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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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letztern Sommer sehr wenige Feuer in Stambul auskamen, obgleich zu jener Zeit
grade die Theuerung ihren Anfang nahm.

Zum ersten Male nach einer Reihe von Tagen hielten wir in Kvprili wieder
eine regelrechte, aus Suppe und mehren Gerichten bestehende Mahlzeit. Ich be¬
merke hierzu, daß die Türken, im Vergleich zur fränkischen (europäischen) Sitte
sehr luxuriös essen. Leute, die ein monatliches Einkommen von achthundert
Piastern (48 Thlr. preußisch) bilden, pflegen selten weniger als vier Schüsseln
zum Frühstück und acht zum Abendbrot auf den Tisch setzen zu lassen. Die Zu¬
bereitung ist ausnehmend sett, und man muß sich vorerst daran gewöhnen, ehe sie
unserem Gaumen behagen will.

Nach Kratowa.

Wir hatten nach Kratowa über zehn Stunden zu machen.und die Wege
dahin wurden uns im voraus als schlecht geschildert. Deshalb ließen wir bereits
zwei Stunden nach Mitternacht satteln und verließen Kvprili, als der Mond noch
hoch am Himmel stand, und alles rings um uns her in tiefer Finsterniß lag.
Sobald wir aus dem Thale aufklimmend die Höhe erreicht hatten, wurde der
Nachtwind äußerst empfindlich, dermaßen, daß ich mich nicht erinnere, in Deutsch¬
land jemals ähnlich gefroren zu habe". Und dennoch befanden wir uns erst in
der zweiten Hälfte des Octobers.

Als das Frühroth aufleuchtete, ließ sich die Gegend weithin übersehen. --
Halb rechts vor uns hatten wir in der Ferne eine Bergkette, sonst war das
Terrain mehr wellenförmig als bergig, aber es schien unfruchtbar und für den
Anbau wenig geeignet zu sein. Wir befanden uns nunmehr bereits im eigentlichen
Hoch-Macedonie". Auch im Alterthum mag dieser Strich nicht sehr dicht
bevölkert gewesen sein. Reste aus jener Zeit-nahmen wir nirgends wahr. Je
mehr wir uus Kratowa näherten, desto unwegsamer wurde die Straße. . Wir
hatten eine zahlreiche Menge von kleinen Bächen und Riesel zu überschreiten,
die zuweilen im Felsboden sich tiefe Betten eingewühlt hatten. Stellenweise war
der Weg gefährlich, indem er an den steilen Bergwänden entlang lief und sich
zuweilen auf die Breite eines Schrittes verengte. Unter sich, rechts oder links,
hatte man dann tiefe Abgründe, in denen schnellfließende Bergwasser rauschten.

Die Bergbewohner, welche uus begegneten, zeichneten sich durch eine be¬
sonders bunte, dann und wann reiche Kleidung, und durch zierliche Waffen ans.
Die Flinten, welche den meisten über die Schultern hingen, waren, wie wir sie
bereits in der Umgegend von Salonik gefunden, sehr lang und mit verzierten,
metallenen Kolben versehen. Dieser und jener trug eine mit Gold durchwirkte
Schärpe uni die Hüften geschlungen. Neben einer Anzahl altmodisch geformter,
langlänfiger Pistolen Staat darin das lange "Ohrenmesser", so genannt, weil in


13*.

letztern Sommer sehr wenige Feuer in Stambul auskamen, obgleich zu jener Zeit
grade die Theuerung ihren Anfang nahm.

Zum ersten Male nach einer Reihe von Tagen hielten wir in Kvprili wieder
eine regelrechte, aus Suppe und mehren Gerichten bestehende Mahlzeit. Ich be¬
merke hierzu, daß die Türken, im Vergleich zur fränkischen (europäischen) Sitte
sehr luxuriös essen. Leute, die ein monatliches Einkommen von achthundert
Piastern (48 Thlr. preußisch) bilden, pflegen selten weniger als vier Schüsseln
zum Frühstück und acht zum Abendbrot auf den Tisch setzen zu lassen. Die Zu¬
bereitung ist ausnehmend sett, und man muß sich vorerst daran gewöhnen, ehe sie
unserem Gaumen behagen will.

Nach Kratowa.

Wir hatten nach Kratowa über zehn Stunden zu machen.und die Wege
dahin wurden uns im voraus als schlecht geschildert. Deshalb ließen wir bereits
zwei Stunden nach Mitternacht satteln und verließen Kvprili, als der Mond noch
hoch am Himmel stand, und alles rings um uns her in tiefer Finsterniß lag.
Sobald wir aus dem Thale aufklimmend die Höhe erreicht hatten, wurde der
Nachtwind äußerst empfindlich, dermaßen, daß ich mich nicht erinnere, in Deutsch¬
land jemals ähnlich gefroren zu habe». Und dennoch befanden wir uns erst in
der zweiten Hälfte des Octobers.

