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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Holstein gesummt hatten, und noch vor kurzem waren drei Schulmädchen in
Gefahr, vom Cerberus der Polizei zum Frühstück verschlungen zu werden, weil
sich zu zweien von ihnen, von welchem die eine ein rothes, die andere ein
weißes Kleid trug, vom Ungefähr ihnen entgegengeführt (wie bewiesen werden
konnte) eine Freundin gesellte, deren Eltern blau sür eine kleidsame Farbe ge¬
halten hatten. Sehr zornig fuhr Cerberus auf das zufällig entstandene blau¬
roth-weiße Kleeblatt los, und die armen Deerns hatten von Glück zu sagen,
daß er nach langem Verhören sich mit einer Geldstrafe beschwichtigen ließ, statt
sie in seinem Grimme dem Schließer zu überantworten.

Eine schwerere Heimsuchung kam über die Stadt und vorzüglich über die
niedere Classe mit Einführung der Berechnung nach Reichsmünze. Im
Herbst 1833 befahl der Polizeiminister den Gastwirthen und andern Gewerb-
treibenden, ihre Preise nicht mehr wie bisher nach Schillingen Schleswig-hol-
steinischen Courants, sondern nach ReichSbankschillingen anzusetzen. Man
wollte auf diese Art eines der vier Hauptprivilegien der Herzogthümer, das
Recht, ihr eignes Geld >zu haben, und damit eine der am häufigsten auftau¬
chenden Erinnerungen an ihre staatsrechtliche Zusammengehörigkeit und ihre
Geschiedenheit von Dänemark hinwegescamotiren, ganz wie man dies schon
einmal -- nach dem Untergange des deutschen Reichs -- versucht hatte. Man
wollte es, allein man besaß wie damals zunächst nicht die Mittel, es durchzu¬
setzen. -Die Neichsbankschillinge, von denen 96 gleich 30 Courantschillingen
sind, waren innerhalb der Herzogthümer in Natura nicht vorhanden. Es gab
allerdings Drei- und VierschiUingsstücke, allein in so geringer Menge, daß sie
den Bedarf nicht zum tausendsten Theil deckten. Alle gröbere Münzsorten
freilich, welche die Bezeichnung Reichsgeld führten, gingen in Courant aus.
So waren die dänischen Achtschillingsstücke -- S'/s, das Sechzehnschillingsstück
oder die dänische Mark -- 3 Schilling Schleswig-holsteinisch. Die Basis der
bisherigen Berechnungsweise dagegen, der Courautschilling, welcher durch Ham¬
burger, lübecker und mecklenburger Münzen dieser Gattung im Verkehr vertre¬
ten war*) ließ sich ohne Bruch nicht in Reichsbankgeld verwandeln, indem
nach dem Verhältniß von 96 zu 30, 3Vs Bankschillinge -- 1 Schilling Cou¬
rant waren. Die Fünftel eristirten aber nicht, und der obige Polizeibefehl
ließ sich aus diesem Grunde nicht erecutiren. Ueberdies fehlte die gesetzliche
Begründung der Neuerung, und es sollte offenbar nur eine Probe sein, die



") Die mecklenburger Schillinge hatten keine gesetzliche Berechtigung und waren überdies
'ig-/, Procent weniger werth, als was sie im Verkehr galten; die der Hansestädte dagegen
stützen sich auf einen von den Artikeln der obenerwähnten alten, wohlverbrieften, beschworner
und besiegelten Rechte Schleswig-Holsteins, "ach welchem ,,dle Münze beider Herzogthümer
gleich sein soll der in Hamburg und Lübeck." "

Holstein gesummt hatten, und noch vor kurzem waren drei Schulmädchen in
Gefahr, vom Cerberus der Polizei zum Frühstück verschlungen zu werden, weil
sich zu zweien von ihnen, von welchem die eine ein rothes, die andere ein
weißes Kleid trug, vom Ungefähr ihnen entgegengeführt (wie bewiesen werden
konnte) eine Freundin gesellte, deren Eltern blau sür eine kleidsame Farbe ge¬
halten hatten. Sehr zornig fuhr Cerberus auf das zufällig entstandene blau¬
roth-weiße Kleeblatt los, und die armen Deerns hatten von Glück zu sagen,
daß er nach langem Verhören sich mit einer Geldstrafe beschwichtigen ließ, statt
sie in seinem Grimme dem Schließer zu überantworten.

