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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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daher des Nachts häufig zwischen der Oldenburg bei Haddcby und dem Ende
des Walles bei Hollingstedt in ihrem schwarzen Kleide, aus einem weißen Zelter
sitzend und gefolgt von weißen Gestalten über das Dannewerk hinjagen. Hat
jemand ans dem Damme Pflanzungen angelegt, so verwüstet sie dieselben; denn
sie mag es nicht leiden, daß man mit dem Pfluge über die Schanze geht, die
sie zur Vertheidigung des Reichs aufgeworfen hat.

Noch im Jahre 1816- ist sie in dieser Gestalt einer Magd erschienen,
welche dort Kartoffeln ausgrub. Seitdem aber hat sie sich wol nicht wieder
blicken lassen; denn als ich die Strecke von Bustorf bis zum Seller Noor be¬
suchte, fand ich den größten Theil derselben in Fruchtfelder verwandelt. Es
wäre in der That auch schlimm sür die Leute, sich beim Betrieb ihrer Angelegen¬
heiten noch von gespenstischen Dänen hineinreden zu lassen, wo die Dänen
von Fleisch und Bein ihnen das Leben schon sauer genug machen.

Hart hinter dem Dannewerk führt die Chaussee durch die stattlichen Ge¬
höfte von Bustorf, zwischen denen sich rechts hin und wieder Durchblicke auf das
Thal der Schlei und die am Nordufer derselben gelegenen Theile von Schles¬
wig öffnen. Ein Damm, der einen links sich zwischen grünen Hügeln hin¬
ziehenden Teich von den feuchten Wiesen an der Schlei trennt, bildet den
Zugang zu der Stadt selbst. Am Thorhause hielten dänische Dragoner Wache.
Am Gestade des Teichs erhebt sich über dem Grabe der Dänen, die um Treffen
des 23. April 1848 fielen, ein Obelisk.

Ich werde Ihnen nun in der Kürze zunächst die äußere Gestalt und
Physiognomie, die Lage, die interessanteren öffentlichen Gebäude und Anstalten
Schleswigs zu schildern versuchen und im nächsten Briefe die Resultate meiner
Erkundigungen nach den Zuständen und Verhältnissen mittheilen.

Schleswig ist eine der ältesten Städte Norddeutschlands. Sein Ursprung ver¬
liert sich in der Zeit der Sagen. Früher eine Hauptopferstätte der Angeln, vielleicht
auch der Wohnplatz ihrer Könige, woraus wenigstens eine Stelle im Beowulf
hindeutet, war es im neunten Jahrhundert einer der wichtigsten Stapelplätze auf
der Handelsstraße zwischen England und den baltischen Reichen- Daß es in den
ältesten Urkunden häufig auch Hatheby oder Haidebu genannt wird, scheint
die Vermuthung zu rechtfertigen, daß es in der Urzeit nicht auf dem nörd¬
lichen, sondern auf dem südlichen Ufer der Schlei gelegen habe, wo noch jetzt
unter einem Hügel mit den Trümmern der Burg der deutschen Markgrafen
das Dörfchen Haddeby mit seiner alterthümlichen Kirche steht. Im Mittel¬
alter muß Schleswig als Wohnsitz der Herzöge, die hier mehre Burgen
hatten, sowie der Bischöfe, welche außer dem Dome verschiedene kleinere Kirchen
und eine Anzahl von Klöstern und Kapellen erbauten, einen stattlichen An¬
blick gewährt haben und zugleich ein lebhafter Ort gewesen sein. Gegenwärtig
und schon seit geraumer Zeit kann man es weder stattlich noch lebhaft nennen.


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daher des Nachts häufig zwischen der Oldenburg bei Haddcby und dem Ende
des Walles bei Hollingstedt in ihrem schwarzen Kleide, aus einem weißen Zelter
sitzend und gefolgt von weißen Gestalten über das Dannewerk hinjagen. Hat
jemand ans dem Damme Pflanzungen angelegt, so verwüstet sie dieselben; denn
sie mag es nicht leiden, daß man mit dem Pfluge über die Schanze geht, die
sie zur Vertheidigung des Reichs aufgeworfen hat.

Noch im Jahre 1816- ist sie in dieser Gestalt einer Magd erschienen,
welche dort Kartoffeln ausgrub. Seitdem aber hat sie sich wol nicht wieder
blicken lassen; denn als ich die Strecke von Bustorf bis zum Seller Noor be¬
suchte, fand ich den größten Theil derselben in Fruchtfelder verwandelt. Es
wäre in der That auch schlimm sür die Leute, sich beim Betrieb ihrer Angelegen¬
heiten noch von gespenstischen Dänen hineinreden zu lassen, wo die Dänen
von Fleisch und Bein ihnen das Leben schon sauer genug machen.

Hart hinter dem Dannewerk führt die Chaussee durch die stattlichen Ge¬
höfte von Bustorf, zwischen denen sich rechts hin und wieder Durchblicke auf das
Thal der Schlei und die am Nordufer derselben gelegenen Theile von Schles¬
wig öffnen. Ein Damm, der einen links sich zwischen grünen Hügeln hin¬
ziehenden Teich von den feuchten Wiesen an der Schlei trennt, bildet den
Zugang zu der Stadt selbst. Am Thorhause hielten dänische Dragoner Wache.
Am Gestade des Teichs erhebt sich über dem Grabe der Dänen, die um Treffen
des 23. April 1848 fielen, ein Obelisk.

Ich werde Ihnen nun in der Kürze zunächst die äußere Gestalt und
Physiognomie, die Lage, die interessanteren öffentlichen Gebäude und Anstalten
Schleswigs zu schildern versuchen und im nächsten Briefe die Resultate meiner
Erkundigungen nach den Zuständen und Verhältnissen mittheilen.

Schleswig ist eine der ältesten Städte Norddeutschlands. Sein Ursprung ver¬
liert sich in der Zeit der Sagen. Früher eine Hauptopferstätte der Angeln, vielleicht
auch der Wohnplatz ihrer Könige, woraus wenigstens eine Stelle im Beowulf
hindeutet, war es im neunten Jahrhundert einer der wichtigsten Stapelplätze auf
der Handelsstraße zwischen England und den baltischen Reichen- Daß es in den
ältesten Urkunden häufig auch Hatheby oder Haidebu genannt wird, scheint
die Vermuthung zu rechtfertigen, daß es in der Urzeit nicht auf dem nörd¬
lichen, sondern auf dem südlichen Ufer der Schlei gelegen habe, wo noch jetzt
unter einem Hügel mit den Trümmern der Burg der deutschen Markgrafen
das Dörfchen Haddeby mit seiner alterthümlichen Kirche steht. Im Mittel¬
alter muß Schleswig als Wohnsitz der Herzöge, die hier mehre Burgen
hatten, sowie der Bischöfe, welche außer dem Dome verschiedene kleinere Kirchen
und eine Anzahl von Klöstern und Kapellen erbauten, einen stattlichen An¬
blick gewährt haben und zugleich ein lebhafter Ort gewesen sein. Gegenwärtig
und schon seit geraumer Zeit kann man es weder stattlich noch lebhaft nennen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/235>, abgerufen am 15.01.2025.