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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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ein von Rothschild angebotenes Geschenk von 10,000 Gulden nicht angenom¬
men habe. Obgleich nun Herr Fischer der Ansicht ist, daß er die Finanzen
des fürstlichen Hauses in glänzender Weise geordnet habe, so gibt er doch
schonend zu, daß ein gewisser Eigensinn von seiner Seite und der Wunsch
nach freierer Bewegung auf der andern allmälig eine Lösung dieses Dienst¬
verhältnisses herbeigeführt habe, leider in einer sein Gemüth wieder tief ver¬
letzenden Weise.

Er findet einen dritten Herrn, Er tritt im Jahre 1831 in oldenbürgische
Dienste, verfertigt dort eifrige Denkschriften an den Großherzog über die Dring¬
lichkeit einer ständischen Verfassung sür das Land und wird als Regierungs¬
präsident des Fürstenthums Birkenfeld angestellt. Dort regiert er patriarcha¬
lisch bis zum Jahre 1848. Da er bemerkt, daß die Landwirthschaft in dem
Ländchen auf sehr niedriger Stufe steht, so wirft er sich mit Feuer auf landwirt¬
schaftliche Belehrung. Er selbst versteht nichts vom Landbau, aber er geht mit
gemüthlicher Sicherheit an die Gründung und Redaction einer landwirtschaft¬
lichen Zeitung. Noch mehr, er kauft selbst ein Gut von circa 300 Morgen,
um, wie er sagt, durch eignen Betrieb sich die nöthigen Kenntnisse zu erwerben.
Leider verfolgt ihn auch hier, was er sein Märtyrthum nennt, und was andere
die natürlichen Folgen unverständigen und übereilten Handelns nennen werden.
Er benutzt seine Stellung, um aus öffentlichen Geldern ein Capital aus sein
Gut zu erhalten, aber er hat nicht die Fähigkeit, das Gut zu administriren, er
begeht das am meisten Thörichte, was ein Geschäftsmann begehen kann, er
associirt sich einen Miteigenthümer; wieder hat er das. Ungeschick, eine, wie
er sagt, schlechte Wahl zu treffen; das Gut wird endlich verkauft, er hat wieder
das Ungeschick, einen zahlungsunfähigen Käufer zu wählen. ' Der Käufer läßt
ihn im Stich, die Hypothekengläubiger bestehen auf Auspfändung Fischers,
grade zu der Zeit, wo er in Lippe Minister ist und jetzt ist seine größte Sorge,
daß sie ihm sechs silberne Leuchter wegnehmen werden, die ihm einmal ein Fürst
geschenkt. Im Jahre 1848 entdeckt Fischer zu seinem größten Erstaunen, daß
das von ihm sür so zufrieden gehaltene Ländchen ganz von demselben Schwin¬
del ergriffen wird, wie die Nachbarstaaten. Tumultuirende Hausen rotten sich
zusammen und Herr Fischer eilt, ohne Erlaubniß seiner Negierung abzuwarten,
sofort nach Trier, um preußische Truppen zum Einrücken zu bewegen. Von
den preußischen Behörden wurde ihm dieses Ansuchen abgeschlagen, Herr Fischer
bleibt in Trier, statt in das Fürstenthum zurückzukehren und wartet auf einen
Exceß von dort, um mit preußischen Truppen einzumarschiren. Von Trier aus
schreibt er dem Großherzog, daß nach seiner Meinung in solchen Zeiten die
Dienstpflicht gebiete, "in Beziehung auf Gewaltmaßregeln Wagnisse aus eigne
Hand zu nehmen und wenn der Erfolg mißlinge, in unbefleckter Treue sich
sür den Herrn zu opfern." Ach, aber er erhält keine Antwort, wol aber macht


ein von Rothschild angebotenes Geschenk von 10,000 Gulden nicht angenom¬
men habe. Obgleich nun Herr Fischer der Ansicht ist, daß er die Finanzen
des fürstlichen Hauses in glänzender Weise geordnet habe, so gibt er doch
schonend zu, daß ein gewisser Eigensinn von seiner Seite und der Wunsch
nach freierer Bewegung auf der andern allmälig eine Lösung dieses Dienst¬
verhältnisses herbeigeführt habe, leider in einer sein Gemüth wieder tief ver¬
letzenden Weise.

