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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Mein lieber König, laß dich bitten,
Noch einen Nus an meinen Ritter!
Wohl weilt er fern und hört ihn nicht.

Daß sie in ihrer Seelenangst den Reim nicht bewahrt, wird ihr billig nicht
hoch angerechnet. AIS aber auch auf den zweiten Ruf niemand kommt, und
alle sie verurtheilen, fällt sie in brünstigem Gebet auf die Knie, und während
ihres Gebets kommt auf dem Fluß vom Schwan gezogen ein Ritter wie sie
ihn beschrieben hatte.

Die tiefbewegte Menge, erstaunt und gerührt durch das Wunder, jauchzt
dem Gottgesandten zu. Lohengrin verabschiedet den Schwan und gibt sich als
den von höherer Macht Gesendeten dadurch kund, daß er Elsa und ihre Noth
bereits kennt. Er wendet sich sofort an Elsa und fragt, ob sie sich ihm
anvertrauen wolle, und als sie von wonnigem Gefühle überwältigt ihm zu
Füßen sinkt, und sich ihm ganz ergibt, fragt er weiter, ob sie ihn, wenn er
singe, zum Gatten wolle, woraus sie die Worte erwidert:


Wie ich zu deinen Füßen liege,
geb' ich dir Leib und Seele frei,

deren Sinn leichter zu errathen als nachzuweisen ist. Und nun fordert er' von
ihr, wenn er ihr Gatte sein und das Land beschützen solle, das Gelübde:


Nie sollst du wich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art.

Sie verspricht es und als er nachdrücklich sein Gebot wiederholt, antwortet sie
auf seine ungefüge Rede


Wie gab' es Zweifels Schuld, die größer,
als die an dich den Glauben raubt?

waS sie sich schwerlich klar gemacht hat. Lohengrin aber hebt ergriffen und
entzückt Elsa an seine Brust und ruft: "Elsa, ich liebe dich!", wobei man
unwillkürlich an die naive Prinzessin Pumfia im Marionettenspiel erinnert
wird. Männer und Frauen, die eine solche Liebesscene in aller Natürlichkeit
vor versammeltem Volk schwerlich erlebt haben, fühlen das Herze sich vergehen,
wie sie den wonniglichen Mann schauen.

Was hierbei außer der großen Natürlichkeit befremdend auffällt, ist die Art,
wie Lohengrin von Elsa Zusage und Gelübde als Bedingung seiner Hilfe ver¬
langt, und ihr diese wie seine Liebe erst gewährt, nachdem sie sich ihm gänzlich
ergeben hat, was weder edel, noch ritterlich, noch männlich ist. In der einfachsten
Form der Sage im Parzival erklärt die Herzogin von Brabant, welche von
Land und Leuten gedrängt wird, sich zu vermählen, sie werde nur den zum Gemahl
erwählen, den ihr Gott sende; Lohengrin erscheint, und da sie ihn als den von
Gott gesandten erkennt, legt er ihr das Gelübde auf. Wie aber die Sage


Grenzboten. I. -I8L4. ' 12
Mein lieber König, laß dich bitten,
Noch einen Nus an meinen Ritter!
Wohl weilt er fern und hört ihn nicht.

Daß sie in ihrer Seelenangst den Reim nicht bewahrt, wird ihr billig nicht
hoch angerechnet. AIS aber auch auf den zweiten Ruf niemand kommt, und
alle sie verurtheilen, fällt sie in brünstigem Gebet auf die Knie, und während
ihres Gebets kommt auf dem Fluß vom Schwan gezogen ein Ritter wie sie
ihn beschrieben hatte.

Die tiefbewegte Menge, erstaunt und gerührt durch das Wunder, jauchzt
dem Gottgesandten zu. Lohengrin verabschiedet den Schwan und gibt sich als
den von höherer Macht Gesendeten dadurch kund, daß er Elsa und ihre Noth
bereits kennt. Er wendet sich sofort an Elsa und fragt, ob sie sich ihm
anvertrauen wolle, und als sie von wonnigem Gefühle überwältigt ihm zu
Füßen sinkt, und sich ihm ganz ergibt, fragt er weiter, ob sie ihn, wenn er
singe, zum Gatten wolle, woraus sie die Worte erwidert:


Wie ich zu deinen Füßen liege,
geb' ich dir Leib und Seele frei,

deren Sinn leichter zu errathen als nachzuweisen ist. Und nun fordert er' von
ihr, wenn er ihr Gatte sein und das Land beschützen solle, das Gelübde:


Nie sollst du wich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art.

