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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Alles in allem waren wir an vierundzwanzig Transportschiffen, theils
Dampfern, theils Seglern, vorübergefahren. Die letzteren führen Nummern,
indem Namen für zu umständlich erachtet werden. Dieselben sind mit großer
Schrift auf weißen Planken angeschrieben und mit dem Fernrohr deutlich aus
jeder Distance zu erkennen. Es fehlte nicht an Zurüstungen an Bord, die
erkennen ließen, daß man bald zu segeln gedenkt. Namentlich wurden große
Tonnen (wol Wasserfässer) eingeschifft.

Etwa eine halbe Stunde, nachdem das Kalk von der Stelle in Toppana
abgestoßen war, landeten wir an der Harem-Stelle. Es fand sich hier ein
buntes Gedränge aus britischen Soldaten, Kaikschis, Griechen und Türken
vor. Mit Mühe vermochte ich hindurch zu gelangen, worauf ich meinen Weg
zur Anhöhe nahm, auf welcher die vorerwähnte Artillerie- und Jnfanterie-
kaserne des türkischen Gardearmeecorps steht. Wie ich Ihnen bereits mittheilte
wird das Gebäude von den Engländern nur wenig benutzt, indem Wanzen
und andere Uebelstände hiesiger Wohnungen ein Lager unter Zelten vorziehens-
werth erscheinen ließen.

Wenn man die Höhe erklommen hat, auf der die Kaserne und der zu¬
gehörige Paradeplatz sich ausdehnen, sieht man in ein weites Thal hinab,
welches die Türken Thal von Halber-Pascha nennen. Hier ist es, wo das
Gros der seither in Skutari ausgeschifften Truppen lagert. Mitten durch die
Niederung, welche die üppigste Wiese ist, die ich je gesehen, schlängelt sich
ein kleiner Bach, welcher nicht weit von der Stelle ins Meer mündet. Links
bachanwärts sehend, dehnt sich der- ungeheure Kirchhof von Skutari (Skütari-
Mesaristan) aus, 'und rechts hat man im lichten, herrlichen Nasenschmucke
prangende Hügel, welche das große und meistens von Armeniern, Griechen
und Franken bewohnte Dorf Kadiköj dem Auge verdecken. Im allgemeinen
ist die Landschaft schön, wenn sie sich auch im entferntesten nicht mit dem
zauberischen Gemälde messen kann, welches sich rückwärts auf der Seeseite
entfaltet.

Dicht neben der Kaserne, auf dem erwähnten Erercierplatz, standen einige
Reihen Zelte aufgeschlagen. Dieselben schienen keinem gesonderten Truppen-
rheil anzugehören, sondern nur zur Unterbringung vom Gros der Lagerwache
zu dienen. Ein Wachlocal zur Annahme und Ausfertigung von Rapporten
und zur Unterkunft der Offiziere war in, dem einige hundert Schritte davon
gelegenen Kiosk (syr. Köschk) ausgemittelt. Die Gewehre lehnten dort ord¬
nungsmäßig unter der großen Veranda an den Pfählen, die Trommel lag
auf den Querhölzern und zwei Grenadiere, feldmäßig bepackt, schritten als
Schildwachen auf und nieder. Gleich darauf begegnete mir ein^großer Schwarm
englischer Offiziere in Civilkleidung. So ausgeprägt ist auf den meisten bri¬
tischen Gesichtern die Nationalität, daß man sie aus den ersten Blick für Eng-


Grenzbotc". 1864. II. 64

Alles in allem waren wir an vierundzwanzig Transportschiffen, theils
Dampfern, theils Seglern, vorübergefahren. Die letzteren führen Nummern,
indem Namen für zu umständlich erachtet werden. Dieselben sind mit großer
Schrift auf weißen Planken angeschrieben und mit dem Fernrohr deutlich aus
jeder Distance zu erkennen. Es fehlte nicht an Zurüstungen an Bord, die
erkennen ließen, daß man bald zu segeln gedenkt. Namentlich wurden große
Tonnen (wol Wasserfässer) eingeschifft.

Etwa eine halbe Stunde, nachdem das Kalk von der Stelle in Toppana
abgestoßen war, landeten wir an der Harem-Stelle. Es fand sich hier ein
buntes Gedränge aus britischen Soldaten, Kaikschis, Griechen und Türken
vor. Mit Mühe vermochte ich hindurch zu gelangen, worauf ich meinen Weg
zur Anhöhe nahm, auf welcher die vorerwähnte Artillerie- und Jnfanterie-
kaserne des türkischen Gardearmeecorps steht. Wie ich Ihnen bereits mittheilte
wird das Gebäude von den Engländern nur wenig benutzt, indem Wanzen
und andere Uebelstände hiesiger Wohnungen ein Lager unter Zelten vorziehens-
werth erscheinen ließen.

