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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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von Pastoren wirkenden, dänischen Landvögte und Polizeiverwalter bilde und
nach Kundgebungen Schleswig-holsteinischer Gesinnung umherspionire, so ist der
Schluß wol ziemlich gerechtfertigt, eS sei mit Errichtung des Instituts im
Ganzen und Großen nur eine mildere Form der Besetzung des Landes mit
dänischen Soldaten und eine bequemere Handhabe zur Danistrung des Herzog-
thums beabsichtigt worden.

Die Entfernung der Stadt Schleswig von der Station beim Klosterkrug
beträgt eine halbe Meile. Warum man die Bahn nicht näher an der Stadt
vorbeiführte, ist nicht wol abzusehen und vielleicht haben diejenigen Recht, welche
behaupten, es sei aus Abneigung gegen das "Hauptnest der Aufrührer"
unterblieben. Sei dem aber, wie ihm wolle, die Schleswiger stehen im Be¬
griffe, sich die ihnen bisher vorenthaltenen Vortheile durch Anlegung einer
Zweigbahn zu verschaffen und die Concession dazu wird ihnen auf die Dauer
nicht verweigert werden können.

Der Weg nach der Stadt führt durch eine Lücke im Dannewerk, das sich
als ein grasbewachsener, an manchen Stellen noch gegen 40 Fuß hoher Erd¬
wall auf der Ebene erhebt. Dieses alte Grenzbollwerk Dänemarks, nach einigen
von dem Könige Gottfried zur Zeit Karls des Großen, nach andern von der
Königin Thyra Danebod, der Gemahlin Görms des Alten, nach dem steg¬
reichen Zuge Kaiser Heinrichs l. angelegt, nach einer richtigeren Ansicht aber
von Gottfried begonnen, von Thyra erweitert und von Waldemar I. und der
schwarzen Margarethe bis zu seiner gegenwärtigen Ausdehnung fortgeführt,
hat in den Kriegen zwischen Deutschland und Dänemark eine wichtige Rolle
gespielt. Harald Blauzahn trotzte hinter ihm eine Zeitlang dem Kaiser Otto II.,
der mit einem großen Heere heranzog, um die Dänen mit Waffengewalt dem
Kreuze zu unterwerfen. Kund VI. vertheidigte es mit Glück gegen Friedrich Barba¬
rossa. Es zieht sich in einer Länge von mehr als zwei Meilen und in der Rich¬
tung von Osten nach Westen hin. Oestlich endigt es an einem Seitenbusen der
Schlei, dem sogenannten Seller Novr, westlich lassen sich seine Spuren bis
in die Nachbarschaft von Hollingstedt verfolgen. Drei Burgen, eine an seinem
östlichen Ende, eine ungefähr in der Mitte und eine im äußersten Westen,
dienten zu seiner Verstärkung. Nur ihre Erdwälle und Gräben bestätigen noch
die Sage, die von ihnen berichtet. Als unter der Königin Margaretha Schles¬
wig von Dänemark getrennt wurde und eigne Herzöge erhielt, ließ man das
Dannewerk als nunmehr bedeutungslos verfallen, die Mauer, welche Walde¬
mar I. vor einem Theile desselben aufgeführt hatte, wurde von den Bauern
der umliegenden Dörfer abgefahren und zum Bau ihrer Häuser und Ställe
verwendet, an andern Punkten chüele allmälig der Pflug den Wall und wo
die Wartthürme und Palissaden der Thyraburg gestanden, rauscht jetzt der


Grenzboten. IV. 1866. 29

von Pastoren wirkenden, dänischen Landvögte und Polizeiverwalter bilde und
nach Kundgebungen Schleswig-holsteinischer Gesinnung umherspionire, so ist der
Schluß wol ziemlich gerechtfertigt, eS sei mit Errichtung des Instituts im
Ganzen und Großen nur eine mildere Form der Besetzung des Landes mit
dänischen Soldaten und eine bequemere Handhabe zur Danistrung des Herzog-
thums beabsichtigt worden.

Die Entfernung der Stadt Schleswig von der Station beim Klosterkrug
beträgt eine halbe Meile. Warum man die Bahn nicht näher an der Stadt
vorbeiführte, ist nicht wol abzusehen und vielleicht haben diejenigen Recht, welche
behaupten, es sei aus Abneigung gegen das „Hauptnest der Aufrührer"
unterblieben. Sei dem aber, wie ihm wolle, die Schleswiger stehen im Be¬
griffe, sich die ihnen bisher vorenthaltenen Vortheile durch Anlegung einer
Zweigbahn zu verschaffen und die Concession dazu wird ihnen auf die Dauer
nicht verweigert werden können.

Der Weg nach der Stadt führt durch eine Lücke im Dannewerk, das sich
als ein grasbewachsener, an manchen Stellen noch gegen 40 Fuß hoher Erd¬
wall auf der Ebene erhebt. Dieses alte Grenzbollwerk Dänemarks, nach einigen
von dem Könige Gottfried zur Zeit Karls des Großen, nach andern von der
Königin Thyra Danebod, der Gemahlin Görms des Alten, nach dem steg¬
reichen Zuge Kaiser Heinrichs l. angelegt, nach einer richtigeren Ansicht aber
von Gottfried begonnen, von Thyra erweitert und von Waldemar I. und der
schwarzen Margarethe bis zu seiner gegenwärtigen Ausdehnung fortgeführt,
hat in den Kriegen zwischen Deutschland und Dänemark eine wichtige Rolle
gespielt. Harald Blauzahn trotzte hinter ihm eine Zeitlang dem Kaiser Otto II.,
der mit einem großen Heere heranzog, um die Dänen mit Waffengewalt dem
Kreuze zu unterwerfen. Kund VI. vertheidigte es mit Glück gegen Friedrich Barba¬
rossa. Es zieht sich in einer Länge von mehr als zwei Meilen und in der Rich¬
tung von Osten nach Westen hin. Oestlich endigt es an einem Seitenbusen der
Schlei, dem sogenannten Seller Novr, westlich lassen sich seine Spuren bis
in die Nachbarschaft von Hollingstedt verfolgen. Drei Burgen, eine an seinem
östlichen Ende, eine ungefähr in der Mitte und eine im äußersten Westen,
dienten zu seiner Verstärkung. Nur ihre Erdwälle und Gräben bestätigen noch
die Sage, die von ihnen berichtet. Als unter der Königin Margaretha Schles¬
wig von Dänemark getrennt wurde und eigne Herzöge erhielt, ließ man das
Dannewerk als nunmehr bedeutungslos verfallen, die Mauer, welche Walde¬
mar I. vor einem Theile desselben aufgeführt hatte, wurde von den Bauern
der umliegenden Dörfer abgefahren und zum Bau ihrer Häuser und Ställe
verwendet, an andern Punkten chüele allmälig der Pflug den Wall und wo
die Wartthürme und Palissaden der Thyraburg gestanden, rauscht jetzt der


Grenzboten. IV. 1866. 29
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/233>, abgerufen am 15.01.2025.