Sie verspricht es und als er nachdrücklich sein Gebot wiederholt, antwortet sie
auf seine ungefüge Rede


Wie gab' es Zweifels Schuld, die größer,
als die an dich den Glauben raubt?

waS sie sich schwerlich klar gemacht hat. Lohengrin aber hebt ergriffen und
entzückt Elsa an seine Brust und ruft: „Elsa, ich liebe dich!", wobei man
unwillkürlich an die naive Prinzessin Pumfia im Marionettenspiel erinnert
wird. Männer und Frauen, die eine solche Liebesscene in aller Natürlichkeit
vor versammeltem Volk schwerlich erlebt haben, fühlen das Herze sich vergehen,
wie sie den wonniglichen Mann schauen.

Was hierbei außer der großen Natürlichkeit befremdend auffällt, ist die Art,
wie Lohengrin von Elsa Zusage und Gelübde als Bedingung seiner Hilfe ver¬
langt, und ihr diese wie seine Liebe erst gewährt, nachdem sie sich ihm gänzlich
ergeben hat, was weder edel, noch ritterlich, noch männlich ist. In der einfachsten
Form der Sage im Parzival erklärt die Herzogin von Brabant, welche von
Land und Leuten gedrängt wird, sich zu vermählen, sie werde nur den zum Gemahl
erwählen, den ihr Gott sende; Lohengrin erscheint, und da sie ihn als den von
Gott gesandten erkennt, legt er ihr das Gelübde auf. Wie aber die Sage


Grenzboten. I. -I8L4. ' 12
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[0097] Mein lieber König, laß dich bitten, Noch einen Nus an meinen Ritter! Wohl weilt er fern und hört ihn nicht. Daß sie in ihrer Seelenangst den Reim nicht bewahrt, wird ihr billig nicht hoch angerechnet. AIS aber auch auf den zweiten Ruf niemand kommt, und alle sie verurtheilen, fällt sie in brünstigem Gebet auf die Knie, und während ihres Gebets kommt auf dem Fluß vom Schwan gezogen ein Ritter wie sie ihn beschrieben hatte. Die tiefbewegte Menge, erstaunt und gerührt durch das Wunder, jauchzt dem Gottgesandten zu. Lohengrin verabschiedet den Schwan und gibt sich als den von höherer Macht Gesendeten dadurch kund, daß er Elsa und ihre Noth bereits kennt. Er wendet sich sofort an Elsa und fragt, ob sie sich ihm anvertrauen wolle, und als sie von wonnigem Gefühle überwältigt ihm zu Füßen sinkt, und sich ihm ganz ergibt, fragt er weiter, ob sie ihn, wenn er singe, zum Gatten wolle, woraus sie die Worte erwidert: Wie ich zu deinen Füßen liege, geb' ich dir Leib und Seele frei, deren Sinn leichter zu errathen als nachzuweisen ist. Und nun fordert er' von ihr, wenn er ihr Gatte sein und das Land beschützen solle, das Gelübde: Nie sollst du wich befragen, noch Wissens Sorge tragen, woher ich kam der Fahrt, noch wie mein Nam' und Art. Sie verspricht es und als er nachdrücklich sein Gebot wiederholt, antwortet sie auf seine ungefüge Rede Wie gab' es Zweifels Schuld, die größer, als die an dich den Glauben raubt? waS sie sich schwerlich klar gemacht hat. Lohengrin aber hebt ergriffen und entzückt Elsa an seine Brust und ruft: „Elsa, ich liebe dich!", wobei man unwillkürlich an die naive Prinzessin Pumfia im Marionettenspiel erinnert wird. Männer und Frauen, die eine solche Liebesscene in aller Natürlichkeit vor versammeltem Volk schwerlich erlebt haben, fühlen das Herze sich vergehen, wie sie den wonniglichen Mann schauen. Was hierbei außer der großen Natürlichkeit befremdend auffällt, ist die Art, wie Lohengrin von Elsa Zusage und Gelübde als Bedingung seiner Hilfe ver¬ langt, und ihr diese wie seine Liebe erst gewährt, nachdem sie sich ihm gänzlich ergeben hat, was weder edel, noch ritterlich, noch männlich ist. In der einfachsten Form der Sage im Parzival erklärt die Herzogin von Brabant, welche von Land und Leuten gedrängt wird, sich zu vermählen, sie werde nur den zum Gemahl erwählen, den ihr Gott sende; Lohengrin erscheint, und da sie ihn als den von Gott gesandten erkennt, legt er ihr das Gelübde auf. Wie aber die Sage Grenzboten. I. -I8L4. ' 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/97>, abgerufen am 22.07.2024.