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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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gen hundert Freihäuser, die das höhere Forum sortirten, von Einquartierung
befreit waren, ihre Kaufbriefe selbst errichten konnten und in Steuersachen
durch drei aus der Mitte ihrer Besitzer gewählte Vertreter in den städtischen
Kollegien repräsentirt wurden. Ohne irgendwelche Entschädigung sind seit dem
-I.April diesen Häusern ihre Privilegien genommen, während eine schwere
Last, das obergerichtliche Schuld- und Pfandprotokoll mit 1 Procent Proto-
kollationsgebühren für sie geblieben ist.

Neben den genannten Beeinträchtigungen gingen die Hudeleien und
Quälereien der neueingesetzten Beamten her, von denen die einen fanatisch
dänisch gesinnt, die andern wenigstens bemüht waren, vor dem Minister als
gestnnungslüchtig zu erscheinen. Ihre Bestrebungen, allen Classen der Ein¬
wohner, selbst den bisher indifferenten,, das Leben in Schleswig zu verleiden,
hatten einen vollständigen Erfolg. Wie sie es anfingen, dieses Resultat zu er¬
reichen, habe ich Ihnen bereits von der redseligen alten Frau im Wochen¬
wagen erzählen lassen. Hier noch einige Belege zu den dort gehörten Klagen.

Hatte der Militärcommandant während des Belagerungszustandes sich im
Allgemeinen damit begnügt, das Erscheinen Schleswig-holsteinischer Fahnen,
Wappen, Farben und sonstiger dahin gehöriger Embleme in der Oeffentlichkeit
zu untersagen, so suchte der Polizeiminister Koch, ein geborner Däne, der
sein Amt antrat, dieses Verfahren zu überbieten. Er verbot den Besitz und
befahl die Auslieferung sogar "von allen Gegenständen, welche an den Aufruhr
erinnerten." Dahin wurden unter andern die Porträts deutscher, in schleswig¬
holsteinischen Diensten beliebt gewordener Offiziere, z. B. die Bilder von
Bonin und von der Tann gerechnet. Aber auch die Aufbewahrung bloßer
Schlacht- und Lagerscencn aus der Kriegszeit, ja selbst der Porträts gefallener
Familienglieder, wenn dieselben in der Uniform der "Armee der Insurgenten"
dargestellt waren, galt als strafwürdiges Verbrechen. Wo die Polizei derglei¬
chen vermuthete, wurde unverzüglich Jagd darauf gemacht. Polizeidiener dran¬
gen in die Wohnungen und rissen die Bilder von den Wänden. Manche ein¬
same Witwe verlor auf diese Weise den Gatten, manches Elternpaar den geliebten,
sür das Vaterland gestorbenen Sohn zum zweiten Male. Auffallend war es
dabei, daß man sich bei derartigen Staatsactionen fast nur an Leute aus den
nicht, gebildeten Ständen wagte, die Häuser solcher dagegen, welche Kunde der
Rechte voraussetzen ließen, übelall verschonte. Diese würden den Eindring¬
lingen wenigstens die gesetzliche Ordnung entgegengehalten haben, nach welcher
in friedlichen Zeiten die Polizei zu derartigen Eingriffen in das Eigenthum
nicht befugt ist.

Diese Hetzjagd dauerte bis auf die letzten Monate fort. Noch ist es kein
Jahr her, daß Leute mit Gefängnißstrafen belegt wurden, weil sie in'Vergessen-
heit der obwaltenden Umstände das Lied vom meerumschlungenen Schleswig-


gen hundert Freihäuser, die das höhere Forum sortirten, von Einquartierung
befreit waren, ihre Kaufbriefe selbst errichten konnten und in Steuersachen
durch drei aus der Mitte ihrer Besitzer gewählte Vertreter in den städtischen
Kollegien repräsentirt wurden. Ohne irgendwelche Entschädigung sind seit dem
-I.April diesen Häusern ihre Privilegien genommen, während eine schwere
Last, das obergerichtliche Schuld- und Pfandprotokoll mit 1 Procent Proto-
kollationsgebühren für sie geblieben ist.

Neben den genannten Beeinträchtigungen gingen die Hudeleien und
Quälereien der neueingesetzten Beamten her, von denen die einen fanatisch
dänisch gesinnt, die andern wenigstens bemüht waren, vor dem Minister als
gestnnungslüchtig zu erscheinen. Ihre Bestrebungen, allen Classen der Ein¬
wohner, selbst den bisher indifferenten,, das Leben in Schleswig zu verleiden,
hatten einen vollständigen Erfolg. Wie sie es anfingen, dieses Resultat zu er¬
reichen, habe ich Ihnen bereits von der redseligen alten Frau im Wochen¬
wagen erzählen lassen. Hier noch einige Belege zu den dort gehörten Klagen.

Hatte der Militärcommandant während des Belagerungszustandes sich im
Allgemeinen damit begnügt, das Erscheinen Schleswig-holsteinischer Fahnen,
Wappen, Farben und sonstiger dahin gehöriger Embleme in der Oeffentlichkeit
zu untersagen, so suchte der Polizeiminister Koch, ein geborner Däne, der
sein Amt antrat, dieses Verfahren zu überbieten. Er verbot den Besitz und
befahl die Auslieferung sogar „von allen Gegenständen, welche an den Aufruhr
erinnerten." Dahin wurden unter andern die Porträts deutscher, in schleswig¬
holsteinischen Diensten beliebt gewordener Offiziere, z. B. die Bilder von
Bonin und von der Tann gerechnet. Aber auch die Aufbewahrung bloßer
Schlacht- und Lagerscencn aus der Kriegszeit, ja selbst der Porträts gefallener
Familienglieder, wenn dieselben in der Uniform der „Armee der Insurgenten"
dargestellt waren, galt als strafwürdiges Verbrechen. Wo die Polizei derglei¬
chen vermuthete, wurde unverzüglich Jagd darauf gemacht. Polizeidiener dran¬
gen in die Wohnungen und rissen die Bilder von den Wänden. Manche ein¬
same Witwe verlor auf diese Weise den Gatten, manches Elternpaar den geliebten,
sür das Vaterland gestorbenen Sohn zum zweiten Male. Auffallend war es
dabei, daß man sich bei derartigen Staatsactionen fast nur an Leute aus den
nicht, gebildeten Ständen wagte, die Häuser solcher dagegen, welche Kunde der
Rechte voraussetzen ließen, übelall verschonte. Diese würden den Eindring¬
lingen wenigstens die gesetzliche Ordnung entgegengehalten haben, nach welcher
in friedlichen Zeiten die Polizei zu derartigen Eingriffen in das Eigenthum
nicht befugt ist.

Diese Hetzjagd dauerte bis auf die letzten Monate fort. Noch ist es kein
Jahr her, daß Leute mit Gefängnißstrafen belegt wurden, weil sie in'Vergessen-
heit der obwaltenden Umstände das Lied vom meerumschlungenen Schleswig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/301>, abgerufen am 23.07.2024.