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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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schwere Prüfung dessen,,der eine solche Vergleichung vornehmen will . . , Und
doch, welcher klar und redlich forschende Geist, dem das Christenthum ein Leben
und die Wiederbelebung desselben die Bedingung aller Hoffnungen für die Zu¬
kunft der europäischen Menschheit ist, fühlte in unseren schweren Zeiten nicht
das Bedürfniß, sich womöglich in Lebensgemeinschaft!zu setzen mit dem Geiste
jenes Urchristenthums?" u. s. w.

Schon aus dieser Darstellung erhellt der vorwiegend praktische Zweck dieses
Werkes. Derselbe Zweck bildet auch den Leitfaden sür den weiteren Verlauf
des Werkes, der durch eine Dichtung eröffnet wird, bestimmt, anschaulich
zu machen, welches Bild unsere eigne Zeit im persönlichen Bewußtsein des
Hippolyt abwerfen würde, wenn man ihn ihr gegenüberstellte. Es, geht
nämlich neben dem vom tiefsten Grunde der gesellschaftlichen Verhältnisse heraus
die neue Welt vorbildenden und vorbereitenden häuslichen und Gemeinde¬
leben durch die alte Kirche eine tiefe Gedankenentwicklung her, ohne deren
-Darstellung das Bild jener Zeit nicht allein unvollständig, sondern in seinem
tiefsten Grunde unverständlich bleibt. Diese Lücke auszufüllen ist die vorlie¬
gende Dichtung bestimmt. Sie führt den Titel: "Die Vertheidigungsrede des
Hippolyt, gerichtet an das englische Volk. - Eine Ansprache, gehalten in London
vor einem Kreise von Freunden ein den Iden des August als am Jah¬
restage der Beisetzung der Ueberreste des heiligen Hippolyt in den Katakomben
,des "Aer Vsrranus, auf der Tiburtinischen Straße, -1616 Jahre nach seinem
Märtyrthum."

Der Ton dieser Apologie klingt nur ganz leise an die Formen der urchrist¬
licher Jahrhunderte an; eigentlich bewegt er'sich ganz in der Bildungssphäre
unserer Zeit, und verschmäht sogar komische Wendungen nicht, um das Ge¬
dankensystem, welches Herr Bunsen an das religiöse Leben seines Helden
knüpft und namentlich das Verhältniß des Urchristenthums zu den. Formen
und Voraussetzungen der katholischen und protestantischen Kirche dem Zuhörer
so deutlich als möglich zu machen. Auch bei dieser Rede ist die vorwiegende
Tendenz eine praktische und versöhnende. -- Den Schluß des Werkes, der an
Umfang fast die Hälfte des Bandes ausmacht, bildet die Herstellung der echten
Liturgie der alten Kirche und ihre Geschichte.

Herr Bunsen hat in dem gegenwärtigen Augenblicke auf eine für unsere
öffentlichen Zustände nicht sehr erfreuliche Weise die Aufmerksamkeit Europas
von neuem auf sich gezogen. In seinem politischen Leben wie in seinen reli¬
giösen Ansichten gehört er jener wohlmeinenden und höchst ehrenwerthen Rich¬
tung an, welche die als nothwendig erkannten Fortschritte der neuen Zeit so
Viel als möglich mit der Pietät gegen das Alte versöhnen möchte. Diese
Richtung hatte sich bis jetzt innerhalb des preußischen Staatslebens wie inner¬
halb-der evangelischen Kirche als ein allgemein anerkanntes und berechtigtes
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schwere Prüfung dessen,,der eine solche Vergleichung vornehmen will . . , Und
doch, welcher klar und redlich forschende Geist, dem das Christenthum ein Leben
und die Wiederbelebung desselben die Bedingung aller Hoffnungen für die Zu¬
kunft der europäischen Menschheit ist, fühlte in unseren schweren Zeiten nicht
das Bedürfniß, sich womöglich in Lebensgemeinschaft!zu setzen mit dem Geiste
jenes Urchristenthums?" u. s. w.

Schon aus dieser Darstellung erhellt der vorwiegend praktische Zweck dieses
Werkes. Derselbe Zweck bildet auch den Leitfaden sür den weiteren Verlauf
des Werkes, der durch eine Dichtung eröffnet wird, bestimmt, anschaulich
zu machen, welches Bild unsere eigne Zeit im persönlichen Bewußtsein des
Hippolyt abwerfen würde, wenn man ihn ihr gegenüberstellte. Es, geht
nämlich neben dem vom tiefsten Grunde der gesellschaftlichen Verhältnisse heraus
die neue Welt vorbildenden und vorbereitenden häuslichen und Gemeinde¬
leben durch die alte Kirche eine tiefe Gedankenentwicklung her, ohne deren
-Darstellung das Bild jener Zeit nicht allein unvollständig, sondern in seinem
tiefsten Grunde unverständlich bleibt. Diese Lücke auszufüllen ist die vorlie¬
gende Dichtung bestimmt. Sie führt den Titel: „Die Vertheidigungsrede des
Hippolyt, gerichtet an das englische Volk. - Eine Ansprache, gehalten in London
vor einem Kreise von Freunden ein den Iden des August als am Jah¬
restage der Beisetzung der Ueberreste des heiligen Hippolyt in den Katakomben
,des »Aer Vsrranus, auf der Tiburtinischen Straße, -1616 Jahre nach seinem
Märtyrthum."

