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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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mißbilligten, dem Beispiele des Berichterstatters folgen und gegen die Rede Mon-
talemberts protestirend, für ihn stimmen müssen. Dieser Mann hat mit Talent
gesprochen, aber man kann diese Reden aus seinem Munde nur mit Achselzucken
anhören. Er sprach keinen einzigen, angeblich seine Gesinnungen leitenden Grund¬
satz aus, deit er uicht mit Füßen getreten; er kämpfte nicht gegen ein einziges
Unrecht, zu dem er der Negierung während der Republik nicht die Bahn gebro¬
chen hätte. Wenn einem Einzelnen bei Zuständen wie die gegenwärtigen vor¬
zügliche Schuld beigemessen werden kann, so ist es vor allem Montalembert. Er
kann von keiner Freiheit sprechen, ohne an die Wunden zu denken, die er ihr
geschlagen. -- Sein Kreuzzug im Innern war gegen jede Freiheit gerichtet und
die Regierung hatte ganz Recht, daß sie seiue Rede unverkürzt abdrucken ließ.
Selbst ihre Feinde werden bei einer Anklage von Montalembert zuerst daran den¬
ken, daß sie von Montalembert herrühre. Dieser Mann, der.schou alle Rollen
und alle Farben gespielt, mag es passend finden, nun auch ein wenig Mär-
tyrerthum zu vertreten; aber täuschen soll er niemand. Manches ist bei
dieser Gelegenheit zur Sprache gekommen, was für die Regierung besser unbe¬
rührt geblieben wäre und es hat sich wieder einmal herausgestellt, wie wenig es
eigentlich bedürfe, um die Tribüne wieder bedeutend zu machen. Die Bereitwillig¬
keit der Majorität verschwindet neben dem einzelnen gewichtigen Worte und wer
die Gesetze, nach welchem Kontraste wirken, zu berechnen versteht, der kann sich auch
einen Begriff davon machen, was. hente die Rede eines Chasseloup Laubat oder
Flavigny für einen Eindruck machen muß. Barsche war gradezu untüchtig neben
den Oppositionsrednern, und wir sprechen es wiederholt aus, wie wir uicht be¬
greifen können, was die Regierung gewonnen haben soll. Sie hatte sich die
Sache auch wahrscheinlich anders gedacht und gehofft, es würde zu eiuer Trans¬
action kommen. Es ist gewiß, daß Baroche die Ermächtigung in der Tasche
hatte, das VerfolguugSbegehreu der Negierung zurückzuziehen, falls sich Montalem¬
bert weniger aggressiv ausgesprochen hätte. Nun befindet sie sich blos in neuer
Verlegenheit, denn sie kapn nicht mit Gewißheit darauf zählen, daß Montalembert
anch verurtheilt werde, da man ihm die Schuld an der Veröffentlichung nicht nach-
. weisen kann und die Justiz denn doch Anstand nehmen dürfte, jemanden und noch
dazu Montalembert auf Grundlage eines Privatschreibens hin zu verurtheilen.
Sie thäte am klügste", wenn sie die Klage einschlafen ließe.




Literatur.

Sigelind, ein Normallustspiel von Wilhelm v. Merckel. Berlin, Schindler.
-- Der Verfasser hat sich bereits durch seinen frühern satirischen Versuch die


mißbilligten, dem Beispiele des Berichterstatters folgen und gegen die Rede Mon-
talemberts protestirend, für ihn stimmen müssen. Dieser Mann hat mit Talent
gesprochen, aber man kann diese Reden aus seinem Munde nur mit Achselzucken
anhören. Er sprach keinen einzigen, angeblich seine Gesinnungen leitenden Grund¬
satz aus, deit er uicht mit Füßen getreten; er kämpfte nicht gegen ein einziges
Unrecht, zu dem er der Negierung während der Republik nicht die Bahn gebro¬
chen hätte. Wenn einem Einzelnen bei Zuständen wie die gegenwärtigen vor¬
zügliche Schuld beigemessen werden kann, so ist es vor allem Montalembert. Er
kann von keiner Freiheit sprechen, ohne an die Wunden zu denken, die er ihr
geschlagen. — Sein Kreuzzug im Innern war gegen jede Freiheit gerichtet und
die Regierung hatte ganz Recht, daß sie seiue Rede unverkürzt abdrucken ließ.
Selbst ihre Feinde werden bei einer Anklage von Montalembert zuerst daran den¬
ken, daß sie von Montalembert herrühre. Dieser Mann, der.schou alle Rollen
und alle Farben gespielt, mag es passend finden, nun auch ein wenig Mär-
tyrerthum zu vertreten; aber täuschen soll er niemand. Manches ist bei
dieser Gelegenheit zur Sprache gekommen, was für die Regierung besser unbe¬
rührt geblieben wäre und es hat sich wieder einmal herausgestellt, wie wenig es
eigentlich bedürfe, um die Tribüne wieder bedeutend zu machen. Die Bereitwillig¬
keit der Majorität verschwindet neben dem einzelnen gewichtigen Worte und wer
die Gesetze, nach welchem Kontraste wirken, zu berechnen versteht, der kann sich auch
einen Begriff davon machen, was. hente die Rede eines Chasseloup Laubat oder
Flavigny für einen Eindruck machen muß. Barsche war gradezu untüchtig neben
den Oppositionsrednern, und wir sprechen es wiederholt aus, wie wir uicht be¬
greifen können, was die Regierung gewonnen haben soll. Sie hatte sich die
Sache auch wahrscheinlich anders gedacht und gehofft, es würde zu eiuer Trans¬
action kommen. Es ist gewiß, daß Baroche die Ermächtigung in der Tasche
hatte, das VerfolguugSbegehreu der Negierung zurückzuziehen, falls sich Montalem¬
bert weniger aggressiv ausgesprochen hätte. Nun befindet sie sich blos in neuer
Verlegenheit, denn sie kapn nicht mit Gewißheit darauf zählen, daß Montalembert
anch verurtheilt werde, da man ihm die Schuld an der Veröffentlichung nicht nach-
. weisen kann und die Justiz denn doch Anstand nehmen dürfte, jemanden und noch
dazu Montalembert auf Grundlage eines Privatschreibens hin zu verurtheilen.
Sie thäte am klügste», wenn sie die Klage einschlafen ließe.




