unglückselige Zeit, umhüllt mit einem Tvdes-
mantel und gebrandmarkt mit dem Kainszeichen; Lug, Trug, Aufruhr, Empö¬
rung, Krieg, Blutvergießen, unsäglicher Jammer, namenloses Elend. Wehe,
es ist Wind gesät und Sturm geerntet worden! Wer kann sie zählen die un¬
zähligen Thränen, die seitdem geflossen sind und noch zur Stunde fließen?
Wer schaudert nicht vor dem Blutmeer, das unser früher so friedliches Vater¬
land überflutet hat?--Das ist gewißlich wahr und ein theuer werthes
Wort, daß Jesus gekommen ist in die Welt. Kennt ihr ihn nicht? Der Mann
aus Eton ist es, der Maun mit röthlichen Kleidern von Baza. Siehe, wie
ist sein Gewand so rothfarb und sein Kleid wie eines Keltertreters; kommt
ihr mit Wasser, kommt er mit Blut (hier wird der Parorismus des Redners
zu unverständlichem Lallen). Thränen und Blut löschen die Glut. Sieh da
auf Erden unser Kreuzpanier (doch, wol wieder das weiße Kreuz im rothen
Felde?), am Himmel unsre Siegerkrone."

Ich enthalte mich weiterer Bemerkungen über diese Ergüsse und erwähne
nur, daß Herr Thieß seine Loyalität nicht auf die Kanzel beschränkt, sondern
auch auf andern, Wege seinen Eifer für Befestigung des Dänenthums in der
neugewonnenen Position nach Kräften bethätigt und unter anderm in den
Schulen des Kirchspiels aus Gefälligkeit gegen gewisse Obere den Unterricht im
Dänischen eingeführt hat, obwol daselbst die Kirchen- wie die Schulsprache ge-


wenn es kein Deutschland hätte? Deutschland ist das Herz Europas, Luther
ist in diesem Herzen die Seele, Verdenke uns niemand, daß wir uns freuen,
heute doppelt freuen, daß wir Deutsche sind. Du großes Deutschland, gedenke
d'eines großen Lehrers. Und du, o Gemeine, liebe toller Gemeine, die du dich
zu dem ganz verhältst wie ein Sternlein zum Heer der Sterne, gedenke dieses
Tages, daß sein Gedächtniß komme von deinen Kindern auf deine Kindes-
kinder. — Mit der Kriegsfahne in der Hand zog Luther immer voran. Nun schläft
er unter dem Schatten dieser Fahne. Kennt ihr sie, die ewige Tricolore? Sie
ist schwarz, roth, gelb. Im schwarzen Felde ein blutiges Kreuz mit einer
goldnen Krone. Heil dir, Luther! So lange eine deutsche Kirche auf Erben
steht, so lange ein deutsches Lied den Herrn der Heerscharen lobt, wird
dein Name wohnen im Lande und deines Namens Gedächtniß bleiben im
Lande. Geist Luthers, höre es, wir legen die Hand auf deinen Sarg und
sprechen: Wie viele auch schwanken in der schwankenden Zeit, wie du bleiben
wir fest!"

schwungvolle Worte! Aber wie Stands mit der That, die nach der feier¬
lichen Geisterbeschwörung erwartet, werden mußte? Nun, die Bauern haben
ihr Gelübde, wenn sie es überhaupt nachsprachen, in der große Mehrzahl ehr¬
lich geHallen, Der würdige Seelenhirt dagegen — siehe folgenden Auszug aus
einer seiner Reden im Jahre 1830:

»„Zwischen uns liegt eine unglückselige Zeit, umhüllt mit einem Tvdes-
mantel und gebrandmarkt mit dem Kainszeichen; Lug, Trug, Aufruhr, Empö¬
rung, Krieg, Blutvergießen, unsäglicher Jammer, namenloses Elend. Wehe,
es ist Wind gesät und Sturm geerntet worden! Wer kann sie zählen die un¬
zähligen Thränen, die seitdem geflossen sind und noch zur Stunde fließen?
Wer schaudert nicht vor dem Blutmeer, das unser früher so friedliches Vater¬
land überflutet hat?--Das ist gewißlich wahr und ein theuer werthes
Wort, daß Jesus gekommen ist in die Welt. Kennt ihr ihn nicht? Der Mann
aus Eton ist es, der Maun mit röthlichen Kleidern von Baza. Siehe, wie
ist sein Gewand so rothfarb und sein Kleid wie eines Keltertreters; kommt
ihr mit Wasser, kommt er mit Blut (hier wird der Parorismus des Redners
zu unverständlichem Lallen). Thränen und Blut löschen die Glut. Sieh da
auf Erden unser Kreuzpanier (doch, wol wieder das weiße Kreuz im rothen
Felde?), am Himmel unsre Siegerkrone."

