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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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edle Lord steht mit jugendlicher Elasticität auf, nimmt den Hut ab und tritt an
die Tafel. Sein Gesicht drückt Ehrerbietung vor dem Hause aus, aber zugleich
zweifelnde Verwunderung, ob überhaupt jemand in seinem Departement etwas zu
tadeln finden konnte. Die Verwunderung wird bald von einem Ausdruck gut¬
müthiger Theilnahme für die liebenswürdige Schwäche des ehrenwerthen Mit¬
gliedes ersetzt, die ihn bewogen hat, eine solche Kleinigkeit in Anregung zu brin¬
gen. Der erste Satz klingt sehr feierlich, als handelte es sich wirklich um eine
weltwichtige Frage oder eine unerhörte Granenthat, nach zwei Minuten aber lacht
jedermann, ohne zu wissen warum, über die Absurdität der ganzen Geschichte
und wundert sich über den kindlichen Enthusiasmus des Interpellanten; und die
Antwort schließt mit einer indirecten Versicherung, daß, wenn es in der Regierung
ein Departement gibt, dessen Obliegenheiten pünktlich und trefflich erfüllt werden,
es nur das Departement des Innern' sein kann; und so amüsirt sich das Hans
darüber und ist zufrieden gestellt, vielleicht mit Ausnahme von ein paar skeptischen
Mitgliedern aus dem Norden oder aus Schottland, die in, Geschäftssachen keinen
Spaß verstehen und des Interpellanten, der durch seinen Antrag Lord Palmerston
eine der vielen Gelegenheiten gegeben hat, die Lacher auf seine Seite zu bringen.
Ist die Jnterpellation an Gladstone gerichtet, so antwortet dieser in denselben
schön abgerundeten Perioden und mit derselben Wichtigkeit, als hätte er die Finanz¬
lage des Landes darzustellen; aber wenn der Mehrzahl der Mitglieder, die an
die einfache Sprechweise des Unterhauses gewöhnt sind, das Gegebene verwickelt
und nicht sehr klar erscheint, so sieht man doch, daß es den finanziellen Fach¬
leuten des Hanfes vollkommen verständlich ist, obgleich Disraeli als Exschatzkanz-
lcr immer etwas dagegen einzuwenden hat. Verlangt die Verwaltung der Ad¬
miralität Aufklärung dnrch Sir James Graham, so erwidert dieser langsam und
feierlich mit einer hin>sten, halb flüsternden Stimme, die aus dem Munde eines
so ansehnlichen Mannes seltsam klingt, daß er sehr ausführlich und aufrich¬
tig zu sein gedenkt und setzt dann das Verlangte so klar und eingehend
auseinander, daß man wohl sieht, er ist ein Mann, der sein Departement
gründlich bis in seine Einzelnheiten kennt. Nach diesen Interpellationen fangt
das eigentliche Geschäft des Tages an, indem die erste Tagesordnung oder
der erste Antrag zur Berathung kommt. Handelt es sich um eine wichtige mini¬
sterielle Maßregel, wie um ein Budget oder eine ostindische Bill, so bleibt das
Hans bis zum Schluß gedrängt voll; dreimal während der letzten 18 Monate
hat es einem einzigen Redner fünf Stunden und länger zugehört. Betrifft die
Frage die Finanzen, so wird der Antrag gestellt, die und die Beschlüsse zu fassen:
in anderen Fällen die Erlaubniß zu ertheilen, die betreffende Bill einzubringen.
Sehr selten findet in diesem Stadium'eine eigentliche Debatte statt; meistens er¬
theilt das Haus die Erlaubnis!, die Bill einzubringen und zum ersten Male zu
lesen. Sie kommt dann aus die Tagesordnung zur zweiten Lesung und der Mi-


edle Lord steht mit jugendlicher Elasticität auf, nimmt den Hut ab und tritt an
die Tafel. Sein Gesicht drückt Ehrerbietung vor dem Hause aus, aber zugleich
zweifelnde Verwunderung, ob überhaupt jemand in seinem Departement etwas zu
tadeln finden konnte. Die Verwunderung wird bald von einem Ausdruck gut¬
müthiger Theilnahme für die liebenswürdige Schwäche des ehrenwerthen Mit¬
gliedes ersetzt, die ihn bewogen hat, eine solche Kleinigkeit in Anregung zu brin¬
gen. Der erste Satz klingt sehr feierlich, als handelte es sich wirklich um eine
weltwichtige Frage oder eine unerhörte Granenthat, nach zwei Minuten aber lacht
jedermann, ohne zu wissen warum, über die Absurdität der ganzen Geschichte
und wundert sich über den kindlichen Enthusiasmus des Interpellanten; und die
Antwort schließt mit einer indirecten Versicherung, daß, wenn es in der Regierung
ein Departement gibt, dessen Obliegenheiten pünktlich und trefflich erfüllt werden,
es nur das Departement des Innern' sein kann; und so amüsirt sich das Hans
darüber und ist zufrieden gestellt, vielleicht mit Ausnahme von ein paar skeptischen
Mitgliedern aus dem Norden oder aus Schottland, die in, Geschäftssachen keinen
Spaß verstehen und des Interpellanten, der durch seinen Antrag Lord Palmerston
eine der vielen Gelegenheiten gegeben hat, die Lacher auf seine Seite zu bringen.
Ist die Jnterpellation an Gladstone gerichtet, so antwortet dieser in denselben
schön abgerundeten Perioden und mit derselben Wichtigkeit, als hätte er die Finanz¬
lage des Landes darzustellen; aber wenn der Mehrzahl der Mitglieder, die an
die einfache Sprechweise des Unterhauses gewöhnt sind, das Gegebene verwickelt
und nicht sehr klar erscheint, so sieht man doch, daß es den finanziellen Fach¬
leuten des Hanfes vollkommen verständlich ist, obgleich Disraeli als Exschatzkanz-
lcr immer etwas dagegen einzuwenden hat. Verlangt die Verwaltung der Ad¬
miralität Aufklärung dnrch Sir James Graham, so erwidert dieser langsam und
feierlich mit einer hin>sten, halb flüsternden Stimme, die aus dem Munde eines
so ansehnlichen Mannes seltsam klingt, daß er sehr ausführlich und aufrich¬
tig zu sein gedenkt und setzt dann das Verlangte so klar und eingehend
auseinander, daß man wohl sieht, er ist ein Mann, der sein Departement
gründlich bis in seine Einzelnheiten kennt. Nach diesen Interpellationen fangt
das eigentliche Geschäft des Tages an, indem die erste Tagesordnung oder
der erste Antrag zur Berathung kommt. Handelt es sich um eine wichtige mini¬
sterielle Maßregel, wie um ein Budget oder eine ostindische Bill, so bleibt das
Hans bis zum Schluß gedrängt voll; dreimal während der letzten 18 Monate
hat es einem einzigen Redner fünf Stunden und länger zugehört. Betrifft die
Frage die Finanzen, so wird der Antrag gestellt, die und die Beschlüsse zu fassen:
in anderen Fällen die Erlaubniß zu ertheilen, die betreffende Bill einzubringen.
Sehr selten findet in diesem Stadium'eine eigentliche Debatte statt; meistens er¬
theilt das Haus die Erlaubnis!, die Bill einzubringen und zum ersten Male zu
lesen. Sie kommt dann aus die Tagesordnung zur zweiten Lesung und der Mi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/14>, abgerufen am 23.07.2024.