Der Ton dieser Apologie klingt nur ganz leise an die Formen der urchrist¬
licher Jahrhunderte an; eigentlich bewegt er'sich ganz in der Bildungssphäre
unserer Zeit, und verschmäht sogar komische Wendungen nicht, um das Ge¬
dankensystem, welches Herr Bunsen an das religiöse Leben seines Helden
knüpft und namentlich das Verhältniß des Urchristenthums zu den. Formen
und Voraussetzungen der katholischen und protestantischen Kirche dem Zuhörer
so deutlich als möglich zu machen. Auch bei dieser Rede ist die vorwiegende
Tendenz eine praktische und versöhnende. — Den Schluß des Werkes, der an
Umfang fast die Hälfte des Bandes ausmacht, bildet die Herstellung der echten
Liturgie der alten Kirche und ihre Geschichte.

Herr Bunsen hat in dem gegenwärtigen Augenblicke auf eine für unsere
öffentlichen Zustände nicht sehr erfreuliche Weise die Aufmerksamkeit Europas
von neuem auf sich gezogen. In seinem politischen Leben wie in seinen reli¬
giösen Ansichten gehört er jener wohlmeinenden und höchst ehrenwerthen Rich¬
tung an, welche die als nothwendig erkannten Fortschritte der neuen Zeit so
Viel als möglich mit der Pietät gegen das Alte versöhnen möchte. Diese
Richtung hatte sich bis jetzt innerhalb des preußischen Staatslebens wie inner¬
halb-der evangelischen Kirche als ein allgemein anerkanntes und berechtigtes
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[0384] schwere Prüfung dessen,,der eine solche Vergleichung vornehmen will . . , Und doch, welcher klar und redlich forschende Geist, dem das Christenthum ein Leben und die Wiederbelebung desselben die Bedingung aller Hoffnungen für die Zu¬ kunft der europäischen Menschheit ist, fühlte in unseren schweren Zeiten nicht das Bedürfniß, sich womöglich in Lebensgemeinschaft!zu setzen mit dem Geiste jenes Urchristenthums?" u. s. w. Schon aus dieser Darstellung erhellt der vorwiegend praktische Zweck dieses Werkes. Derselbe Zweck bildet auch den Leitfaden sür den weiteren Verlauf des Werkes, der durch eine Dichtung eröffnet wird, bestimmt, anschaulich zu machen, welches Bild unsere eigne Zeit im persönlichen Bewußtsein des Hippolyt abwerfen würde, wenn man ihn ihr gegenüberstellte. Es, geht nämlich neben dem vom tiefsten Grunde der gesellschaftlichen Verhältnisse heraus die neue Welt vorbildenden und vorbereitenden häuslichen und Gemeinde¬ leben durch die alte Kirche eine tiefe Gedankenentwicklung her, ohne deren -Darstellung das Bild jener Zeit nicht allein unvollständig, sondern in seinem tiefsten Grunde unverständlich bleibt. Diese Lücke auszufüllen ist die vorlie¬ gende Dichtung bestimmt. Sie führt den Titel: „Die Vertheidigungsrede des Hippolyt, gerichtet an das englische Volk. - Eine Ansprache, gehalten in London vor einem Kreise von Freunden ein den Iden des August als am Jah¬ restage der Beisetzung der Ueberreste des heiligen Hippolyt in den Katakomben ,des »Aer Vsrranus, auf der Tiburtinischen Straße, -1616 Jahre nach seinem Märtyrthum." Der Ton dieser Apologie klingt nur ganz leise an die Formen der urchrist¬ licher Jahrhunderte an; eigentlich bewegt er'sich ganz in der Bildungssphäre unserer Zeit, und verschmäht sogar komische Wendungen nicht, um das Ge¬ dankensystem, welches Herr Bunsen an das religiöse Leben seines Helden knüpft und namentlich das Verhältniß des Urchristenthums zu den. Formen und Voraussetzungen der katholischen und protestantischen Kirche dem Zuhörer so deutlich als möglich zu machen. Auch bei dieser Rede ist die vorwiegende Tendenz eine praktische und versöhnende. — Den Schluß des Werkes, der an Umfang fast die Hälfte des Bandes ausmacht, bildet die Herstellung der echten Liturgie der alten Kirche und ihre Geschichte. Herr Bunsen hat in dem gegenwärtigen Augenblicke auf eine für unsere öffentlichen Zustände nicht sehr erfreuliche Weise die Aufmerksamkeit Europas von neuem auf sich gezogen. In seinem politischen Leben wie in seinen reli¬ giösen Ansichten gehört er jener wohlmeinenden und höchst ehrenwerthen Rich¬ tung an, welche die als nothwendig erkannten Fortschritte der neuen Zeit so Viel als möglich mit der Pietät gegen das Alte versöhnen möchte. Diese Richtung hatte sich bis jetzt innerhalb des preußischen Staatslebens wie inner¬ halb-der evangelischen Kirche als ein allgemein anerkanntes und berechtigtes "'''''-''<--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/383>, abgerufen am 23.07.2024.