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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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ja er erhielt eine Einladung zur Tafel, und als er selbst den Herzog darauf
aufmerksam macht, daß seine Rangverhältnisse ihn zu einer solchen Ehre nicht
berechtigten, da'gibt ihm der Fürst die Hand. Und dieser Händedruck macht
alles gut. Herr Fischer hat seit der Zeit das Schicksal gehabt, mit mehren
Fürsten in Geschäftsverbindung zu treten, aber für keinen hegt er so aufrich¬
tige Pietät, als für den, der entschieden hat, daß seine bürgerliche Ehre ge¬
ringer sei, als die eines Edelmanns, und der nach sieben Jahren der
Zurücksetzung die Gnade hat, ihm mit einigen Phrasen ein Mittagsessen
anzubieten. Das ist kläglich. -- Daß er endlich nach neuen Kämpfen die
Bestätigung als Landrath erhält, nennt der selbstgenugsame Mann einen
Triumph. Aber sein widriges Geschick bereitet ihm eine neue Chicane. jEr
wird nun als Schiedsrichter nach dem Städtchen Eisfeld geschickt, wo Ma¬
gistrat und Bürgerschaft miteinander hadern. Dort hat er das Unglück, die
Unzufriedenheit der Bürgerschaft zu erregen, ein großer Theil derselben steht
"mit einer an Wuth grenzenden Besoffenheit" bereit, ihn zu mißhandeln, er
ergreift eine Papierscheere und steckt sie in den Rockärmel, tritt tapfer den Un¬
zufriedenen entgegen und ihm geschieht nichts zu Leide. Dennoch reist er auf der
Stelle ab, kommt in Militärbegleitung wieder, läßt etwa zehn Rädelsführer
auf Wagen schließen. Die Bürgerschaft versammelt sich bewaffnet, er läßt
scharf laden, die Arrestanten werden abgeführt. Der nächste Tag ist ein
Charfreitag, er geht in die Kirche und blickt mit Thränen zum Tisch
des Herrn, sein Herz ist frei von Haß und Rache. Den Tag daraus ver¬
sammelt er die Bürgerschaft und hält ihr in überströmenden Gefühl eine sehr
schöne und wirksame Rede. Er erweicht die harten Herzen. Da aber treten
wie grinsendem Hohn die abgeführten Rädelsführer des Tumults wieder zu ihm
in das Zimmer, man hat sie in der Residenz freigegeben und er muß seinen
Feinden das Feld räumen und als er selbst nach der Residenz zurückkehrt,
dankt ihm niemand seine Mühe, ja man ist sogar mit ihm unzufrieden und
er empfindet das "Märtyrerthum eines in den tiefsten Gefühlen verwundeten
Gemüths."

Diese und viele andere Quälereien brachten ihn dazu, nach der Auflösung
des Fürstenthums Hildburghausen einen andern Dienst zu suchen. Er geht
in den Dienst des mediatisirten Fürsten zu Leiningen. Dort soll er den ver¬
wirrten Finanzzustand ordnen. Eine sehr schwierige Arbeit, wobei er in der
Lage ist, jedermann vor den Kops zu stoßen. Er entwirft einen Operations¬
plan und erlebt das Unglück, daß ihn z. B. der Baron Rothschild öffentlich
an der Börse zu Frankfurt auf den Grund der ihm vertrauten finanziellen
Principien für verrückt erklärt, aber sechs Jahre darauf hat er wieder die Freude,
daß Baron von Rothschild ,,so freundlich" ist, diese Verrücktheitserklärung da¬
hin zu modificiren, Fischer sei nur in einem Punkte verrückt gewesen, daß er


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ja er erhielt eine Einladung zur Tafel, und als er selbst den Herzog darauf
aufmerksam macht, daß seine Rangverhältnisse ihn zu einer solchen Ehre nicht
berechtigten, da'gibt ihm der Fürst die Hand. Und dieser Händedruck macht
alles gut. Herr Fischer hat seit der Zeit das Schicksal gehabt, mit mehren
Fürsten in Geschäftsverbindung zu treten, aber für keinen hegt er so aufrich¬
tige Pietät, als für den, der entschieden hat, daß seine bürgerliche Ehre ge¬
ringer sei, als die eines Edelmanns, und der nach sieben Jahren der
Zurücksetzung die Gnade hat, ihm mit einigen Phrasen ein Mittagsessen
anzubieten. Das ist kläglich. — Daß er endlich nach neuen Kämpfen die
Bestätigung als Landrath erhält, nennt der selbstgenugsame Mann einen
Triumph. Aber sein widriges Geschick bereitet ihm eine neue Chicane. jEr
wird nun als Schiedsrichter nach dem Städtchen Eisfeld geschickt, wo Ma¬
gistrat und Bürgerschaft miteinander hadern. Dort hat er das Unglück, die
Unzufriedenheit der Bürgerschaft zu erregen, ein großer Theil derselben steht
„mit einer an Wuth grenzenden Besoffenheit" bereit, ihn zu mißhandeln, er
ergreift eine Papierscheere und steckt sie in den Rockärmel, tritt tapfer den Un¬
zufriedenen entgegen und ihm geschieht nichts zu Leide. Dennoch reist er auf der
Stelle ab, kommt in Militärbegleitung wieder, läßt etwa zehn Rädelsführer
auf Wagen schließen. Die Bürgerschaft versammelt sich bewaffnet, er läßt
scharf laden, die Arrestanten werden abgeführt. Der nächste Tag ist ein
Charfreitag, er geht in die Kirche und blickt mit Thränen zum Tisch
des Herrn, sein Herz ist frei von Haß und Rache. Den Tag daraus ver¬
sammelt er die Bürgerschaft und hält ihr in überströmenden Gefühl eine sehr
schöne und wirksame Rede. Er erweicht die harten Herzen. Da aber treten
wie grinsendem Hohn die abgeführten Rädelsführer des Tumults wieder zu ihm
in das Zimmer, man hat sie in der Residenz freigegeben und er muß seinen
Feinden das Feld räumen und als er selbst nach der Residenz zurückkehrt,
dankt ihm niemand seine Mühe, ja man ist sogar mit ihm unzufrieden und
er empfindet das „Märtyrerthum eines in den tiefsten Gefühlen verwundeten
Gemüths."

Diese und viele andere Quälereien brachten ihn dazu, nach der Auflösung
des Fürstenthums Hildburghausen einen andern Dienst zu suchen. Er geht
in den Dienst des mediatisirten Fürsten zu Leiningen. Dort soll er den ver¬
wirrten Finanzzustand ordnen. Eine sehr schwierige Arbeit, wobei er in der
Lage ist, jedermann vor den Kops zu stoßen. Er entwirft einen Operations¬
plan und erlebt das Unglück, daß ihn z. B. der Baron Rothschild öffentlich
an der Börse zu Frankfurt auf den Grund der ihm vertrauten finanziellen
Principien für verrückt erklärt, aber sechs Jahre darauf hat er wieder die Freude,
daß Baron von Rothschild ,,so freundlich" ist, diese Verrücktheitserklärung da¬
hin zu modificiren, Fischer sei nur in einem Punkte verrückt gewesen, daß er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/251>, abgerufen am 01.07.2024.