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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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dermaßen mißbrauchen. .Denn es will jedermann schröpfen; und sie vermei¬
nen meistentheils, sie hätten nit gebadet, wenn sie nit voll Hörnlein wie ein
Igel hängen. Und doch wäre ihnen oft viel nützlicher, sich Blut zu dem
ihrigen zuzulaufen. -- ,

An dem Se. Vermabav kommen oft der armen Leute, besonders im
Mai, etliche hundert zusammen. Sie müssen aber vorher nach einer Herberge
umlugen, damit sie ihr Heimwesen haben und nicht auf der Gasse liegen dürfen,
wie denn auch zwei oder drei Herbergen zunächst bei dem Bade vorhanden
sind. Die Armen werden durch frommer Leute Almosen täglich erhalten. Sie
setzen ihre Schüsseln zu Ringe um das Bad aus die Mauer und bleiben im
Bad sitzen, es darf auch keiner seine Schüssel bezeichnen. Dann legt man Geld,
Brot, Wein, Suppe, Fleisch oder anderes in die Schüsseln, und niemand weiß,
wem diese zugehörig sind. Werden vielleicht große Haufen zugetragen, so theilt
der Wächter, der sein Häuslein an dem Bade hat, die Gaben ordentlich aus
und ermahnt die Armen, zu beten und sich dankbar zu erzeigen. Darnach
geht ein jeder heraus und nimmt, was in seiner Schüssel ist. Weil aber oft
hier unter den Rechtschaffenen sich auch viele böse Buben und Lungerer ein¬
mischen, die nicht arbeiten mögen, sondern andern Dürftigen das Brot vor
dem Munde abschneiden, so wäre nothwendig und nützlich, wenn ein jeder
Arme, der sich mit Almosen durchbringen will, einen Schein von seiner Obrig¬
keit brächte, daß er der Sache bedürftig und das Almosen bei ihm wohl an¬
gebracht wäre. Es würden sich dann viele böse Buben schämen. -- Wenn
die Armen etwas gegen Zucht und Ordnung begehen, werden sie von dem
Wächter gestraft und in das Taubhäuslein gesetzt, das unten beim Hause Zum
Schlüssel steht. Wenn ihre Badefahrt nach einem Monat geendet ist, mahnet
der Wächter sie ab und heißet sie je nach Beschaffenheit ihrer Krankheit hin¬
wegziehen, damit andere Leute Platz haben können. Sie müssen ihm auch bei
schwerer Straft gehorchen.

Der Stadthof ist eine große lustige Herberge mit viel schönen Stuben,
Sälen und Gemächern verziert. Daselbst sind zwei große Küchen vorhanden.
Die eine gehört dem Herrn Wirth, aus welcher er die Gäste mit ganzen Mahl-
Zeiten oder mit einzelnen Gerichten nach jedes Bedarf speist. Die andere hat
einen besondern Koch sür alle die, welche selbst einkaufen und ihre Speisen
uach ihrem Belieben zu kochen begehren, denn solches ist einem jeden verstattet.
In diesem Hof sind acht lustige Bäder, unter denen sind fünfe gemeinsam, die
übrigen drei werden gewissen Personen gegen bestimmtes Geld für jede Woche
wie den dazu gehörigen Gemächern verliehen. Das erste ist das Herrenbad,
w welchem Männer, Edle und Nichtadlige, Geistliche und Weltliche, Jung
und Alt, Katholische oder Evangelische ohne alles Disputiren und Zanken
friedfertig und freundlich nach und nach zusammenkommen. --


dermaßen mißbrauchen. .Denn es will jedermann schröpfen; und sie vermei¬
nen meistentheils, sie hätten nit gebadet, wenn sie nit voll Hörnlein wie ein
Igel hängen. Und doch wäre ihnen oft viel nützlicher, sich Blut zu dem
ihrigen zuzulaufen. — ,

An dem Se. Vermabav kommen oft der armen Leute, besonders im
Mai, etliche hundert zusammen. Sie müssen aber vorher nach einer Herberge
umlugen, damit sie ihr Heimwesen haben und nicht auf der Gasse liegen dürfen,
wie denn auch zwei oder drei Herbergen zunächst bei dem Bade vorhanden
sind. Die Armen werden durch frommer Leute Almosen täglich erhalten. Sie
setzen ihre Schüsseln zu Ringe um das Bad aus die Mauer und bleiben im
Bad sitzen, es darf auch keiner seine Schüssel bezeichnen. Dann legt man Geld,
Brot, Wein, Suppe, Fleisch oder anderes in die Schüsseln, und niemand weiß,
wem diese zugehörig sind. Werden vielleicht große Haufen zugetragen, so theilt
der Wächter, der sein Häuslein an dem Bade hat, die Gaben ordentlich aus
und ermahnt die Armen, zu beten und sich dankbar zu erzeigen. Darnach
geht ein jeder heraus und nimmt, was in seiner Schüssel ist. Weil aber oft
hier unter den Rechtschaffenen sich auch viele böse Buben und Lungerer ein¬
mischen, die nicht arbeiten mögen, sondern andern Dürftigen das Brot vor
dem Munde abschneiden, so wäre nothwendig und nützlich, wenn ein jeder
Arme, der sich mit Almosen durchbringen will, einen Schein von seiner Obrig¬
keit brächte, daß er der Sache bedürftig und das Almosen bei ihm wohl an¬
gebracht wäre. Es würden sich dann viele böse Buben schämen. — Wenn
die Armen etwas gegen Zucht und Ordnung begehen, werden sie von dem
Wächter gestraft und in das Taubhäuslein gesetzt, das unten beim Hause Zum
Schlüssel steht. Wenn ihre Badefahrt nach einem Monat geendet ist, mahnet
der Wächter sie ab und heißet sie je nach Beschaffenheit ihrer Krankheit hin¬
wegziehen, damit andere Leute Platz haben können. Sie müssen ihm auch bei
schwerer Straft gehorchen.