Eine schwerere Heimsuchung kam über die Stadt und vorzüglich über die
niedere Classe mit Einführung der Berechnung nach Reichsmünze. Im
Herbst 1833 befahl der Polizeiminister den Gastwirthen und andern Gewerb-
treibenden, ihre Preise nicht mehr wie bisher nach Schillingen Schleswig-hol-
steinischen Courants, sondern nach ReichSbankschillingen anzusetzen. Man
wollte auf diese Art eines der vier Hauptprivilegien der Herzogthümer, das
Recht, ihr eignes Geld >zu haben, und damit eine der am häufigsten auftau¬
chenden Erinnerungen an ihre staatsrechtliche Zusammengehörigkeit und ihre
Geschiedenheit von Dänemark hinwegescamotiren, ganz wie man dies schon
einmal — nach dem Untergange des deutschen Reichs — versucht hatte. Man
wollte es, allein man besaß wie damals zunächst nicht die Mittel, es durchzu¬
setzen. -Die Neichsbankschillinge, von denen 96 gleich 30 Courantschillingen
sind, waren innerhalb der Herzogthümer in Natura nicht vorhanden. Es gab
allerdings Drei- und VierschiUingsstücke, allein in so geringer Menge, daß sie
den Bedarf nicht zum tausendsten Theil deckten. Alle gröbere Münzsorten
freilich, welche die Bezeichnung Reichsgeld führten, gingen in Courant aus.
So waren die dänischen Achtschillingsstücke — S'/s, das Sechzehnschillingsstück
oder die dänische Mark — 3 Schilling Schleswig-holsteinisch. Die Basis der
bisherigen Berechnungsweise dagegen, der Courautschilling, welcher durch Ham¬
burger, lübecker und mecklenburger Münzen dieser Gattung im Verkehr vertre¬
ten war*) ließ sich ohne Bruch nicht in Reichsbankgeld verwandeln, indem
nach dem Verhältniß von 96 zu 30, 3Vs Bankschillinge — 1 Schilling Cou¬
rant waren. Die Fünftel eristirten aber nicht, und der obige Polizeibefehl
ließ sich aus diesem Grunde nicht erecutiren. Ueberdies fehlte die gesetzliche
Begründung der Neuerung, und es sollte offenbar nur eine Probe sein, die



») Die mecklenburger Schillinge hatten keine gesetzliche Berechtigung und waren überdies
'ig-/, Procent weniger werth, als was sie im Verkehr galten; die der Hansestädte dagegen
stützen sich auf einen von den Artikeln der obenerwähnten alten, wohlverbrieften, beschworner
und besiegelten Rechte Schleswig-Holsteins, »ach welchem ,,dle Münze beider Herzogthümer
gleich sein soll der in Hamburg und Lübeck." "
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[0302] Holstein gesummt hatten, und noch vor kurzem waren drei Schulmädchen in Gefahr, vom Cerberus der Polizei zum Frühstück verschlungen zu werden, weil sich zu zweien von ihnen, von welchem die eine ein rothes, die andere ein weißes Kleid trug, vom Ungefähr ihnen entgegengeführt (wie bewiesen werden konnte) eine Freundin gesellte, deren Eltern blau sür eine kleidsame Farbe ge¬ halten hatten. Sehr zornig fuhr Cerberus auf das zufällig entstandene blau¬ roth-weiße Kleeblatt los, und die armen Deerns hatten von Glück zu sagen, daß er nach langem Verhören sich mit einer Geldstrafe beschwichtigen ließ, statt sie in seinem Grimme dem Schließer zu überantworten. Eine schwerere Heimsuchung kam über die Stadt und vorzüglich über die niedere Classe mit Einführung der Berechnung nach Reichsmünze. Im Herbst 1833 befahl der Polizeiminister den Gastwirthen und andern Gewerb- treibenden, ihre Preise nicht mehr wie bisher nach Schillingen Schleswig-hol- steinischen Courants, sondern nach ReichSbankschillingen anzusetzen. Man wollte auf diese Art eines der vier Hauptprivilegien der Herzogthümer, das Recht, ihr eignes Geld >zu haben, und damit eine der am häufigsten auftau¬ chenden Erinnerungen an ihre staatsrechtliche Zusammengehörigkeit und ihre Geschiedenheit von Dänemark hinwegescamotiren, ganz wie man dies schon einmal — nach dem Untergange des deutschen Reichs — versucht hatte. Man wollte es, allein man besaß wie damals zunächst nicht die Mittel, es durchzu¬ setzen. -Die Neichsbankschillinge, von denen 96 gleich 30 Courantschillingen sind, waren innerhalb der Herzogthümer in Natura nicht vorhanden. Es gab allerdings Drei- und VierschiUingsstücke, allein in so geringer Menge, daß sie den Bedarf nicht zum tausendsten Theil deckten. Alle gröbere Münzsorten freilich, welche die Bezeichnung Reichsgeld führten, gingen in Courant aus. So waren die dänischen Achtschillingsstücke — S'/s, das Sechzehnschillingsstück oder die dänische Mark — 3 Schilling Schleswig-holsteinisch. Die Basis der bisherigen Berechnungsweise dagegen, der Courautschilling, welcher durch Ham¬ burger, lübecker und mecklenburger Münzen dieser Gattung im Verkehr vertre¬ ten war*) ließ sich ohne Bruch nicht in Reichsbankgeld verwandeln, indem nach dem Verhältniß von 96 zu 30, 3Vs Bankschillinge — 1 Schilling Cou¬ rant waren. Die Fünftel eristirten aber nicht, und der obige Polizeibefehl ließ sich aus diesem Grunde nicht erecutiren. Ueberdies fehlte die gesetzliche Begründung der Neuerung, und es sollte offenbar nur eine Probe sein, die ») Die mecklenburger Schillinge hatten keine gesetzliche Berechtigung und waren überdies 'ig-/, Procent weniger werth, als was sie im Verkehr galten; die der Hansestädte dagegen stützen sich auf einen von den Artikeln der obenerwähnten alten, wohlverbrieften, beschworner und besiegelten Rechte Schleswig-Holsteins, »ach welchem ,,dle Münze beider Herzogthümer gleich sein soll der in Hamburg und Lübeck." "

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/302>, abgerufen am 23.07.2024.