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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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ihm die Polizei in Trier bemerkbar, daß seine Abreise von dort wünschenswert!)
sei. Statt nach Birkenseld ans seinen Posten zu gehen, wohin er grade jetzt
doch am meisten gehörte, fährt er nach Oldenburg; er kommt aber nur bis
Bremen, denn auch Oldenburg ist von der Revolution ergriffen. Der leiden¬
schaftliche Mann wird in Bremen ans mehre Monate krank, "doch konnte mich
das nicht abhalten/ durch Briefe den Großherzog von Zeit zu Zeit mit Rath
zu unterstützen." Unterdeß wird er von Oldenburg auf Wartegeld gestellt und
wie er an einer andern Stelle andeutet, des Landes verwiesen. Die dadurch
erlangte Muse benutzt er zu schriftstellerischen Arbeiten, welche ihm wieder in
dem bewegten Jahre manche persönliche Unannehmlichkeiten eintragen. Er schreibt
für den Patrimonialstaat, er schreibt für den Adel und verfertigt die öfter er¬
wähnte Beschwerdeschrift für die Sachsen-gothaische Ritterschaft, ja er wird durch
seinen eifrigen Thätigkeitstrieb zuletzt sogar dahin gebracht, für die Jesuiten
zu schreiben. Von allen diesen Arbeiten fand er schlechten Lohn, die Broschüre
über den Patrimonialstaat wollte kein Verleger nehmen, ja niemand gratis ver¬
theilen; die Schrift für die dynastischen Rechte des Adels fand beim Adel
selbst keinen Anklang und wurde sogar von ihm nicht gekauft, seine Nechts-
schrist für die Sachsen-gothaische Ritterschaft wurde in der neusten Zeit verhäng-
nißvoll für ihn; seine Vertheidigung der Jesuiten wurde im protestantischen
Deutschland, wo man Notiz davon nahm, mit Achselzucken gelesen und in
Oestreich wollte man sie merkwürdigerweise gar nicht zulassen.

Unterdessen war er rastlos bemüht, wieder die Thätigkeit zu gewinnen,
sür die er sich vorzugsweise geeignet hielt, eine staatsmännische. Die Wahlen
Zum Erfurter Volkshaus werden ausgeschrieben. Er tritt in Sondershausen
als Kandidat aus; man versichert ihm,-daß er der dortigen Stimmen sicher sei
und räth ihm in den andern Landestheil, nach Arnstadt zu gehen und sich
auch um die dortigen Stimmen zu bewerben. Er geht, er hält wieder eine
gemüthvolle Rede, alle Stimmen fallen ihm zu, er kehrt mit der frohen Bot¬
schaft nach Sondershausen zurück, der Wahldirigent dort sieht ihn starr an
und sagt: "Sie irren sich, Sie bekommen die Arnstcidter Wahlstimmen nicht
und auch bei uns keine einzige." Unruhig treibt er, die Anstellung suchend, in
verschiedenen Städten umher und wieder hat er das Unglück, mit der Polizei
in Conflicte zu kommen, die von Frankfurt a. M. behandelt ihn schlecht, er
muß in Person auf dem Bureau erscheinen und seinen Heimathsjchein vor¬
zeigen und seinen Versicherungen will sie nicht einmal Glauben schenken. Doch
setzt er endlich eine Beschäftigung in Frankfurt durch, seine Persönlichkeit
empfiehlt sich zu der verhaßten Arbeit, die deutsche Flotte zu verkaufen. Die
oldenburgische Regierung protestirt gegen den Verkauf und verbietet ihm, ver
noch ein Wartegeld von 1300 Thalern aus Oldenburg bezieht, das Kommissa¬
riat anzunehmen. Der eitle Mann aber, zu glücklich, diese wenig beneivenS-


ihm die Polizei in Trier bemerkbar, daß seine Abreise von dort wünschenswert!)
sei. Statt nach Birkenseld ans seinen Posten zu gehen, wohin er grade jetzt
doch am meisten gehörte, fährt er nach Oldenburg; er kommt aber nur bis
Bremen, denn auch Oldenburg ist von der Revolution ergriffen. Der leiden¬
schaftliche Mann wird in Bremen ans mehre Monate krank, „doch konnte mich
das nicht abhalten/ durch Briefe den Großherzog von Zeit zu Zeit mit Rath
zu unterstützen." Unterdeß wird er von Oldenburg auf Wartegeld gestellt und
wie er an einer andern Stelle andeutet, des Landes verwiesen. Die dadurch
erlangte Muse benutzt er zu schriftstellerischen Arbeiten, welche ihm wieder in
dem bewegten Jahre manche persönliche Unannehmlichkeiten eintragen. Er schreibt
für den Patrimonialstaat, er schreibt für den Adel und verfertigt die öfter er¬
wähnte Beschwerdeschrift für die Sachsen-gothaische Ritterschaft, ja er wird durch
seinen eifrigen Thätigkeitstrieb zuletzt sogar dahin gebracht, für die Jesuiten
zu schreiben. Von allen diesen Arbeiten fand er schlechten Lohn, die Broschüre
über den Patrimonialstaat wollte kein Verleger nehmen, ja niemand gratis ver¬
theilen; die Schrift für die dynastischen Rechte des Adels fand beim Adel
selbst keinen Anklang und wurde sogar von ihm nicht gekauft, seine Nechts-
schrist für die Sachsen-gothaische Ritterschaft wurde in der neusten Zeit verhäng-
nißvoll für ihn; seine Vertheidigung der Jesuiten wurde im protestantischen
Deutschland, wo man Notiz davon nahm, mit Achselzucken gelesen und in
Oestreich wollte man sie merkwürdigerweise gar nicht zulassen.

Unterdessen war er rastlos bemüht, wieder die Thätigkeit zu gewinnen,
sür die er sich vorzugsweise geeignet hielt, eine staatsmännische. Die Wahlen
Zum Erfurter Volkshaus werden ausgeschrieben. Er tritt in Sondershausen
als Kandidat aus; man versichert ihm,-daß er der dortigen Stimmen sicher sei
und räth ihm in den andern Landestheil, nach Arnstadt zu gehen und sich
auch um die dortigen Stimmen zu bewerben. Er geht, er hält wieder eine
gemüthvolle Rede, alle Stimmen fallen ihm zu, er kehrt mit der frohen Bot¬
schaft nach Sondershausen zurück, der Wahldirigent dort sieht ihn starr an
und sagt: „Sie irren sich, Sie bekommen die Arnstcidter Wahlstimmen nicht
und auch bei uns keine einzige." Unruhig treibt er, die Anstellung suchend, in
verschiedenen Städten umher und wieder hat er das Unglück, mit der Polizei
in Conflicte zu kommen, die von Frankfurt a. M. behandelt ihn schlecht, er
muß in Person auf dem Bureau erscheinen und seinen Heimathsjchein vor¬
zeigen und seinen Versicherungen will sie nicht einmal Glauben schenken. Doch
setzt er endlich eine Beschäftigung in Frankfurt durch, seine Persönlichkeit
empfiehlt sich zu der verhaßten Arbeit, die deutsche Flotte zu verkaufen. Die
oldenburgische Regierung protestirt gegen den Verkauf und verbietet ihm, ver
noch ein Wartegeld von 1300 Thalern aus Oldenburg bezieht, das Kommissa¬
riat anzunehmen. Der eitle Mann aber, zu glücklich, diese wenig beneivenS-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/253>, abgerufen am 26.06.2024.