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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Dies Bad ist fast in gleicher Höhe mit dem Hos und wer darin sitzt, kann
durch die Thüre hinaus in den Hof sehen und mancherlei Volk besichtigen.
Wer in dies Bad will, zahlt zum Einzug zwei Doppelvierer oder einen Angster
und drei Kreuzer. Außerdem geben die Mitglieder alle Morgen um sechs Uhr
die Suppe*), der Reihe nach eines um das andere, eines viel, das andere
wenig, je nachdem einer sich sehen lassen will. Obwol vieles Essen und
Trinken in dem Bade nichts nutz ist, so geschieht doch oft, daß viele, die sich
um drei oder vier Uhr in daS Bad setzen, ein supplem nothwendig haben
und nicht länger ohne einen Trunk bleiben können. Doch wäre gut, wenn
darin eine Ordnung eingerichtet und, auf eine Person nicht mehr als ein Maß
Wein gegeben würde, das brächte dem Bad einen bessern Ruf und man dürfte
dann nicht öffentlich schreiben und in Druck geben, hier wäre ein Schlemmer¬
bad, worin die volle Mette gesungen würde. Denn die Badgenossen können
sich nach ihrem Gefallen über diese Sache vereinigen. -- Man betet vor und
nach der Morgcnsuppe und danket dann mit einem kurzweiligen Lied dem Wirth,
daß er lange in Ehren lebe, bis er wieder (ein Frühstück) gibt. Darauf er¬
nennt man den, welchen die Reihe trifft, zum nächsten Wirthe, setzt ihm einen
Kranz auf, und droht ihm in einem Gesänge, man wolle morgen zu ihm kom¬
men, mit Pfeifen und mit Trommeln. Doch setzt man an Sonn- und großen
Feiertagen die gemeinsame Suppe und den Gesang aus.

In diesem Bad wird ein Schultheiß erwählt durch die Mehrhand der
Badgenosseu, desgleichen ein Statthalter, Seckclmeister, Kaplan, Schreiber,
Gvoßweibel, Kalthans, ein Scherge und Nachrichter, die nach der Suppe zum
Gericht zusammensitzen, um Vergehen gegen die Zucht und Ordnung, welche in
diesem oder in den andern Bädern dieses Hofes begangen worden, zu strafen
und abzustellen. Es muß auch ein jeder Badgenosse dem Schultheiß mit
der linken Hand an den Stab geloben, ihm zu gehorchen. Die Bußen,
welche fallen, geben sie den Armen oder zum Wein, oder verzehren sie
miteinander. So geht ihnen der Morgen in Kurzweil hin. Wenn jemand
ausgebadet hat, nimmt er freundlich Urlaub und gibt sein ehrliches Abschieds-
geschenk. "! ,

Das zweite Bad ist das Frauenbad, in welchem allerlei ehrbare Frauen
und Jungfrauen zusammenkommen. In diesem haben auch die Frauen alle
Tage nach der Reihe ihre Wirthin, halten eine fröhliche Suppe, danken der
Wirthin und wählen dann mit dem Kranz und fröhlichem Gesang eine andere,
wie in dem Herrenbad. Sie haben auch eine besondere Seckelmeisterin, welche
in den Seckel ihr Geld und Geschenke nimmt, die sie auch miteinander fteund-
lich verzehren. Wenn aber bei ihnen etwas Ungeschicktes und Strafwürdiges



*) Das Frühstück.

Dies Bad ist fast in gleicher Höhe mit dem Hos und wer darin sitzt, kann
durch die Thüre hinaus in den Hof sehen und mancherlei Volk besichtigen.
Wer in dies Bad will, zahlt zum Einzug zwei Doppelvierer oder einen Angster
und drei Kreuzer. Außerdem geben die Mitglieder alle Morgen um sechs Uhr
die Suppe*), der Reihe nach eines um das andere, eines viel, das andere
wenig, je nachdem einer sich sehen lassen will. Obwol vieles Essen und
Trinken in dem Bade nichts nutz ist, so geschieht doch oft, daß viele, die sich
um drei oder vier Uhr in daS Bad setzen, ein supplem nothwendig haben
und nicht länger ohne einen Trunk bleiben können. Doch wäre gut, wenn
darin eine Ordnung eingerichtet und, auf eine Person nicht mehr als ein Maß
Wein gegeben würde, das brächte dem Bad einen bessern Ruf und man dürfte
dann nicht öffentlich schreiben und in Druck geben, hier wäre ein Schlemmer¬
bad, worin die volle Mette gesungen würde. Denn die Badgenossen können
sich nach ihrem Gefallen über diese Sache vereinigen. — Man betet vor und
nach der Morgcnsuppe und danket dann mit einem kurzweiligen Lied dem Wirth,
daß er lange in Ehren lebe, bis er wieder (ein Frühstück) gibt. Darauf er¬
nennt man den, welchen die Reihe trifft, zum nächsten Wirthe, setzt ihm einen
Kranz auf, und droht ihm in einem Gesänge, man wolle morgen zu ihm kom¬
men, mit Pfeifen und mit Trommeln. Doch setzt man an Sonn- und großen
Feiertagen die gemeinsame Suppe und den Gesang aus.

