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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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nisterialbeqmte, der die Bill in das Unterhaus zu bringen hat, beantragt die zweite
Lesung, worauf ein von den Gegnern erwählter Sprecher ein Amendement stellt,
dessen Annahme die Verwerfung der Bill nach sich ziehen würde; und mit seiner
Rede beginnt die eigentliche Debatte. Während des ersten Abends ist die Sitzung
stets interessant, denn die Opposition läßt immer durch einen ihrer Hauptredner
den Kampf eröffnen, dem eine tüchtige Kapacität von der andern Seite antworten
muß und diesem folgt abermals einer der besten Oppositionsredner, bis gegen
halb ein Uhr von einem verständigen, aber nicht sehr glänzenden Redner die Ver¬
tagung der Debatte beantragt wird, die nun selbstverständlich der Antragsteller
am nächsten Tag V26 Uhr wieder aufnimmt. Nach dem Schlüsse seiner Rede
kommt die Zeit der kleinen Leute, welche von 6 bis -10 Uhr sprechen, wo die
Diuerstunde kaum die unbedingt nothwendigen 40 Mitglieder im Hanse läßt.
Gegen 10 Uhr mischen sich schon wieder bedeutendere Männer,,in die Debatte
und> der geistige Kampf wird mit jeder Stunde lebhafter. Die Aufregung der
wetteifernden Parteien steigt aufs höchste und macht sich in dem Beifallszuruf
Luft, dem man den Namen Cheers gegeben hat. Das ist kein Hurral), kein
Bravo, kein Händeklatschen oder Fußstampfen, wie in andern gesetzgebenden Ver¬
sammlungen, sondern ein lautes, rasch wiederholtes und lange andauerndes Hort!
Hort! Wichtige Debatten dauern meistens sämmtliche vier Sitzungsabende der
Woche hindurch, Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag. Aeußerst selten
ziehen sie sich in die nächste Woche hinüber; meistens spricht der Führer der Op¬
position um zehn oder elf Uhr Freitags zum Schluß und das Mitglied des Mi¬
nisteriums, welches die Bill durchzubringen hat, antwortet ihm und resumirt die
Debatte. Eine oder zwei Stunden nach Mitternacht, am Sonnabend Morgen,
erfolgt dann endlich die entscheidende Abstimmung.

Bei solchen Gelegenheiten zeigt sich das Unterhaus von seiner charakteristischen
Seite. Jetzt leert sich das Haus rasch, wenn ein unbedeutender,"oder noch mehr,
wenn ein langweiliger Redner das Wort ergreift;> dann füllt es sich ebenso schnell
wieder, wenn eine der parlamentarischen Größen zu sprechen beginnt. Der Rede¬
stil des Unterhauses hat etwas ganz Eigenthümliches, eigentliche Rhetorik, die man
noch zu Cannings Zeiten hörte, wird gar nicht geduldet. Disraeli versuchte es,
als er zum ersten Male auftrat und erlitt eine schmähliche Niederlage. Aber als
er sich unter dem Gelächter des ganzen Hauses niedersetzte, prophezeite er 'ihnen,
daß die Zeit kommen würde, wo sie ihn anhören würden und er hat-Wort ge¬
halten, denn er hat den parlamentarischen Ton anschlagen gelernt wie wenig an¬
dere. Selbst wenn er eine große Rede hält, spricht er in einem gemüthlichen
und vertraulichen Tone, als ob er sich mit seinem Gegenüber, Lord John Rüssel,
angelegentlich unterhielte; und ans diesem Tone fällt er sogar äußerst selten
heraus, wenn er die bittersten Sarkasmen sagt; höchstens spricht er dann lang¬
samer und mit noch weniger Nachdruck, als fielen ihm die Worte wie zufällig


nisterialbeqmte, der die Bill in das Unterhaus zu bringen hat, beantragt die zweite
Lesung, worauf ein von den Gegnern erwählter Sprecher ein Amendement stellt,
dessen Annahme die Verwerfung der Bill nach sich ziehen würde; und mit seiner
Rede beginnt die eigentliche Debatte. Während des ersten Abends ist die Sitzung
stets interessant, denn die Opposition läßt immer durch einen ihrer Hauptredner
den Kampf eröffnen, dem eine tüchtige Kapacität von der andern Seite antworten
muß und diesem folgt abermals einer der besten Oppositionsredner, bis gegen
halb ein Uhr von einem verständigen, aber nicht sehr glänzenden Redner die Ver¬
tagung der Debatte beantragt wird, die nun selbstverständlich der Antragsteller
am nächsten Tag V26 Uhr wieder aufnimmt. Nach dem Schlüsse seiner Rede
kommt die Zeit der kleinen Leute, welche von 6 bis -10 Uhr sprechen, wo die
Diuerstunde kaum die unbedingt nothwendigen 40 Mitglieder im Hanse läßt.
Gegen 10 Uhr mischen sich schon wieder bedeutendere Männer,,in die Debatte
und> der geistige Kampf wird mit jeder Stunde lebhafter. Die Aufregung der
wetteifernden Parteien steigt aufs höchste und macht sich in dem Beifallszuruf
Luft, dem man den Namen Cheers gegeben hat. Das ist kein Hurral), kein
Bravo, kein Händeklatschen oder Fußstampfen, wie in andern gesetzgebenden Ver¬
sammlungen, sondern ein lautes, rasch wiederholtes und lange andauerndes Hort!
Hort! Wichtige Debatten dauern meistens sämmtliche vier Sitzungsabende der
Woche hindurch, Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag. Aeußerst selten
ziehen sie sich in die nächste Woche hinüber; meistens spricht der Führer der Op¬
position um zehn oder elf Uhr Freitags zum Schluß und das Mitglied des Mi¬
nisteriums, welches die Bill durchzubringen hat, antwortet ihm und resumirt die
Debatte. Eine oder zwei Stunden nach Mitternacht, am Sonnabend Morgen,
erfolgt dann endlich die entscheidende Abstimmung.

Bei solchen Gelegenheiten zeigt sich das Unterhaus von seiner charakteristischen
Seite. Jetzt leert sich das Haus rasch, wenn ein unbedeutender,"oder noch mehr,
wenn ein langweiliger Redner das Wort ergreift;> dann füllt es sich ebenso schnell
wieder, wenn eine der parlamentarischen Größen zu sprechen beginnt. Der Rede¬
stil des Unterhauses hat etwas ganz Eigenthümliches, eigentliche Rhetorik, die man
noch zu Cannings Zeiten hörte, wird gar nicht geduldet. Disraeli versuchte es,
als er zum ersten Male auftrat und erlitt eine schmähliche Niederlage. Aber als
er sich unter dem Gelächter des ganzen Hauses niedersetzte, prophezeite er 'ihnen,
daß die Zeit kommen würde, wo sie ihn anhören würden und er hat-Wort ge¬
halten, denn er hat den parlamentarischen Ton anschlagen gelernt wie wenig an¬
dere. Selbst wenn er eine große Rede hält, spricht er in einem gemüthlichen
und vertraulichen Tone, als ob er sich mit seinem Gegenüber, Lord John Rüssel,
angelegentlich unterhielte; und ans diesem Tone fällt er sogar äußerst selten
heraus, wenn er die bittersten Sarkasmen sagt; höchstens spricht er dann lang¬
samer und mit noch weniger Nachdruck, als fielen ihm die Worte wie zufällig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/15>, abgerufen am 22.12.2024.