Wenn man die Höhe erklommen hat, auf der die Kaserne und der zu¬
gehörige Paradeplatz sich ausdehnen, sieht man in ein weites Thal hinab,
welches die Türken Thal von Halber-Pascha nennen. Hier ist es, wo das
Gros der seither in Skutari ausgeschifften Truppen lagert. Mitten durch die
Niederung, welche die üppigste Wiese ist, die ich je gesehen, schlängelt sich
ein kleiner Bach, welcher nicht weit von der Stelle ins Meer mündet. Links
bachanwärts sehend, dehnt sich der- ungeheure Kirchhof von Skutari (Skütari-
Mesaristan) aus, 'und rechts hat man im lichten, herrlichen Nasenschmucke
prangende Hügel, welche das große und meistens von Armeniern, Griechen
und Franken bewohnte Dorf Kadiköj dem Auge verdecken. Im allgemeinen
ist die Landschaft schön, wenn sie sich auch im entferntesten nicht mit dem
zauberischen Gemälde messen kann, welches sich rückwärts auf der Seeseite
entfaltet.

Dicht neben der Kaserne, auf dem erwähnten Erercierplatz, standen einige
Reihen Zelte aufgeschlagen. Dieselben schienen keinem gesonderten Truppen-
rheil anzugehören, sondern nur zur Unterbringung vom Gros der Lagerwache
zu dienen. Ein Wachlocal zur Annahme und Ausfertigung von Rapporten
und zur Unterkunft der Offiziere war in, dem einige hundert Schritte davon
gelegenen Kiosk (syr. Köschk) ausgemittelt. Die Gewehre lehnten dort ord¬
nungsmäßig unter der großen Veranda an den Pfählen, die Trommel lag
auf den Querhölzern und zwei Grenadiere, feldmäßig bepackt, schritten als
Schildwachen auf und nieder. Gleich darauf begegnete mir ein^großer Schwarm
englischer Offiziere in Civilkleidung. So ausgeprägt ist auf den meisten bri¬
tischen Gesichtern die Nationalität, daß man sie aus den ersten Blick für Eng-


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[0433] Alles in allem waren wir an vierundzwanzig Transportschiffen, theils Dampfern, theils Seglern, vorübergefahren. Die letzteren führen Nummern, indem Namen für zu umständlich erachtet werden. Dieselben sind mit großer Schrift auf weißen Planken angeschrieben und mit dem Fernrohr deutlich aus jeder Distance zu erkennen. Es fehlte nicht an Zurüstungen an Bord, die erkennen ließen, daß man bald zu segeln gedenkt. Namentlich wurden große Tonnen (wol Wasserfässer) eingeschifft. Etwa eine halbe Stunde, nachdem das Kalk von der Stelle in Toppana abgestoßen war, landeten wir an der Harem-Stelle. Es fand sich hier ein buntes Gedränge aus britischen Soldaten, Kaikschis, Griechen und Türken vor. Mit Mühe vermochte ich hindurch zu gelangen, worauf ich meinen Weg zur Anhöhe nahm, auf welcher die vorerwähnte Artillerie- und Jnfanterie- kaserne des türkischen Gardearmeecorps steht. Wie ich Ihnen bereits mittheilte wird das Gebäude von den Engländern nur wenig benutzt, indem Wanzen und andere Uebelstände hiesiger Wohnungen ein Lager unter Zelten vorziehens- werth erscheinen ließen. Wenn man die Höhe erklommen hat, auf der die Kaserne und der zu¬ gehörige Paradeplatz sich ausdehnen, sieht man in ein weites Thal hinab, welches die Türken Thal von Halber-Pascha nennen. Hier ist es, wo das Gros der seither in Skutari ausgeschifften Truppen lagert. Mitten durch die Niederung, welche die üppigste Wiese ist, die ich je gesehen, schlängelt sich ein kleiner Bach, welcher nicht weit von der Stelle ins Meer mündet. Links bachanwärts sehend, dehnt sich der- ungeheure Kirchhof von Skutari (Skütari- Mesaristan) aus, 'und rechts hat man im lichten, herrlichen Nasenschmucke prangende Hügel, welche das große und meistens von Armeniern, Griechen und Franken bewohnte Dorf Kadiköj dem Auge verdecken. Im allgemeinen ist die Landschaft schön, wenn sie sich auch im entferntesten nicht mit dem zauberischen Gemälde messen kann, welches sich rückwärts auf der Seeseite entfaltet. Dicht neben der Kaserne, auf dem erwähnten Erercierplatz, standen einige Reihen Zelte aufgeschlagen. Dieselben schienen keinem gesonderten Truppen- rheil anzugehören, sondern nur zur Unterbringung vom Gros der Lagerwache zu dienen. Ein Wachlocal zur Annahme und Ausfertigung von Rapporten und zur Unterkunft der Offiziere war in, dem einige hundert Schritte davon gelegenen Kiosk (syr. Köschk) ausgemittelt. Die Gewehre lehnten dort ord¬ nungsmäßig unter der großen Veranda an den Pfählen, die Trommel lag auf den Querhölzern und zwei Grenadiere, feldmäßig bepackt, schritten als Schildwachen auf und nieder. Gleich darauf begegnete mir ein^großer Schwarm englischer Offiziere in Civilkleidung. So ausgeprägt ist auf den meisten bri¬ tischen Gesichtern die Nationalität, daß man sie aus den ersten Blick für Eng- Grenzbotc». 1864. II. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/432>, abgerufen am 03.07.2024.