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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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wol in leidlicher.Ordnung vorüber und erleichterten Herzens setzten die bewaff¬
neten Vertreter der Bürgerfreiheit sich an die Festbraten. Aber der einmal
aufgeregte Pöbel konnte den Beginn des Abends und der Illumination nicht
abwarten. Dreifarbige Cocarden wurden insultirt, die vor dem Rathhause flat¬
ternde Tricolore, "den östreichischen Lappen", wie man sich ausdrückte, riß man
herab, die Volksmassen häuften sich drohender und drohender. Die Illumination
begann. Die meisten "Demokraten" opferten ihren Fensterscheiben einige Talg¬
lichter. Nur der alte Riesen wollte den Drohungen des Pöbels nicht bewilligen,
was er ohne sie vielleicht freiwillig gethan hätte. , So wurden seine nicht er¬
leuchteten Fenster das Signal des Kampfes. Es war eine wüste, greuliche
Nacht. Die Bürgerwehr, ganz ohne oberste Leitung, löste sich theils auf, theils
ging sie in kleinen Abtheilungen von höchstens vierzig Mann unter, einzelnen
beherzter Führern, mit ungeladenen Musketen, den Tumultuanten tapfer, aber
Planlos zu Leibe. Das Pflaster ward aufgerissen, man schoß aus den Fenstern,
einzelne Bürgerwehrmänner erwiderten das Feuer aus ihren Scheibenbüchsen,
alles in wilder Verwirrung und ohne Commando. Riesens schon brennendes
Haus wurde gerettet, dagegen das eines andern "Demokraten" geplündert --
und erst als die Husaren ihren Rittmeister von einem Steinwurf getroffen auf
das Pflaster stürzen sahen, machten sie durch einen kräftigen, rücksichtslosen An¬
griff dem Skandal ein Ende. Eine Erneuerung des Kampfes wurde am näch¬
sten Tage durch eine von Braunsberg geholte Jägercompagnie gehindert; aber
12 Todte und über 100 Verwundete (größtentheils auf Seite der Tumultuanten),
waren noch nicht die beklagenswerthesten Folgen der sinnlosen Ercesse. Mit
unsrem Gemeindeleben war es vor der Hand' zu Ende. Die Novemberereignisse
ließen die etwa noch vorhandene Kraft vollends erlahmen, der nun vollständig
organistrte Preußenverein konnte die Massen ungestört bearbeiten und erst eine
totale Niederlage der Fortschrittspartei bei den Wahlen zur zweiten Kammer, im
Februar 1849, mußte diese aus ihrer Lethargie aufrütteln und den Anstoß zu
einer neuen Organisation geben, der sie seitdem eine ununterbrochene Reihe von
entschiedenen Wahlsiegen verdankt hat und die in neuester Zeit nur der direc-
testen Einmischung der Staatsgewalt hat erliegen können. --

Vor allem war man auf Herstellung eines tüchtigen Organs in der Presse
bedacht, nachdem man die Wirkung des Wernichschen Verdächtigungs- und
Verbündungssystems erfahren. Der im Januar 1849 an Stelle des Volks¬
boden getretene "Neue Elbinger Anzeiger" erfreute sich regster Unterstützung. Die
städtischen Wahlen wurden in amerikanischer Weise organisirt und zur Herzens¬
und Privatsache jedes einzelnen gemacht. Die pünktlichste, durch Phillipps ge¬
nau überwachte Gesetzlichkeit brachte die Reaction zur Verzweiflung, die von
ihr angestifteten Revisionen der höhern Bürgerschule endeten mit glänzender
Anerkennung der Tüchtigkeit der Anstalt, die Denunciationen der städtischen


wol in leidlicher.Ordnung vorüber und erleichterten Herzens setzten die bewaff¬
neten Vertreter der Bürgerfreiheit sich an die Festbraten. Aber der einmal
aufgeregte Pöbel konnte den Beginn des Abends und der Illumination nicht
abwarten. Dreifarbige Cocarden wurden insultirt, die vor dem Rathhause flat¬
ternde Tricolore, „den östreichischen Lappen", wie man sich ausdrückte, riß man
herab, die Volksmassen häuften sich drohender und drohender. Die Illumination
begann. Die meisten „Demokraten" opferten ihren Fensterscheiben einige Talg¬
lichter. Nur der alte Riesen wollte den Drohungen des Pöbels nicht bewilligen,
was er ohne sie vielleicht freiwillig gethan hätte. , So wurden seine nicht er¬
leuchteten Fenster das Signal des Kampfes. Es war eine wüste, greuliche
Nacht. Die Bürgerwehr, ganz ohne oberste Leitung, löste sich theils auf, theils
ging sie in kleinen Abtheilungen von höchstens vierzig Mann unter, einzelnen
beherzter Führern, mit ungeladenen Musketen, den Tumultuanten tapfer, aber
Planlos zu Leibe. Das Pflaster ward aufgerissen, man schoß aus den Fenstern,
einzelne Bürgerwehrmänner erwiderten das Feuer aus ihren Scheibenbüchsen,
alles in wilder Verwirrung und ohne Commando. Riesens schon brennendes
Haus wurde gerettet, dagegen das eines andern „Demokraten" geplündert —
und erst als die Husaren ihren Rittmeister von einem Steinwurf getroffen auf
das Pflaster stürzen sahen, machten sie durch einen kräftigen, rücksichtslosen An¬
griff dem Skandal ein Ende. Eine Erneuerung des Kampfes wurde am näch¬
sten Tage durch eine von Braunsberg geholte Jägercompagnie gehindert; aber
12 Todte und über 100 Verwundete (größtentheils auf Seite der Tumultuanten),
waren noch nicht die beklagenswerthesten Folgen der sinnlosen Ercesse. Mit
unsrem Gemeindeleben war es vor der Hand' zu Ende. Die Novemberereignisse
ließen die etwa noch vorhandene Kraft vollends erlahmen, der nun vollständig
organistrte Preußenverein konnte die Massen ungestört bearbeiten und erst eine
totale Niederlage der Fortschrittspartei bei den Wahlen zur zweiten Kammer, im
Februar 1849, mußte diese aus ihrer Lethargie aufrütteln und den Anstoß zu
einer neuen Organisation geben, der sie seitdem eine ununterbrochene Reihe von
entschiedenen Wahlsiegen verdankt hat und die in neuester Zeit nur der direc-
testen Einmischung der Staatsgewalt hat erliegen können. —

Vor allem war man auf Herstellung eines tüchtigen Organs in der Presse
bedacht, nachdem man die Wirkung des Wernichschen Verdächtigungs- und
Verbündungssystems erfahren. Der im Januar 1849 an Stelle des Volks¬
boden getretene „Neue Elbinger Anzeiger" erfreute sich regster Unterstützung. Die
städtischen Wahlen wurden in amerikanischer Weise organisirt und zur Herzens¬
und Privatsache jedes einzelnen gemacht. Die pünktlichste, durch Phillipps ge¬
nau überwachte Gesetzlichkeit brachte die Reaction zur Verzweiflung, die von
ihr angestifteten Revisionen der höhern Bürgerschule endeten mit glänzender
Anerkennung der Tüchtigkeit der Anstalt, die Denunciationen der städtischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/462>, abgerufen am 22.12.2024.