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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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vorgeht, zeigen sie es dem Schultheiß und Gericht im Herrenbad an, damit
darüber etwas nach altem Brauch erkannt werd"e. --

In dem dritten Bade, -- dem Kessel, -- kommt allerlei Volk, Frauen,
und Männer, an SO Personen zusammen, sind züchtig und freundlich bei ein¬
ander und jeder ißt, was ihm gefällt und was er vermag. Doch sind auch
diese dem Gericht des Herrenbads unterworfen. Es kann auch jeder aus dem
Herrn- oder Frauenbad in den Kessel gehn. Dagegen dürfen die aus dem
Kesselbad nicht in jene Bäder gehn, außer wenn sie an der Suppe theilnehmen.
Dieses Bad hat eine nützliche Wirkung und werden oft Contracte und Lahme
hineingetragen, welche bald daraus frisch und gerade selbst wieder herausgehen;
wie im Jahr 1577 einem Fräulein von Waldshut geschehen, welche sich nicht
überessen und mit Ordnung gebadet hat. --

Das Markgrafenbad wird besonderen Personen verliehen. Der durch¬
lauchtige hochgeborne Jörg Friedrich, Markgraf zu Brandenburg, ist darin auf
einem Pferde sitzend gemalt, der daselbst im Jahr 1S73 in eigner Person ge¬
badet hat. Wenn ich an dies Bad gedenke, muß ich über einen wunderlichen
Scherz lachen, der darin vorgegangen und der Erzählung werth ist.

In dem erwähnten Jahr hatten Bürgermeister und ein ehrsamer Rath de
löblichen, weitberühmten Stadt Zürich dem hochgebornen Fürsten von Branden¬
burg ein ehrliches Badegeschenk von Wein und Hafer zugesandt und Herrn
Heinrich Lochmann, dem Bannerherrn von Zürich, befohlen, dies zu präsen-
tiren und zu überantworten. ' Als nun dieser mit dem Geschenk zu Baden er¬
schien,, begab sich, daß der Fürst durch das Bad ziemlich erhitzt und schwach
geworden war, so daß er etliche Tage nicht zu der Tasel ging, sondern sich,
in seiner Schlafstube oder im Bad still hielt. Inzwischen befahl er dem Herzog
Johann von Liegnitz und seinen Räthen, die fremden Gäste zu empfangen
und ihnen gut anzuschirren. Als man nun so guter Dinge ward und der
Bannerherr gern den Fürsten sehen wollte, ward ihm angezeigt, der Fürst
nehme jetzt niemand an, sondern halte sich in seiner Schlafstube oder dem
Bade auf. Da schwur der Bannerherr und gelobte bei seiner Ehre, er müsse
von dem Fürsten angenommen werden und wolle morgen, ehe er abreite, wenn
es nicht anders sein sollte, mit Stiefel und Sporn im Bade zu dem Fürsten
treten und ihm seine Hand bieten, damit er seiner Obrigkeit anzeigen könnte,
er habe den Fürsten gesehen. Da ich nun auch an derselben Tafel gesessen
hatte und zu morgen von dem Fürsten aufgefordert war, mit ihm allein zu
baden , habe ich dem Fürsten ehrerbietig angezeigt, was sich bei dem Nachtessen
für Reden zugetragen und was der Bannerherr gedroht. Dabei erzählte.ich
dem Fürsten von dem hohen Alter des Bannerherrn und seinem aufrechten,
tapfern Gemüth, und bat ihn, daß, wenn so etwas geschehe, Sr. Fürstliche
Gnade ihm dies nicht ungnädig aufnähme. Wie wir so zwei Stunden bei-


Grenzboten. IV. 1866. 27

vorgeht, zeigen sie es dem Schultheiß und Gericht im Herrenbad an, damit
darüber etwas nach altem Brauch erkannt werd"e. —

In dem dritten Bade, — dem Kessel, — kommt allerlei Volk, Frauen,
und Männer, an SO Personen zusammen, sind züchtig und freundlich bei ein¬
ander und jeder ißt, was ihm gefällt und was er vermag. Doch sind auch
diese dem Gericht des Herrenbads unterworfen. Es kann auch jeder aus dem
Herrn- oder Frauenbad in den Kessel gehn. Dagegen dürfen die aus dem
Kesselbad nicht in jene Bäder gehn, außer wenn sie an der Suppe theilnehmen.
Dieses Bad hat eine nützliche Wirkung und werden oft Contracte und Lahme
hineingetragen, welche bald daraus frisch und gerade selbst wieder herausgehen;
wie im Jahr 1577 einem Fräulein von Waldshut geschehen, welche sich nicht
überessen und mit Ordnung gebadet hat. —

Das Markgrafenbad wird besonderen Personen verliehen. Der durch¬
lauchtige hochgeborne Jörg Friedrich, Markgraf zu Brandenburg, ist darin auf
einem Pferde sitzend gemalt, der daselbst im Jahr 1S73 in eigner Person ge¬
badet hat. Wenn ich an dies Bad gedenke, muß ich über einen wunderlichen
Scherz lachen, der darin vorgegangen und der Erzählung werth ist.

