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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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denzien besangen und gebunden war. Ein solcher Wille fand sich in dem
jungen Erzherzog, der jetzt die Krone trägt. In ruhiger Ueberlegung zwischen
den verschiedenen Gliedern des Kaiserhauses und den treuen Dienern desselben
wurde dieser, wichtige Act vollzogen, der um so bedenklicher erscheinen konnte,
da mehr als jemals den Feinden gegenüber die Einheit des Herrscherhauses
und der conservativen Partei nothwendig war. Aber die bewundernswürdigste
Einmüthigkeit waltete über diesem Schritt, und als die Ungarn den Regenten¬
wechsel zum Vorwand nahmen, ihrem Aufstand eine andere Fahne zu geben,
erregte dieser Versuch nur-Mitleid. Jene Einmüthigkeit verdient um so grö¬
ßere Anerkennung,, da es galt, dabei den sehr gerechtfertigten und natürlichen
Ehrgeiz verschiedener hochgestellter Personen zu überwinden; nicht blos den
des Kaisers Ferdinand, der vielleicht froh war, einer lästigen Bürde entledigt
zu sein. So hatte hier die Unterordnung des einzelnen unter die Interessen
des Gesammthauses der Welt ein glorreiches Beispiel gegeben, das durch den
glücklichsten und staunenswerthesten Erfolg gerechtfertigt worden ist. Nur durch
diese hochherzige Unterordnung der persönlichen Neigungen und Ideen' unter
die bleibende Idee der Monarchie können die modernen Monarchien sich
erhalten.

Nur darf diese Unterordnung nicht so mißverstanden werden, als ob sie
der Herrscher von früheren Formeln, von Wünschen, von Clauseln und Testa¬
menten abhängig machen müßte. Der leitende Geist des Hauses, die Idee
des Staats, muß in lebendiger Wiedergeburt fortwirken, nicht in mechanischer
Gleichmäßigkeit. Der Leiter der Regierung muß sich in die Umstände zu schicken
wissen; der Buchstabe der Ueberlieferung reicht für neue Verhältnisse nicht aus.
Oestreich verfolgt in diesem Augenblick mit eiserner Energie und Folgerichtigkeit
.eine Politik, die wenigstens dem Anschein nach von dem Buchstaben seiner
Traditionen sehr abweicht.-- Die Durchführung des Gcsammtstaatö gegen die
nationalen Besonderheiten, die Entlastung der Unterthanen gegen die Nei¬
gungen der Aristokratie, die Erweiterung des Handelsverkehrs gegen die Ge¬
wohnheiten der Verwaltung.-- das alles sind große und kühne Neuerungen,
die ein ängstlicher Systematiker des Conservatjsmus wol als revolutionär
bezeichnen würde. Wir dürfen wol kaum hinzusetzen, daß wir den günstigen
Erfolg dieser Neuerungen aufs lebhafteste wünschen und hoffen, und daß wir
namentlich wünschen, sie möchten in der auswärtigen Politik, in dem Anschluß
Oestreichs an die civilistrten Staaten einen glücklichen Abschluß finden.

Wir brechen hier ab, um den Faden ein ander Mal wieder aufzunehmen,
und wiederholen nur noch einmal den Grundsatz, den wir aus der neuern Politik
Oestreichs abstrahirt haben, der aber nicht blos auf Oestreich seine Anwendung
findet: nicht der ist monarchisch, loyal und konservativ, der die Heiligkeit des


denzien besangen und gebunden war. Ein solcher Wille fand sich in dem
jungen Erzherzog, der jetzt die Krone trägt. In ruhiger Ueberlegung zwischen
den verschiedenen Gliedern des Kaiserhauses und den treuen Dienern desselben
wurde dieser, wichtige Act vollzogen, der um so bedenklicher erscheinen konnte,
da mehr als jemals den Feinden gegenüber die Einheit des Herrscherhauses
und der conservativen Partei nothwendig war. Aber die bewundernswürdigste
Einmüthigkeit waltete über diesem Schritt, und als die Ungarn den Regenten¬
wechsel zum Vorwand nahmen, ihrem Aufstand eine andere Fahne zu geben,
erregte dieser Versuch nur-Mitleid. Jene Einmüthigkeit verdient um so grö¬
ßere Anerkennung,, da es galt, dabei den sehr gerechtfertigten und natürlichen
Ehrgeiz verschiedener hochgestellter Personen zu überwinden; nicht blos den
des Kaisers Ferdinand, der vielleicht froh war, einer lästigen Bürde entledigt
zu sein. So hatte hier die Unterordnung des einzelnen unter die Interessen
des Gesammthauses der Welt ein glorreiches Beispiel gegeben, das durch den
glücklichsten und staunenswerthesten Erfolg gerechtfertigt worden ist. Nur durch
diese hochherzige Unterordnung der persönlichen Neigungen und Ideen' unter
die bleibende Idee der Monarchie können die modernen Monarchien sich
erhalten.

Nur darf diese Unterordnung nicht so mißverstanden werden, als ob sie
der Herrscher von früheren Formeln, von Wünschen, von Clauseln und Testa¬
menten abhängig machen müßte. Der leitende Geist des Hauses, die Idee
des Staats, muß in lebendiger Wiedergeburt fortwirken, nicht in mechanischer
Gleichmäßigkeit. Der Leiter der Regierung muß sich in die Umstände zu schicken
wissen; der Buchstabe der Ueberlieferung reicht für neue Verhältnisse nicht aus.
Oestreich verfolgt in diesem Augenblick mit eiserner Energie und Folgerichtigkeit
.eine Politik, die wenigstens dem Anschein nach von dem Buchstaben seiner
Traditionen sehr abweicht.-- Die Durchführung des Gcsammtstaatö gegen die
nationalen Besonderheiten, die Entlastung der Unterthanen gegen die Nei¬
gungen der Aristokratie, die Erweiterung des Handelsverkehrs gegen die Ge¬
wohnheiten der Verwaltung.— das alles sind große und kühne Neuerungen,
die ein ängstlicher Systematiker des Conservatjsmus wol als revolutionär
bezeichnen würde. Wir dürfen wol kaum hinzusetzen, daß wir den günstigen
Erfolg dieser Neuerungen aufs lebhafteste wünschen und hoffen, und daß wir
namentlich wünschen, sie möchten in der auswärtigen Politik, in dem Anschluß
Oestreichs an die civilistrten Staaten einen glücklichen Abschluß finden.

Wir brechen hier ab, um den Faden ein ander Mal wieder aufzunehmen,
und wiederholen nur noch einmal den Grundsatz, den wir aus der neuern Politik
Oestreichs abstrahirt haben, der aber nicht blos auf Oestreich seine Anwendung
findet: nicht der ist monarchisch, loyal und konservativ, der die Heiligkeit des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/371>, abgerufen am 01.10.2024.