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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Wind, der von der Kropphaide herausweht, in den Wipfeln eines hochstämmi¬
gen Waldes.

Welche Rolle das Dannewerk in den letzten Kriegen mit Dänemark ge¬
spielt hat, daß es in dem Treffen bei Schleswig, am 23. April -I8i8, nach
tapferer Gegenwehr von den Preußen erstürmt wurde und daß es später, als
durch Willisens Energielosigkeit Schleswig verloren worden, ,das Centrum der
dänischen Stellung bildete, ist bekannt.

Die Phantasie des Volkes hat den alten Wall mit zahlreichen gespenstigen
Gestalten bevölkert, die zum Theil an historische Persönlichkeiten, zum Theil
an mythische Wesen anklingen. Dieselbe Göttin, die im südlicher gelegenen
Deutschland am Oster- oder am Pfingstmorgen hier und da ihrer unterirdi¬
schen Behausung entsteigt, und die ihr begegnenden Glücklichen beschenkt, kämmt
auf der Thvraburg noch jetzt bisweilen, in eine Königin oder Prinzessin ver¬
wandelt, ihr goldenes Haar. In einem andern Theile des DannewerkeS,
dem sogenannten Krummwalle, läßt sich alle sieben Jahre eine silberne
Tafel, besetzt mit goldenen Tellern, Schüsseln und Kannen sehen. Wer sie
aber holen will, der wird durch die Erscheinung eines feurigen Mannes mit
großen schrecklichen Augen verjagt, welcher auf einem glühenden Stuhle sitzt.
In einem Hügel bei Kurburg soll König Dan mit seinem Throne und seinem
Leibrysse begraben sein. In einem andern, nicht weit entfernten Hünengrabe
liegt ein deutscher Fürst, den die Königin Margaretha, der Sage zufolge, im
Zweikampf durch Truglist tödtete.

, Endlich ist es diese Fürstin selbst, welche der Aberglaube an das Danne¬
werk und seine Umgebung gebannt sein läßt. Sie war bekanntlich ein männ¬
liches^ willenskräftiges Weib, welches in schwierigen Zeiten das Reich Däne¬
mark mit Klugheit und Energie regierte und die Vereinigung der scandinavi-
schen Länder zu Stande brachte. Demungeachtet weiß die Sage in Dänemark
nur wenig von ihr zu erzählen. Destomehr hat sich ihr Andenken in Schles¬
wig erhalten, wo sie mit wechselndem Glück gegen die holsteinischen Grafen
Krieg führte und das verfallene Dannewerk wieder befestigte, welches nach
ihr auch Margarethenwall genannt wird. Liebling des Volkes, wurde sie aber
auch hier nicht. Ihre dunkle Gesichtsfarbe, die ihr in Dänemark den Namen
"Sorte Grete" zuzog, ihre schwarze Wittwentracht, ihr hastiges, ungestümes
Wesen, nach dem sie "Spraenghest" genannt wurde, die Strenge, die sie allent¬
halben bewies, die schweren Arbeiten, die sie auferlegte (man sagt, die Soldaten,
welche beim Bau des Dannewerks. beschäftigt waren, hätten die Erde dazu in
ihren Helmen herzutragen müssen), ganz besonders aber ihr unweiblicher Sinn
mißfielen dem Volke. Dieses sagte ihr allerlei Ruchlosigkeiten nach, beschuldigte
sie, sich bei Ausführung jener Befestigung des Beistands böser Geister bedient
zu haben, und ließ sie dafür an dem Orte des Frevels spuken. Man sieht sie


Wind, der von der Kropphaide herausweht, in den Wipfeln eines hochstämmi¬
gen Waldes.

Welche Rolle das Dannewerk in den letzten Kriegen mit Dänemark ge¬
spielt hat, daß es in dem Treffen bei Schleswig, am 23. April -I8i8, nach
tapferer Gegenwehr von den Preußen erstürmt wurde und daß es später, als
durch Willisens Energielosigkeit Schleswig verloren worden, ,das Centrum der
dänischen Stellung bildete, ist bekannt.

Die Phantasie des Volkes hat den alten Wall mit zahlreichen gespenstigen
Gestalten bevölkert, die zum Theil an historische Persönlichkeiten, zum Theil
an mythische Wesen anklingen. Dieselbe Göttin, die im südlicher gelegenen
Deutschland am Oster- oder am Pfingstmorgen hier und da ihrer unterirdi¬
schen Behausung entsteigt, und die ihr begegnenden Glücklichen beschenkt, kämmt
auf der Thvraburg noch jetzt bisweilen, in eine Königin oder Prinzessin ver¬
wandelt, ihr goldenes Haar. In einem andern Theile des DannewerkeS,
dem sogenannten Krummwalle, läßt sich alle sieben Jahre eine silberne
Tafel, besetzt mit goldenen Tellern, Schüsseln und Kannen sehen. Wer sie
aber holen will, der wird durch die Erscheinung eines feurigen Mannes mit
großen schrecklichen Augen verjagt, welcher auf einem glühenden Stuhle sitzt.
In einem Hügel bei Kurburg soll König Dan mit seinem Throne und seinem
Leibrysse begraben sein. In einem andern, nicht weit entfernten Hünengrabe
liegt ein deutscher Fürst, den die Königin Margaretha, der Sage zufolge, im
Zweikampf durch Truglist tödtete.