In dem erwähnten Jahr hatten Bürgermeister und ein ehrsamer Rath de
löblichen, weitberühmten Stadt Zürich dem hochgebornen Fürsten von Branden¬
burg ein ehrliches Badegeschenk von Wein und Hafer zugesandt und Herrn
Heinrich Lochmann, dem Bannerherrn von Zürich, befohlen, dies zu präsen-
tiren und zu überantworten. ' Als nun dieser mit dem Geschenk zu Baden er¬
schien,, begab sich, daß der Fürst durch das Bad ziemlich erhitzt und schwach
geworden war, so daß er etliche Tage nicht zu der Tasel ging, sondern sich,
in seiner Schlafstube oder im Bad still hielt. Inzwischen befahl er dem Herzog
Johann von Liegnitz und seinen Räthen, die fremden Gäste zu empfangen
und ihnen gut anzuschirren. Als man nun so guter Dinge ward und der
Bannerherr gern den Fürsten sehen wollte, ward ihm angezeigt, der Fürst
nehme jetzt niemand an, sondern halte sich in seiner Schlafstube oder dem
Bade auf. Da schwur der Bannerherr und gelobte bei seiner Ehre, er müsse
von dem Fürsten angenommen werden und wolle morgen, ehe er abreite, wenn
es nicht anders sein sollte, mit Stiefel und Sporn im Bade zu dem Fürsten
treten und ihm seine Hand bieten, damit er seiner Obrigkeit anzeigen könnte,
er habe den Fürsten gesehen. Da ich nun auch an derselben Tafel gesessen
hatte und zu morgen von dem Fürsten aufgefordert war, mit ihm allein zu
baden , habe ich dem Fürsten ehrerbietig angezeigt, was sich bei dem Nachtessen
für Reden zugetragen und was der Bannerherr gedroht. Dabei erzählte.ich
dem Fürsten von dem hohen Alter des Bannerherrn und seinem aufrechten,
tapfern Gemüth, und bat ihn, daß, wenn so etwas geschehe, Sr. Fürstliche
Gnade ihm dies nicht ungnädig aufnähme. Wie wir so zwei Stunden bei-


Grenzboten. IV. 1866. 27
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[0217] vorgeht, zeigen sie es dem Schultheiß und Gericht im Herrenbad an, damit darüber etwas nach altem Brauch erkannt werd"e. — In dem dritten Bade, — dem Kessel, — kommt allerlei Volk, Frauen, und Männer, an SO Personen zusammen, sind züchtig und freundlich bei ein¬ ander und jeder ißt, was ihm gefällt und was er vermag. Doch sind auch diese dem Gericht des Herrenbads unterworfen. Es kann auch jeder aus dem Herrn- oder Frauenbad in den Kessel gehn. Dagegen dürfen die aus dem Kesselbad nicht in jene Bäder gehn, außer wenn sie an der Suppe theilnehmen. Dieses Bad hat eine nützliche Wirkung und werden oft Contracte und Lahme hineingetragen, welche bald daraus frisch und gerade selbst wieder herausgehen; wie im Jahr 1577 einem Fräulein von Waldshut geschehen, welche sich nicht überessen und mit Ordnung gebadet hat. — Das Markgrafenbad wird besonderen Personen verliehen. Der durch¬ lauchtige hochgeborne Jörg Friedrich, Markgraf zu Brandenburg, ist darin auf einem Pferde sitzend gemalt, der daselbst im Jahr 1S73 in eigner Person ge¬ badet hat. Wenn ich an dies Bad gedenke, muß ich über einen wunderlichen Scherz lachen, der darin vorgegangen und der Erzählung werth ist. In dem erwähnten Jahr hatten Bürgermeister und ein ehrsamer Rath de löblichen, weitberühmten Stadt Zürich dem hochgebornen Fürsten von Branden¬ burg ein ehrliches Badegeschenk von Wein und Hafer zugesandt und Herrn Heinrich Lochmann, dem Bannerherrn von Zürich, befohlen, dies zu präsen- tiren und zu überantworten. ' Als nun dieser mit dem Geschenk zu Baden er¬ schien,, begab sich, daß der Fürst durch das Bad ziemlich erhitzt und schwach geworden war, so daß er etliche Tage nicht zu der Tasel ging, sondern sich, in seiner Schlafstube oder im Bad still hielt. Inzwischen befahl er dem Herzog Johann von Liegnitz und seinen Räthen, die fremden Gäste zu empfangen und ihnen gut anzuschirren. Als man nun so guter Dinge ward und der Bannerherr gern den Fürsten sehen wollte, ward ihm angezeigt, der Fürst nehme jetzt niemand an, sondern halte sich in seiner Schlafstube oder dem Bade auf. Da schwur der Bannerherr und gelobte bei seiner Ehre, er müsse von dem Fürsten angenommen werden und wolle morgen, ehe er abreite, wenn es nicht anders sein sollte, mit Stiefel und Sporn im Bade zu dem Fürsten treten und ihm seine Hand bieten, damit er seiner Obrigkeit anzeigen könnte, er habe den Fürsten gesehen. Da ich nun auch an derselben Tafel gesessen hatte und zu morgen von dem Fürsten aufgefordert war, mit ihm allein zu baden , habe ich dem Fürsten ehrerbietig angezeigt, was sich bei dem Nachtessen für Reden zugetragen und was der Bannerherr gedroht. Dabei erzählte.ich dem Fürsten von dem hohen Alter des Bannerherrn und seinem aufrechten, tapfern Gemüth, und bat ihn, daß, wenn so etwas geschehe, Sr. Fürstliche Gnade ihm dies nicht ungnädig aufnähme. Wie wir so zwei Stunden bei- Grenzboten. IV. 1866. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/217>, abgerufen am 25.08.2024.