Er findet einen dritten Herrn, Er tritt im Jahre 1831 in oldenbürgische
Dienste, verfertigt dort eifrige Denkschriften an den Großherzog über die Dring¬
lichkeit einer ständischen Verfassung sür das Land und wird als Regierungs¬
präsident des Fürstenthums Birkenfeld angestellt. Dort regiert er patriarcha¬
lisch bis zum Jahre 1848. Da er bemerkt, daß die Landwirthschaft in dem
Ländchen auf sehr niedriger Stufe steht, so wirft er sich mit Feuer auf landwirt¬
schaftliche Belehrung. Er selbst versteht nichts vom Landbau, aber er geht mit
gemüthlicher Sicherheit an die Gründung und Redaction einer landwirtschaft¬
lichen Zeitung. Noch mehr, er kauft selbst ein Gut von circa 300 Morgen,
um, wie er sagt, durch eignen Betrieb sich die nöthigen Kenntnisse zu erwerben.
Leider verfolgt ihn auch hier, was er sein Märtyrthum nennt, und was andere
die natürlichen Folgen unverständigen und übereilten Handelns nennen werden.
Er benutzt seine Stellung, um aus öffentlichen Geldern ein Capital aus sein
Gut zu erhalten, aber er hat nicht die Fähigkeit, das Gut zu administriren, er
begeht das am meisten Thörichte, was ein Geschäftsmann begehen kann, er
associirt sich einen Miteigenthümer; wieder hat er das. Ungeschick, eine, wie
er sagt, schlechte Wahl zu treffen; das Gut wird endlich verkauft, er hat wieder
das Ungeschick, einen zahlungsunfähigen Käufer zu wählen. ' Der Käufer läßt
ihn im Stich, die Hypothekengläubiger bestehen auf Auspfändung Fischers,
grade zu der Zeit, wo er in Lippe Minister ist und jetzt ist seine größte Sorge,
daß sie ihm sechs silberne Leuchter wegnehmen werden, die ihm einmal ein Fürst
geschenkt. Im Jahre 1848 entdeckt Fischer zu seinem größten Erstaunen, daß
das von ihm sür so zufrieden gehaltene Ländchen ganz von demselben Schwin¬
del ergriffen wird, wie die Nachbarstaaten. Tumultuirende Hausen rotten sich
zusammen und Herr Fischer eilt, ohne Erlaubniß seiner Negierung abzuwarten,
sofort nach Trier, um preußische Truppen zum Einrücken zu bewegen. Von
den preußischen Behörden wurde ihm dieses Ansuchen abgeschlagen, Herr Fischer
bleibt in Trier, statt in das Fürstenthum zurückzukehren und wartet auf einen
Exceß von dort, um mit preußischen Truppen einzumarschiren. Von Trier aus
schreibt er dem Großherzog, daß nach seiner Meinung in solchen Zeiten die
Dienstpflicht gebiete, „in Beziehung auf Gewaltmaßregeln Wagnisse aus eigne
Hand zu nehmen und wenn der Erfolg mißlinge, in unbefleckter Treue sich
sür den Herrn zu opfern." Ach, aber er erhält keine Antwort, wol aber macht


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[0252] ein von Rothschild angebotenes Geschenk von 10,000 Gulden nicht angenom¬ men habe. Obgleich nun Herr Fischer der Ansicht ist, daß er die Finanzen des fürstlichen Hauses in glänzender Weise geordnet habe, so gibt er doch schonend zu, daß ein gewisser Eigensinn von seiner Seite und der Wunsch nach freierer Bewegung auf der andern allmälig eine Lösung dieses Dienst¬ verhältnisses herbeigeführt habe, leider in einer sein Gemüth wieder tief ver¬ letzenden Weise. Er findet einen dritten Herrn, Er tritt im Jahre 1831 in oldenbürgische Dienste, verfertigt dort eifrige Denkschriften an den Großherzog über die Dring¬ lichkeit einer ständischen Verfassung sür das Land und wird als Regierungs¬ präsident des Fürstenthums Birkenfeld angestellt. Dort regiert er patriarcha¬ lisch bis zum Jahre 1848. Da er bemerkt, daß die Landwirthschaft in dem Ländchen auf sehr niedriger Stufe steht, so wirft er sich mit Feuer auf landwirt¬ schaftliche Belehrung. Er selbst versteht nichts vom Landbau, aber er geht mit gemüthlicher Sicherheit an die Gründung und Redaction einer landwirtschaft¬ lichen Zeitung. Noch mehr, er kauft selbst ein Gut von circa 300 Morgen, um, wie er sagt, durch eignen Betrieb sich die nöthigen Kenntnisse zu erwerben. Leider verfolgt ihn auch hier, was er sein Märtyrthum nennt, und was andere die natürlichen Folgen unverständigen und übereilten Handelns nennen werden. Er benutzt seine Stellung, um aus öffentlichen Geldern ein Capital aus sein Gut zu erhalten, aber er hat nicht die Fähigkeit, das Gut zu administriren, er begeht das am meisten Thörichte, was ein Geschäftsmann begehen kann, er associirt sich einen Miteigenthümer; wieder hat er das. Ungeschick, eine, wie er sagt, schlechte Wahl zu treffen; das Gut wird endlich verkauft, er hat wieder das Ungeschick, einen zahlungsunfähigen Käufer zu wählen. ' Der Käufer läßt ihn im Stich, die Hypothekengläubiger bestehen auf Auspfändung Fischers, grade zu der Zeit, wo er in Lippe Minister ist und jetzt ist seine größte Sorge, daß sie ihm sechs silberne Leuchter wegnehmen werden, die ihm einmal ein Fürst geschenkt. Im Jahre 1848 entdeckt Fischer zu seinem größten Erstaunen, daß das von ihm sür so zufrieden gehaltene Ländchen ganz von demselben Schwin¬ del ergriffen wird, wie die Nachbarstaaten. Tumultuirende Hausen rotten sich zusammen und Herr Fischer eilt, ohne Erlaubniß seiner Negierung abzuwarten, sofort nach Trier, um preußische Truppen zum Einrücken zu bewegen. Von den preußischen Behörden wurde ihm dieses Ansuchen abgeschlagen, Herr Fischer bleibt in Trier, statt in das Fürstenthum zurückzukehren und wartet auf einen Exceß von dort, um mit preußischen Truppen einzumarschiren. Von Trier aus schreibt er dem Großherzog, daß nach seiner Meinung in solchen Zeiten die Dienstpflicht gebiete, „in Beziehung auf Gewaltmaßregeln Wagnisse aus eigne Hand zu nehmen und wenn der Erfolg mißlinge, in unbefleckter Treue sich sür den Herrn zu opfern." Ach, aber er erhält keine Antwort, wol aber macht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/252>, abgerufen am 29.06.2024.