, Endlich ist es diese Fürstin selbst, welche der Aberglaube an das Danne¬
werk und seine Umgebung gebannt sein läßt. Sie war bekanntlich ein männ¬
liches^ willenskräftiges Weib, welches in schwierigen Zeiten das Reich Däne¬
mark mit Klugheit und Energie regierte und die Vereinigung der scandinavi-
schen Länder zu Stande brachte. Demungeachtet weiß die Sage in Dänemark
nur wenig von ihr zu erzählen. Destomehr hat sich ihr Andenken in Schles¬
wig erhalten, wo sie mit wechselndem Glück gegen die holsteinischen Grafen
Krieg führte und das verfallene Dannewerk wieder befestigte, welches nach
ihr auch Margarethenwall genannt wird. Liebling des Volkes, wurde sie aber
auch hier nicht. Ihre dunkle Gesichtsfarbe, die ihr in Dänemark den Namen
„Sorte Grete" zuzog, ihre schwarze Wittwentracht, ihr hastiges, ungestümes
Wesen, nach dem sie „Spraenghest" genannt wurde, die Strenge, die sie allent¬
halben bewies, die schweren Arbeiten, die sie auferlegte (man sagt, die Soldaten,
welche beim Bau des Dannewerks. beschäftigt waren, hätten die Erde dazu in
ihren Helmen herzutragen müssen), ganz besonders aber ihr unweiblicher Sinn
mißfielen dem Volke. Dieses sagte ihr allerlei Ruchlosigkeiten nach, beschuldigte
sie, sich bei Ausführung jener Befestigung des Beistands böser Geister bedient
zu haben, und ließ sie dafür an dem Orte des Frevels spuken. Man sieht sie


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[0234] Wind, der von der Kropphaide herausweht, in den Wipfeln eines hochstämmi¬ gen Waldes. Welche Rolle das Dannewerk in den letzten Kriegen mit Dänemark ge¬ spielt hat, daß es in dem Treffen bei Schleswig, am 23. April -I8i8, nach tapferer Gegenwehr von den Preußen erstürmt wurde und daß es später, als durch Willisens Energielosigkeit Schleswig verloren worden, ,das Centrum der dänischen Stellung bildete, ist bekannt. Die Phantasie des Volkes hat den alten Wall mit zahlreichen gespenstigen Gestalten bevölkert, die zum Theil an historische Persönlichkeiten, zum Theil an mythische Wesen anklingen. Dieselbe Göttin, die im südlicher gelegenen Deutschland am Oster- oder am Pfingstmorgen hier und da ihrer unterirdi¬ schen Behausung entsteigt, und die ihr begegnenden Glücklichen beschenkt, kämmt auf der Thvraburg noch jetzt bisweilen, in eine Königin oder Prinzessin ver¬ wandelt, ihr goldenes Haar. In einem andern Theile des DannewerkeS, dem sogenannten Krummwalle, läßt sich alle sieben Jahre eine silberne Tafel, besetzt mit goldenen Tellern, Schüsseln und Kannen sehen. Wer sie aber holen will, der wird durch die Erscheinung eines feurigen Mannes mit großen schrecklichen Augen verjagt, welcher auf einem glühenden Stuhle sitzt. In einem Hügel bei Kurburg soll König Dan mit seinem Throne und seinem Leibrysse begraben sein. In einem andern, nicht weit entfernten Hünengrabe liegt ein deutscher Fürst, den die Königin Margaretha, der Sage zufolge, im Zweikampf durch Truglist tödtete. , Endlich ist es diese Fürstin selbst, welche der Aberglaube an das Danne¬ werk und seine Umgebung gebannt sein läßt. Sie war bekanntlich ein männ¬ liches^ willenskräftiges Weib, welches in schwierigen Zeiten das Reich Däne¬ mark mit Klugheit und Energie regierte und die Vereinigung der scandinavi- schen Länder zu Stande brachte. Demungeachtet weiß die Sage in Dänemark nur wenig von ihr zu erzählen. Destomehr hat sich ihr Andenken in Schles¬ wig erhalten, wo sie mit wechselndem Glück gegen die holsteinischen Grafen Krieg führte und das verfallene Dannewerk wieder befestigte, welches nach ihr auch Margarethenwall genannt wird. Liebling des Volkes, wurde sie aber auch hier nicht. Ihre dunkle Gesichtsfarbe, die ihr in Dänemark den Namen „Sorte Grete" zuzog, ihre schwarze Wittwentracht, ihr hastiges, ungestümes Wesen, nach dem sie „Spraenghest" genannt wurde, die Strenge, die sie allent¬ halben bewies, die schweren Arbeiten, die sie auferlegte (man sagt, die Soldaten, welche beim Bau des Dannewerks. beschäftigt waren, hätten die Erde dazu in ihren Helmen herzutragen müssen), ganz besonders aber ihr unweiblicher Sinn mißfielen dem Volke. Dieses sagte ihr allerlei Ruchlosigkeiten nach, beschuldigte sie, sich bei Ausführung jener Befestigung des Beistands böser Geister bedient zu haben, und ließ sie dafür an dem Orte des Frevels spuken. Man sieht sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/234>, abgerufen am 15.01.2025.