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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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sein zu wollen. Sein späteres Benehmen" rechtfertigte diese Furcht, während
sein fremdartiger Accent, ihn bei den Schülern lächerlich machte und zu nicht
lobenswerthen Nachahmungen seiner Vorträge veranlaßte. Daß in der durch¬
aus deutschen Schule genau ebensoviel Unterrichtsstunden auf die dänische
als auf die deutsche Sprache gerechnet sind, und daß man dem Studium der
Griechen und Römer abzwacken muß, um Zeit zur Lectüre von Poeten wie
Ingemann und Henrik Hertz zu gewinnen, ist vielleicht nur halb seine Schuld.
Dagegen ist er dafür, daß den Schülern die dänische Geschichte als vaterländische
gelehrt wird und daß im Lectionsplane unter dem Artikel "Geographie" alle
europäischen Länder und selbst Asien und Amerika ausgeführt sind, Deutschland
aber weggeblieben ist, unzweifelhaft verantwortlich. Sollte es sich am Ende
gar bewahrheiten, wenn man sagt, der gelehrte Herr leugne die Existenz
Deutschlands positiv und habe deshalb einem Lehrer, der eine Karte von
diesem Lande irgendwo in der Classe hängen gehabt, geboten, sie wegzuthun;
dann wäre wol auch die Erzählung nicht erfunden, nach welcher derselbe seinen
Primanern gedroht haben soll, er wolle ihnen schon noch austreiben, von
ihrem Schiller und ihrem Goethe zu reden.Zum Glück ist solche
Verschrobenheit nicht ansteckend, und am allerwenigsten hier, wo die gereif-
teren Schüler recht wohl wissen, daß es, wenn ihr Rector und seinesgleichen
von Deutschlands Existenz nichts wissen, nur der Vogel Strauß ist, der den
Kopf in den Busch steckt, um den Verfolger für nicht vorhanden halten zu
können.

Die Stimmung der Einwohner Schleswigs ist hin und' wieder gedrückt,
im Ganzen aber vortrefflich und nirgends vielleicht ist man weniger zu Con¬
cessionen an das Dcuienthum geneigt, als hier. Von einer gesellschaftlichen
Amalgamation mit den in der Stadt wohnenden Dänen, von einem Zutritt
der Offiziere in den Familien ist so wenig die Rede wie in Kiel. Die Elite
der deutschen Gesellschaft, welche ihren Mittelpunkt im "Museum" hat, weist
durch ihr Ballor, obgleich dem Institut wegen dieser Kundgebung passiven
Widerstandes fortwährend die obrigkeitliche Auslösung droht, beharrlich jeden
nicht entschieden Deutschgesinnten, der sich vorschlagen läßt, zurück. Nur die
Bürger, welche bei dem Umbau des Schlosses Gottorp beschäftigt sind, ver¬
kehren mit den Dänen, und auch diese im Ganzen blos auf Hofmanier. Am



Diese Anekdote war in den Kladderadatsch und mit dessen Spott begleitet nach Schles¬
wig zurück gekommen. Darauf macht ein Spaßvogel einem Juden, welcher ein paar Büsten
von Goethe und Schiller erstanden hat und nicht los werden kann, weis, der Rector werde
sie ihm gewiß abnehmen, da ihn erst kürzlich eine Zeitung als Verehrer der beiden Dichter
gepriesen habe. Moses geht wirklich zu Pvvelscn, sagt ihm, als der sein Anerbieten nicht
begreift, was der Spaßvogel ihm aufgebunden, wird leider sofort' hinausgeworfen, wobei
ihm die Büste" zerbreche", und will um klagbar werden und Schadenersatz haben.
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sein zu wollen. Sein späteres Benehmen« rechtfertigte diese Furcht, während
sein fremdartiger Accent, ihn bei den Schülern lächerlich machte und zu nicht
lobenswerthen Nachahmungen seiner Vorträge veranlaßte. Daß in der durch¬
aus deutschen Schule genau ebensoviel Unterrichtsstunden auf die dänische
als auf die deutsche Sprache gerechnet sind, und daß man dem Studium der
Griechen und Römer abzwacken muß, um Zeit zur Lectüre von Poeten wie
Ingemann und Henrik Hertz zu gewinnen, ist vielleicht nur halb seine Schuld.
Dagegen ist er dafür, daß den Schülern die dänische Geschichte als vaterländische
gelehrt wird und daß im Lectionsplane unter dem Artikel „Geographie" alle
europäischen Länder und selbst Asien und Amerika ausgeführt sind, Deutschland
aber weggeblieben ist, unzweifelhaft verantwortlich. Sollte es sich am Ende
gar bewahrheiten, wenn man sagt, der gelehrte Herr leugne die Existenz
Deutschlands positiv und habe deshalb einem Lehrer, der eine Karte von
diesem Lande irgendwo in der Classe hängen gehabt, geboten, sie wegzuthun;
dann wäre wol auch die Erzählung nicht erfunden, nach welcher derselbe seinen
Primanern gedroht haben soll, er wolle ihnen schon noch austreiben, von
ihrem Schiller und ihrem Goethe zu reden.Zum Glück ist solche
Verschrobenheit nicht ansteckend, und am allerwenigsten hier, wo die gereif-
teren Schüler recht wohl wissen, daß es, wenn ihr Rector und seinesgleichen
von Deutschlands Existenz nichts wissen, nur der Vogel Strauß ist, der den
Kopf in den Busch steckt, um den Verfolger für nicht vorhanden halten zu
können.

Die Stimmung der Einwohner Schleswigs ist hin und' wieder gedrückt,
im Ganzen aber vortrefflich und nirgends vielleicht ist man weniger zu Con¬
cessionen an das Dcuienthum geneigt, als hier. Von einer gesellschaftlichen
Amalgamation mit den in der Stadt wohnenden Dänen, von einem Zutritt
der Offiziere in den Familien ist so wenig die Rede wie in Kiel. Die Elite
der deutschen Gesellschaft, welche ihren Mittelpunkt im „Museum" hat, weist
durch ihr Ballor, obgleich dem Institut wegen dieser Kundgebung passiven
Widerstandes fortwährend die obrigkeitliche Auslösung droht, beharrlich jeden
nicht entschieden Deutschgesinnten, der sich vorschlagen läßt, zurück. Nur die
Bürger, welche bei dem Umbau des Schlosses Gottorp beschäftigt sind, ver¬
kehren mit den Dänen, und auch diese im Ganzen blos auf Hofmanier. Am



Diese Anekdote war in den Kladderadatsch und mit dessen Spott begleitet nach Schles¬
wig zurück gekommen. Darauf macht ein Spaßvogel einem Juden, welcher ein paar Büsten
von Goethe und Schiller erstanden hat und nicht los werden kann, weis, der Rector werde
sie ihm gewiß abnehmen, da ihn erst kürzlich eine Zeitung als Verehrer der beiden Dichter
gepriesen habe. Moses geht wirklich zu Pvvelscn, sagt ihm, als der sein Anerbieten nicht
begreift, was der Spaßvogel ihm aufgebunden, wird leider sofort' hinausgeworfen, wobei
ihm die Büste» zerbreche», und will um klagbar werden und Schadenersatz haben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/313>, abgerufen am 22.07.2024.