Ich enthalte mich weiterer Bemerkungen über diese Ergüsse und erwähne
nur, daß Herr Thieß seine Loyalität nicht auf die Kanzel beschränkt, sondern
auch auf andern, Wege seinen Eifer für Befestigung des Dänenthums in der
neugewonnenen Position nach Kräften bethätigt und unter anderm in den
Schulen des Kirchspiels aus Gefälligkeit gegen gewisse Obere den Unterricht im
Dänischen eingeführt hat, obwol daselbst die Kirchen- wie die Schulsprache ge-


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[0391] wenn es kein Deutschland hätte? Deutschland ist das Herz Europas, Luther ist in diesem Herzen die Seele, Verdenke uns niemand, daß wir uns freuen, heute doppelt freuen, daß wir Deutsche sind. Du großes Deutschland, gedenke d'eines großen Lehrers. Und du, o Gemeine, liebe toller Gemeine, die du dich zu dem ganz verhältst wie ein Sternlein zum Heer der Sterne, gedenke dieses Tages, daß sein Gedächtniß komme von deinen Kindern auf deine Kindes- kinder. — Mit der Kriegsfahne in der Hand zog Luther immer voran. Nun schläft er unter dem Schatten dieser Fahne. Kennt ihr sie, die ewige Tricolore? Sie ist schwarz, roth, gelb. Im schwarzen Felde ein blutiges Kreuz mit einer goldnen Krone. Heil dir, Luther! So lange eine deutsche Kirche auf Erben steht, so lange ein deutsches Lied den Herrn der Heerscharen lobt, wird dein Name wohnen im Lande und deines Namens Gedächtniß bleiben im Lande. Geist Luthers, höre es, wir legen die Hand auf deinen Sarg und sprechen: Wie viele auch schwanken in der schwankenden Zeit, wie du bleiben wir fest!" schwungvolle Worte! Aber wie Stands mit der That, die nach der feier¬ lichen Geisterbeschwörung erwartet, werden mußte? Nun, die Bauern haben ihr Gelübde, wenn sie es überhaupt nachsprachen, in der große Mehrzahl ehr¬ lich geHallen, Der würdige Seelenhirt dagegen — siehe folgenden Auszug aus einer seiner Reden im Jahre 1830: »„Zwischen uns liegt eine unglückselige Zeit, umhüllt mit einem Tvdes- mantel und gebrandmarkt mit dem Kainszeichen; Lug, Trug, Aufruhr, Empö¬ rung, Krieg, Blutvergießen, unsäglicher Jammer, namenloses Elend. Wehe, es ist Wind gesät und Sturm geerntet worden! Wer kann sie zählen die un¬ zähligen Thränen, die seitdem geflossen sind und noch zur Stunde fließen? Wer schaudert nicht vor dem Blutmeer, das unser früher so friedliches Vater¬ land überflutet hat?--Das ist gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort, daß Jesus gekommen ist in die Welt. Kennt ihr ihn nicht? Der Mann aus Eton ist es, der Maun mit röthlichen Kleidern von Baza. Siehe, wie ist sein Gewand so rothfarb und sein Kleid wie eines Keltertreters; kommt ihr mit Wasser, kommt er mit Blut (hier wird der Parorismus des Redners zu unverständlichem Lallen). Thränen und Blut löschen die Glut. Sieh da auf Erden unser Kreuzpanier (doch, wol wieder das weiße Kreuz im rothen Felde?), am Himmel unsre Siegerkrone." Ich enthalte mich weiterer Bemerkungen über diese Ergüsse und erwähne nur, daß Herr Thieß seine Loyalität nicht auf die Kanzel beschränkt, sondern auch auf andern, Wege seinen Eifer für Befestigung des Dänenthums in der neugewonnenen Position nach Kräften bethätigt und unter anderm in den Schulen des Kirchspiels aus Gefälligkeit gegen gewisse Obere den Unterricht im Dänischen eingeführt hat, obwol daselbst die Kirchen- wie die Schulsprache ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/391>, abgerufen am 25.06.2024.