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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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mit der französischen sich vereinigte, sagte Napoleon: "Das Haus Oestreich
will Eure Unabhängigkeit vernichten. Ihr werdet dem Beispiel Eurer Vor¬
fahren folgen, die sich stets die Unabhängigkeit und die politische
Existenz bewahrten, welche die ersten Güter der Nationen sind.
Ich schmeichle mir, nach der ersten Schlacht sagen zu können, daß ihr wür¬
dig seid, in den Reihen der großen Armee zu kämpfen." Der
"deutsche Reichstag" in Regensburg war nur bemüht, in dem großen Con¬
flicte seine Neutralität zu erhalten. In den damaligen Korrespondenzen aus
Regensburg ist nur noch vom, "Kaiser von Oestreich", nicht mehr vom deut¬
schen Kaiser die Rede. Der Reichstag ließ an den Grenzen des regensburger
Gebietes Pfähle mit Aufschriften in deutscher und französischer Sprache auf¬
richten, damit die Neutralität der Stadt streng respectirt werde. Die Erklä¬
rung Bonapartes, Oestreich habe das deutsche Reich angegriffen und er, Bona¬
parte, übe nur die heilige Verpflichtung, es zu schützen, fand der Reichstag
"beruhigend".

Inzwischen drängte Bonaparte durch den General Duroc, den er nach
Berlin sendete, Preußen zum Anschluß an Frankreich. Friedrich Wilhelm III.
erklärte, der Friede sei noch möglich, wenn man Oestreich von der Coalition,
der es eigentlich nur wider Willen gefolgt sei, trenne und durch Bürgschaften
in Bezug auf Italien beruhige. Napoleon erwiderte, es handle sich nicht mehr
um die Wahl zwischen Krieg und Frieden, sondern nur zwischen einem kurzen
und einem langen Kriege. Aber Hardenberg sagte: "Die Neutralität ist ein
System, das der König nie aufgeben wird"; er bemühte sich, mit Kurhessen,
Sachsen und Dänemark einen Neutralitätsbund zu Stande zu bringen. So
blieb Preußen im Augenblick eines großen kontinentalen Krieges neutral und
suchte zwischen zwei schon kämpfenden Parteien zu vermitteln. Nach allen
Seiten gingen preußische Boten und Botschaften, während man aus keiner
Seite mehr vom Frieden hören wollte. Vergebens drängten die in Berlin
versammelten Diplomaten aller Parteien Preußen zur Theilnahme an der
Action; allen erwiderte der König, er werde von der Neutralität nicht weichen,
und nur gegen den feindlich handeln, der solcher zuwider etwas angreifend
unternehme. In der That befahl er, als der Zar im September 1803 drohte,
seine Truppen durch Südpreußen und Schlesien marschiren zu lassen, die ganze
preußische Armee mobil zu machen. Napoleon aber vollzog ohne Anfrage,
womit der Zar nur drohte, er ließ am 3. October ein französisches Armeecorps
durch das preußische Fürstenthum Ansbach marschiren. Das war selbst
dem unentschlossenen Friedrich Wilhelm til. zu viel: er erklärte sich "frei
von allen früheren Verpflichtungen gegen Frankreich" und ließ den nörd¬
lichen Theil von Hannover durch ein preußisches Corps besetzen und die han-
noverschen Behörden restituiren. Er schloß mit der Coalition am 3. November


mit der französischen sich vereinigte, sagte Napoleon: „Das Haus Oestreich
will Eure Unabhängigkeit vernichten. Ihr werdet dem Beispiel Eurer Vor¬
fahren folgen, die sich stets die Unabhängigkeit und die politische
Existenz bewahrten, welche die ersten Güter der Nationen sind.
Ich schmeichle mir, nach der ersten Schlacht sagen zu können, daß ihr wür¬
dig seid, in den Reihen der großen Armee zu kämpfen." Der
„deutsche Reichstag" in Regensburg war nur bemüht, in dem großen Con¬
flicte seine Neutralität zu erhalten. In den damaligen Korrespondenzen aus
Regensburg ist nur noch vom, „Kaiser von Oestreich", nicht mehr vom deut¬
schen Kaiser die Rede. Der Reichstag ließ an den Grenzen des regensburger
Gebietes Pfähle mit Aufschriften in deutscher und französischer Sprache auf¬
richten, damit die Neutralität der Stadt streng respectirt werde. Die Erklä¬
rung Bonapartes, Oestreich habe das deutsche Reich angegriffen und er, Bona¬
parte, übe nur die heilige Verpflichtung, es zu schützen, fand der Reichstag
„beruhigend".

Inzwischen drängte Bonaparte durch den General Duroc, den er nach
Berlin sendete, Preußen zum Anschluß an Frankreich. Friedrich Wilhelm III.
erklärte, der Friede sei noch möglich, wenn man Oestreich von der Coalition,
der es eigentlich nur wider Willen gefolgt sei, trenne und durch Bürgschaften
in Bezug auf Italien beruhige. Napoleon erwiderte, es handle sich nicht mehr
um die Wahl zwischen Krieg und Frieden, sondern nur zwischen einem kurzen
und einem langen Kriege. Aber Hardenberg sagte: „Die Neutralität ist ein
System, das der König nie aufgeben wird"; er bemühte sich, mit Kurhessen,
Sachsen und Dänemark einen Neutralitätsbund zu Stande zu bringen. So
blieb Preußen im Augenblick eines großen kontinentalen Krieges neutral und
suchte zwischen zwei schon kämpfenden Parteien zu vermitteln. Nach allen
Seiten gingen preußische Boten und Botschaften, während man aus keiner
Seite mehr vom Frieden hören wollte. Vergebens drängten die in Berlin
versammelten Diplomaten aller Parteien Preußen zur Theilnahme an der
Action; allen erwiderte der König, er werde von der Neutralität nicht weichen,
und nur gegen den feindlich handeln, der solcher zuwider etwas angreifend
unternehme. In der That befahl er, als der Zar im September 1803 drohte,
seine Truppen durch Südpreußen und Schlesien marschiren zu lassen, die ganze
preußische Armee mobil zu machen. Napoleon aber vollzog ohne Anfrage,
womit der Zar nur drohte, er ließ am 3. October ein französisches Armeecorps
durch das preußische Fürstenthum Ansbach marschiren. Das war selbst
dem unentschlossenen Friedrich Wilhelm til. zu viel: er erklärte sich „frei
von allen früheren Verpflichtungen gegen Frankreich" und ließ den nörd¬
lichen Theil von Hannover durch ein preußisches Corps besetzen und die han-
noverschen Behörden restituiren. Er schloß mit der Coalition am 3. November


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/117>, abgerufen am 27.08.2024.