Der Stadthof ist eine große lustige Herberge mit viel schönen Stuben,
Sälen und Gemächern verziert. Daselbst sind zwei große Küchen vorhanden.
Die eine gehört dem Herrn Wirth, aus welcher er die Gäste mit ganzen Mahl-
Zeiten oder mit einzelnen Gerichten nach jedes Bedarf speist. Die andere hat
einen besondern Koch sür alle die, welche selbst einkaufen und ihre Speisen
uach ihrem Belieben zu kochen begehren, denn solches ist einem jeden verstattet.
In diesem Hof sind acht lustige Bäder, unter denen sind fünfe gemeinsam, die
übrigen drei werden gewissen Personen gegen bestimmtes Geld für jede Woche
wie den dazu gehörigen Gemächern verliehen. Das erste ist das Herrenbad,
w welchem Männer, Edle und Nichtadlige, Geistliche und Weltliche, Jung
und Alt, Katholische oder Evangelische ohne alles Disputiren und Zanken
friedfertig und freundlich nach und nach zusammenkommen. —


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[0215] dermaßen mißbrauchen. .Denn es will jedermann schröpfen; und sie vermei¬ nen meistentheils, sie hätten nit gebadet, wenn sie nit voll Hörnlein wie ein Igel hängen. Und doch wäre ihnen oft viel nützlicher, sich Blut zu dem ihrigen zuzulaufen. — , An dem Se. Vermabav kommen oft der armen Leute, besonders im Mai, etliche hundert zusammen. Sie müssen aber vorher nach einer Herberge umlugen, damit sie ihr Heimwesen haben und nicht auf der Gasse liegen dürfen, wie denn auch zwei oder drei Herbergen zunächst bei dem Bade vorhanden sind. Die Armen werden durch frommer Leute Almosen täglich erhalten. Sie setzen ihre Schüsseln zu Ringe um das Bad aus die Mauer und bleiben im Bad sitzen, es darf auch keiner seine Schüssel bezeichnen. Dann legt man Geld, Brot, Wein, Suppe, Fleisch oder anderes in die Schüsseln, und niemand weiß, wem diese zugehörig sind. Werden vielleicht große Haufen zugetragen, so theilt der Wächter, der sein Häuslein an dem Bade hat, die Gaben ordentlich aus und ermahnt die Armen, zu beten und sich dankbar zu erzeigen. Darnach geht ein jeder heraus und nimmt, was in seiner Schüssel ist. Weil aber oft hier unter den Rechtschaffenen sich auch viele böse Buben und Lungerer ein¬ mischen, die nicht arbeiten mögen, sondern andern Dürftigen das Brot vor dem Munde abschneiden, so wäre nothwendig und nützlich, wenn ein jeder Arme, der sich mit Almosen durchbringen will, einen Schein von seiner Obrig¬ keit brächte, daß er der Sache bedürftig und das Almosen bei ihm wohl an¬ gebracht wäre. Es würden sich dann viele böse Buben schämen. — Wenn die Armen etwas gegen Zucht und Ordnung begehen, werden sie von dem Wächter gestraft und in das Taubhäuslein gesetzt, das unten beim Hause Zum Schlüssel steht. Wenn ihre Badefahrt nach einem Monat geendet ist, mahnet der Wächter sie ab und heißet sie je nach Beschaffenheit ihrer Krankheit hin¬ wegziehen, damit andere Leute Platz haben können. Sie müssen ihm auch bei schwerer Straft gehorchen. Der Stadthof ist eine große lustige Herberge mit viel schönen Stuben, Sälen und Gemächern verziert. Daselbst sind zwei große Küchen vorhanden. Die eine gehört dem Herrn Wirth, aus welcher er die Gäste mit ganzen Mahl- Zeiten oder mit einzelnen Gerichten nach jedes Bedarf speist. Die andere hat einen besondern Koch sür alle die, welche selbst einkaufen und ihre Speisen uach ihrem Belieben zu kochen begehren, denn solches ist einem jeden verstattet. In diesem Hof sind acht lustige Bäder, unter denen sind fünfe gemeinsam, die übrigen drei werden gewissen Personen gegen bestimmtes Geld für jede Woche wie den dazu gehörigen Gemächern verliehen. Das erste ist das Herrenbad, w welchem Männer, Edle und Nichtadlige, Geistliche und Weltliche, Jung und Alt, Katholische oder Evangelische ohne alles Disputiren und Zanken friedfertig und freundlich nach und nach zusammenkommen. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/215>, abgerufen am 25.08.2024.