In diesem Bad wird ein Schultheiß erwählt durch die Mehrhand der
Badgenosseu, desgleichen ein Statthalter, Seckclmeister, Kaplan, Schreiber,
Gvoßweibel, Kalthans, ein Scherge und Nachrichter, die nach der Suppe zum
Gericht zusammensitzen, um Vergehen gegen die Zucht und Ordnung, welche in
diesem oder in den andern Bädern dieses Hofes begangen worden, zu strafen
und abzustellen. Es muß auch ein jeder Badgenosse dem Schultheiß mit
der linken Hand an den Stab geloben, ihm zu gehorchen. Die Bußen,
welche fallen, geben sie den Armen oder zum Wein, oder verzehren sie
miteinander. So geht ihnen der Morgen in Kurzweil hin. Wenn jemand
ausgebadet hat, nimmt er freundlich Urlaub und gibt sein ehrliches Abschieds-
geschenk. »! ,

Das zweite Bad ist das Frauenbad, in welchem allerlei ehrbare Frauen
und Jungfrauen zusammenkommen. In diesem haben auch die Frauen alle
Tage nach der Reihe ihre Wirthin, halten eine fröhliche Suppe, danken der
Wirthin und wählen dann mit dem Kranz und fröhlichem Gesang eine andere,
wie in dem Herrenbad. Sie haben auch eine besondere Seckelmeisterin, welche
in den Seckel ihr Geld und Geschenke nimmt, die sie auch miteinander fteund-
lich verzehren. Wenn aber bei ihnen etwas Ungeschicktes und Strafwürdiges



*) Das Frühstück.
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[0216] Dies Bad ist fast in gleicher Höhe mit dem Hos und wer darin sitzt, kann durch die Thüre hinaus in den Hof sehen und mancherlei Volk besichtigen. Wer in dies Bad will, zahlt zum Einzug zwei Doppelvierer oder einen Angster und drei Kreuzer. Außerdem geben die Mitglieder alle Morgen um sechs Uhr die Suppe*), der Reihe nach eines um das andere, eines viel, das andere wenig, je nachdem einer sich sehen lassen will. Obwol vieles Essen und Trinken in dem Bade nichts nutz ist, so geschieht doch oft, daß viele, die sich um drei oder vier Uhr in daS Bad setzen, ein supplem nothwendig haben und nicht länger ohne einen Trunk bleiben können. Doch wäre gut, wenn darin eine Ordnung eingerichtet und, auf eine Person nicht mehr als ein Maß Wein gegeben würde, das brächte dem Bad einen bessern Ruf und man dürfte dann nicht öffentlich schreiben und in Druck geben, hier wäre ein Schlemmer¬ bad, worin die volle Mette gesungen würde. Denn die Badgenossen können sich nach ihrem Gefallen über diese Sache vereinigen. — Man betet vor und nach der Morgcnsuppe und danket dann mit einem kurzweiligen Lied dem Wirth, daß er lange in Ehren lebe, bis er wieder (ein Frühstück) gibt. Darauf er¬ nennt man den, welchen die Reihe trifft, zum nächsten Wirthe, setzt ihm einen Kranz auf, und droht ihm in einem Gesänge, man wolle morgen zu ihm kom¬ men, mit Pfeifen und mit Trommeln. Doch setzt man an Sonn- und großen Feiertagen die gemeinsame Suppe und den Gesang aus. In diesem Bad wird ein Schultheiß erwählt durch die Mehrhand der Badgenosseu, desgleichen ein Statthalter, Seckclmeister, Kaplan, Schreiber, Gvoßweibel, Kalthans, ein Scherge und Nachrichter, die nach der Suppe zum Gericht zusammensitzen, um Vergehen gegen die Zucht und Ordnung, welche in diesem oder in den andern Bädern dieses Hofes begangen worden, zu strafen und abzustellen. Es muß auch ein jeder Badgenosse dem Schultheiß mit der linken Hand an den Stab geloben, ihm zu gehorchen. Die Bußen, welche fallen, geben sie den Armen oder zum Wein, oder verzehren sie miteinander. So geht ihnen der Morgen in Kurzweil hin. Wenn jemand ausgebadet hat, nimmt er freundlich Urlaub und gibt sein ehrliches Abschieds- geschenk. »! , Das zweite Bad ist das Frauenbad, in welchem allerlei ehrbare Frauen und Jungfrauen zusammenkommen. In diesem haben auch die Frauen alle Tage nach der Reihe ihre Wirthin, halten eine fröhliche Suppe, danken der Wirthin und wählen dann mit dem Kranz und fröhlichem Gesang eine andere, wie in dem Herrenbad. Sie haben auch eine besondere Seckelmeisterin, welche in den Seckel ihr Geld und Geschenke nimmt, die sie auch miteinander fteund- lich verzehren. Wenn aber bei ihnen etwas Ungeschicktes und Strafwürdiges *) Das Frühstück.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/216>, abgerufen am 25.08.2024.