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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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der Leser in Betreff ver Berechtigung zu dieser Bezeichnung hegen könnte,
wird die obenerwähnte classische Geschichte unverzüglich zerstreuen.

Ich habe jetzt nur noch ein Wort über die kirchliche Oberbehörde in
Schleswig und über die Schulverhältnisse hinzuzufügen, und kann dann mit
einem Blick auf die Stimmung der Bürger schließen. Traurig ist es, daß ich,
nachdem meine Pflicht mich genöthigt, aus dem Kreise der weltlichen Be¬
amten so viele schmuzige Wäsche ans Tageslicht zu ziehen, auch von dem
interimistischen Propst Wartens nichts Rühmenswerthes sagen kann. Früher
Landprediger, als welcher er zwar nicht die besten Predigten hielt, aber durch
eigne sorgfältige Abwartung (es werden hübsche Idyllen davon erzählt) die
fettesten Schweine in weitem Umkreise zu züchten berühmt war, hat er selbst in
den Augen der Dänischgesinnten kein anderes Verdienst, als daß er in der
Stunde der Entscheidung zu ihnen übergetreten und gegenwärtig (allerdings
nur aus Aengstlichkeit'j zu ihren Maßregeln zur Chicanirung mißliebiger Geist¬
lichen und Schullehrer allenthalben die Hand zu bieten bereit ist. Statt die
Würde, die er bekleidet, zu repräsentiren, ist er durch seinen alles Anstandes
baaren, oft ins Komische hinüberspielenden Geiz seiner gesammten Propstei
zur lächerlichen Figur geworden. servil bis ins Unglaubliche, hat er sich
durch eine Prebe seiner Willfährigkeit, über die ich mir in Cappeln das Nähere
mittheilen lassen will, den Spitznamen "der Wiedertäufer" zugezogen.

"Mit den Männern werden wir fertig," sagen die Dänen, ,,aber die Weiber
und die Brut!" Den Frauen Schleswig-Holsteins gebührt der Ruhm, bei dem
passiven Widerstande, der dem activen in einer für die Sieger so unbequemen
Weise folgte, eine Rolle gespielt zu haben, von der sich manches herzerquickende
Beispiel erzählen ließe. Nicht minder aber haben selbst die Kinder, so gut sie
es verstanden und vermochten, ihren Patriotismus und, ihre den Eltern
nachgefühlte Abneigung gegen daS Dänenthum und seine Vertreter an den
Tag gelegt.

Diesen Trotz zu brechen, ist auf dem Lande wie in den Städten mancher
Schulmeisterstock zerschlagen worden, und zum Theil seinethalben, zum Theil
aber der stets im Vordergrunde stehenden Ansicht halber, nach welcher Schles¬
wig eine Versorgungsanstalt für dänische Kandidaten ist, hat man Sorge ge¬
tragen, die Lehrerstellen an der Domschule, dem einzigen Gymnasium im süd¬
lichen Theil des Herzogthums, dieser stets durchaus deutschen Anstalt, fast
ausnahmslos mit Nationaldänen oder ihnen gleichbenkenden Nordschleswigern
zu besetzen.

Der Rector, Sören Ludwig Povelsen aus Sorö, bis zum Februar dieses
Jahres Lehrer an der Aalborger Kathedralschule, erweckte schon durch seine
Antrittsrede, in welcher viel von einem unvermeidlichen Kampfe gesprochen
wurde, die Befürchtung, eines der Werkzeuge zur Danisirung der Schüler


der Leser in Betreff ver Berechtigung zu dieser Bezeichnung hegen könnte,
wird die obenerwähnte classische Geschichte unverzüglich zerstreuen.

Ich habe jetzt nur noch ein Wort über die kirchliche Oberbehörde in
Schleswig und über die Schulverhältnisse hinzuzufügen, und kann dann mit
einem Blick auf die Stimmung der Bürger schließen. Traurig ist es, daß ich,
nachdem meine Pflicht mich genöthigt, aus dem Kreise der weltlichen Be¬
amten so viele schmuzige Wäsche ans Tageslicht zu ziehen, auch von dem
interimistischen Propst Wartens nichts Rühmenswerthes sagen kann. Früher
Landprediger, als welcher er zwar nicht die besten Predigten hielt, aber durch
eigne sorgfältige Abwartung (es werden hübsche Idyllen davon erzählt) die
fettesten Schweine in weitem Umkreise zu züchten berühmt war, hat er selbst in
den Augen der Dänischgesinnten kein anderes Verdienst, als daß er in der
Stunde der Entscheidung zu ihnen übergetreten und gegenwärtig (allerdings
nur aus Aengstlichkeit'j zu ihren Maßregeln zur Chicanirung mißliebiger Geist¬
lichen und Schullehrer allenthalben die Hand zu bieten bereit ist. Statt die
Würde, die er bekleidet, zu repräsentiren, ist er durch seinen alles Anstandes
baaren, oft ins Komische hinüberspielenden Geiz seiner gesammten Propstei
zur lächerlichen Figur geworden. servil bis ins Unglaubliche, hat er sich
durch eine Prebe seiner Willfährigkeit, über die ich mir in Cappeln das Nähere
mittheilen lassen will, den Spitznamen „der Wiedertäufer" zugezogen.

„Mit den Männern werden wir fertig," sagen die Dänen, ,,aber die Weiber
und die Brut!" Den Frauen Schleswig-Holsteins gebührt der Ruhm, bei dem
passiven Widerstande, der dem activen in einer für die Sieger so unbequemen
Weise folgte, eine Rolle gespielt zu haben, von der sich manches herzerquickende
Beispiel erzählen ließe. Nicht minder aber haben selbst die Kinder, so gut sie
es verstanden und vermochten, ihren Patriotismus und, ihre den Eltern
nachgefühlte Abneigung gegen daS Dänenthum und seine Vertreter an den
Tag gelegt.

Diesen Trotz zu brechen, ist auf dem Lande wie in den Städten mancher
Schulmeisterstock zerschlagen worden, und zum Theil seinethalben, zum Theil
aber der stets im Vordergrunde stehenden Ansicht halber, nach welcher Schles¬
wig eine Versorgungsanstalt für dänische Kandidaten ist, hat man Sorge ge¬
tragen, die Lehrerstellen an der Domschule, dem einzigen Gymnasium im süd¬
lichen Theil des Herzogthums, dieser stets durchaus deutschen Anstalt, fast
ausnahmslos mit Nationaldänen oder ihnen gleichbenkenden Nordschleswigern
zu besetzen.

Der Rector, Sören Ludwig Povelsen aus Sorö, bis zum Februar dieses
Jahres Lehrer an der Aalborger Kathedralschule, erweckte schon durch seine
Antrittsrede, in welcher viel von einem unvermeidlichen Kampfe gesprochen
wurde, die Befürchtung, eines der Werkzeuge zur Danisirung der Schüler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/312>, abgerufen am 22.07.2024.