Als das Frühroth aufleuchtete, ließ sich die Gegend weithin übersehen. —
Halb rechts vor uns hatten wir in der Ferne eine Bergkette, sonst war das
Terrain mehr wellenförmig als bergig, aber es schien unfruchtbar und für den
Anbau wenig geeignet zu sein. Wir befanden uns nunmehr bereits im eigentlichen
Hoch-Macedonie». Auch im Alterthum mag dieser Strich nicht sehr dicht
bevölkert gewesen sein. Reste aus jener Zeit-nahmen wir nirgends wahr. Je
mehr wir uus Kratowa näherten, desto unwegsamer wurde die Straße. . Wir
hatten eine zahlreiche Menge von kleinen Bächen und Riesel zu überschreiten,
die zuweilen im Felsboden sich tiefe Betten eingewühlt hatten. Stellenweise war
der Weg gefährlich, indem er an den steilen Bergwänden entlang lief und sich
zuweilen auf die Breite eines Schrittes verengte. Unter sich, rechts oder links,
hatte man dann tiefe Abgründe, in denen schnellfließende Bergwasser rauschten.

Die Bergbewohner, welche uus begegneten, zeichneten sich durch eine be¬
sonders bunte, dann und wann reiche Kleidung, und durch zierliche Waffen ans.
Die Flinten, welche den meisten über die Schultern hingen, waren, wie wir sie
bereits in der Umgegend von Salonik gefunden, sehr lang und mit verzierten,
metallenen Kolben versehen. Dieser und jener trug eine mit Gold durchwirkte
Schärpe uni die Hüften geschlungen. Neben einer Anzahl altmodisch geformter,
langlänfiger Pistolen Staat darin das lange „Ohrenmesser", so genannt, weil in


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[0107] letztern Sommer sehr wenige Feuer in Stambul auskamen, obgleich zu jener Zeit grade die Theuerung ihren Anfang nahm. Zum ersten Male nach einer Reihe von Tagen hielten wir in Kvprili wieder eine regelrechte, aus Suppe und mehren Gerichten bestehende Mahlzeit. Ich be¬ merke hierzu, daß die Türken, im Vergleich zur fränkischen (europäischen) Sitte sehr luxuriös essen. Leute, die ein monatliches Einkommen von achthundert Piastern (48 Thlr. preußisch) bilden, pflegen selten weniger als vier Schüsseln zum Frühstück und acht zum Abendbrot auf den Tisch setzen zu lassen. Die Zu¬ bereitung ist ausnehmend sett, und man muß sich vorerst daran gewöhnen, ehe sie unserem Gaumen behagen will. Nach Kratowa. Wir hatten nach Kratowa über zehn Stunden zu machen.und die Wege dahin wurden uns im voraus als schlecht geschildert. Deshalb ließen wir bereits zwei Stunden nach Mitternacht satteln und verließen Kvprili, als der Mond noch hoch am Himmel stand, und alles rings um uns her in tiefer Finsterniß lag. Sobald wir aus dem Thale aufklimmend die Höhe erreicht hatten, wurde der Nachtwind äußerst empfindlich, dermaßen, daß ich mich nicht erinnere, in Deutsch¬ land jemals ähnlich gefroren zu habe». Und dennoch befanden wir uns erst in der zweiten Hälfte des Octobers. Als das Frühroth aufleuchtete, ließ sich die Gegend weithin übersehen. — Halb rechts vor uns hatten wir in der Ferne eine Bergkette, sonst war das Terrain mehr wellenförmig als bergig, aber es schien unfruchtbar und für den Anbau wenig geeignet zu sein. Wir befanden uns nunmehr bereits im eigentlichen Hoch-Macedonie». Auch im Alterthum mag dieser Strich nicht sehr dicht bevölkert gewesen sein. Reste aus jener Zeit-nahmen wir nirgends wahr. Je mehr wir uus Kratowa näherten, desto unwegsamer wurde die Straße. . Wir hatten eine zahlreiche Menge von kleinen Bächen und Riesel zu überschreiten, die zuweilen im Felsboden sich tiefe Betten eingewühlt hatten. Stellenweise war der Weg gefährlich, indem er an den steilen Bergwänden entlang lief und sich zuweilen auf die Breite eines Schrittes verengte. Unter sich, rechts oder links, hatte man dann tiefe Abgründe, in denen schnellfließende Bergwasser rauschten. Die Bergbewohner, welche uus begegneten, zeichneten sich durch eine be¬ sonders bunte, dann und wann reiche Kleidung, und durch zierliche Waffen ans. Die Flinten, welche den meisten über die Schultern hingen, waren, wie wir sie bereits in der Umgegend von Salonik gefunden, sehr lang und mit verzierten, metallenen Kolben versehen. Dieser und jener trug eine mit Gold durchwirkte Schärpe uni die Hüften geschlungen. Neben einer Anzahl altmodisch geformter, langlänfiger Pistolen Staat darin das lange „Ohrenmesser", so genannt, weil in 13*.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/106>, abgerufen am 22.12.2024.