Literatur.

Sigelind, ein Normallustspiel von Wilhelm v. Merckel. Berlin, Schindler.
— Der Verfasser hat sich bereits durch seinen frühern satirischen Versuch die


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[0126] mißbilligten, dem Beispiele des Berichterstatters folgen und gegen die Rede Mon- talemberts protestirend, für ihn stimmen müssen. Dieser Mann hat mit Talent gesprochen, aber man kann diese Reden aus seinem Munde nur mit Achselzucken anhören. Er sprach keinen einzigen, angeblich seine Gesinnungen leitenden Grund¬ satz aus, deit er uicht mit Füßen getreten; er kämpfte nicht gegen ein einziges Unrecht, zu dem er der Negierung während der Republik nicht die Bahn gebro¬ chen hätte. Wenn einem Einzelnen bei Zuständen wie die gegenwärtigen vor¬ zügliche Schuld beigemessen werden kann, so ist es vor allem Montalembert. Er kann von keiner Freiheit sprechen, ohne an die Wunden zu denken, die er ihr geschlagen. — Sein Kreuzzug im Innern war gegen jede Freiheit gerichtet und die Regierung hatte ganz Recht, daß sie seiue Rede unverkürzt abdrucken ließ. Selbst ihre Feinde werden bei einer Anklage von Montalembert zuerst daran den¬ ken, daß sie von Montalembert herrühre. Dieser Mann, der.schou alle Rollen und alle Farben gespielt, mag es passend finden, nun auch ein wenig Mär- tyrerthum zu vertreten; aber täuschen soll er niemand. Manches ist bei dieser Gelegenheit zur Sprache gekommen, was für die Regierung besser unbe¬ rührt geblieben wäre und es hat sich wieder einmal herausgestellt, wie wenig es eigentlich bedürfe, um die Tribüne wieder bedeutend zu machen. Die Bereitwillig¬ keit der Majorität verschwindet neben dem einzelnen gewichtigen Worte und wer die Gesetze, nach welchem Kontraste wirken, zu berechnen versteht, der kann sich auch einen Begriff davon machen, was. hente die Rede eines Chasseloup Laubat oder Flavigny für einen Eindruck machen muß. Barsche war gradezu untüchtig neben den Oppositionsrednern, und wir sprechen es wiederholt aus, wie wir uicht be¬ greifen können, was die Regierung gewonnen haben soll. Sie hatte sich die Sache auch wahrscheinlich anders gedacht und gehofft, es würde zu eiuer Trans¬ action kommen. Es ist gewiß, daß Baroche die Ermächtigung in der Tasche hatte, das VerfolguugSbegehreu der Negierung zurückzuziehen, falls sich Montalem¬ bert weniger aggressiv ausgesprochen hätte. Nun befindet sie sich blos in neuer Verlegenheit, denn sie kapn nicht mit Gewißheit darauf zählen, daß Montalembert anch verurtheilt werde, da man ihm die Schuld an der Veröffentlichung nicht nach- . weisen kann und die Justiz denn doch Anstand nehmen dürfte, jemanden und noch dazu Montalembert auf Grundlage eines Privatschreibens hin zu verurtheilen. Sie thäte am klügste», wenn sie die Klage einschlafen ließe. Literatur. Sigelind, ein Normallustspiel von Wilhelm v. Merckel. Berlin, Schindler. — Der Verfasser hat sich bereits durch seinen frühern satirischen Versuch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/125>, abgerufen am 23.07.2024.