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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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des Sinnes stört. Dagegen würde sich für die Nachlässigkeiten in der Sprache
und selbst in der Wiedergabe des Sinns, die wir mehrfach darin antreffen, kein
vernünftiger Grund anführen lassen.-- Ein Theil von den Fronleichnamöstücken
ist von Joseph von Eichendorff übersetzt, von andern hat Schack in seiner
Geschichte des spanischen Theaters einen Auszug gegeben. Wir machen noch
einige Bemerkungen über die Auswahl der Stücke.

Was die geistlichen Dramen betrifft, so hatte Schlegel bereits diejenigen
herausgefunden, die einen unmittelbaren Eindruck machen konnten. Gries hat
den "wunderthätigen Magus", Malsburg die "Sibylle des Orients" und "die
Morgenröthe im Kvpakavana" hinzugefügt; sie sind ziemlich spurlos vorüber¬
gegangen. ES wäre aber sehr wünschenswert!), nicht aus ästhetischen, sondern
aus culturhistorischen Gründen, auch die übrigen zu übersetzen, wobei sich von selbst
versteht, daß man sich die ganz überflüssige Mühe des Metrums und des Reims
ersparen könnte. Eine getreue, prosaische Uebersetzung würde hier, wo es ans
keinen unmittelbaren Eindruck ankommt, vollständig ausreichen. Wir meinen
namentlich die "Wiederherstellung des Gnadenbildes der Jungfrau", von welchem
Valentin Schmidt in den Wiener Jahrbüchern 1822 in Beziehung auf die Quellen
eine sehr gründliche und gelehrte Analyse gibt, ferner die "Erhebung des Kreuzes,
die Kirchentrennnng von England, (von Valentin Schmidt in einer eigenen Schrift,
Berlin, Maurer 1819, behandelt) den großen Fürsten von Fez, das Fegefeuer
des heiligen Patrizins, die Ketten des Teufels und die beiden Liebhaber des
Himmels". Eine Zusammenstellung dieser und vielleicht einiger anderer spanischen
Stücke würde ein großer Gewinn für die Naturgeschichte der katholischen
Religion sein.

Den glücklichsten Griff hat Gries in seinem 1. Bd. (I81S) mit dem "Leben
ein Traum" gethan. Das Stück wird noch heute überall mit großem Beifall
aufgeführt, weil die Handlung in der Thal sehr bunt und spannend ist und weil
die symbolische Bedeutung leicht und eindringlich in die Augen springt. Auf das
deutsche Theater hat dieses Stück unter allen den größten Einfluß geübt. Die
übrigen symbolisirenden Dramen (Zenobia, Herodes, Semiranüs, Absalon bei
Gries und "Alles ist Wahrheit und Alles Lüge" bei Martin) haben mit Recht
weniger Anklang gesunden, weil sie eigentlich nur eine theatralische Bedeutung
haben und diese auf unserem Theater nicht hervortreten kann. Dasselbe gilt von
den Nitterstücken, die mit einem sehr großen Aufwand von Mitteln im ganzen
ein sehr geringes Interesse hervorrufe", sowie von den mythologischen Dramen,
von denen namentlich Malsburg und Martin einen guten Theil übersetzt haben,
und deren Composition wol das ernsthafteste Studium verdiente, weil wir daraus
auch für die religiösen Dramen Caloerons manche wichtige Aufschlüsse erhalten.

Endlich bleiben uns noch die Lustspiele übrig oder wie sie im Spanischen
genannt werden, die "Mantel- und Degenstücke" weil das spanische Lustspiel es


des Sinnes stört. Dagegen würde sich für die Nachlässigkeiten in der Sprache
und selbst in der Wiedergabe des Sinns, die wir mehrfach darin antreffen, kein
vernünftiger Grund anführen lassen.— Ein Theil von den Fronleichnamöstücken
ist von Joseph von Eichendorff übersetzt, von andern hat Schack in seiner
Geschichte des spanischen Theaters einen Auszug gegeben. Wir machen noch
einige Bemerkungen über die Auswahl der Stücke.

Was die geistlichen Dramen betrifft, so hatte Schlegel bereits diejenigen
herausgefunden, die einen unmittelbaren Eindruck machen konnten. Gries hat
den „wunderthätigen Magus", Malsburg die „Sibylle des Orients" und „die
Morgenröthe im Kvpakavana" hinzugefügt; sie sind ziemlich spurlos vorüber¬
gegangen. ES wäre aber sehr wünschenswert!), nicht aus ästhetischen, sondern
aus culturhistorischen Gründen, auch die übrigen zu übersetzen, wobei sich von selbst
versteht, daß man sich die ganz überflüssige Mühe des Metrums und des Reims
ersparen könnte. Eine getreue, prosaische Uebersetzung würde hier, wo es ans
keinen unmittelbaren Eindruck ankommt, vollständig ausreichen. Wir meinen
namentlich die „Wiederherstellung des Gnadenbildes der Jungfrau", von welchem
Valentin Schmidt in den Wiener Jahrbüchern 1822 in Beziehung auf die Quellen
eine sehr gründliche und gelehrte Analyse gibt, ferner die „Erhebung des Kreuzes,
die Kirchentrennnng von England, (von Valentin Schmidt in einer eigenen Schrift,
Berlin, Maurer 1819, behandelt) den großen Fürsten von Fez, das Fegefeuer
des heiligen Patrizins, die Ketten des Teufels und die beiden Liebhaber des
Himmels". Eine Zusammenstellung dieser und vielleicht einiger anderer spanischen
Stücke würde ein großer Gewinn für die Naturgeschichte der katholischen
Religion sein.

Den glücklichsten Griff hat Gries in seinem 1. Bd. (I81S) mit dem „Leben
ein Traum" gethan. Das Stück wird noch heute überall mit großem Beifall
aufgeführt, weil die Handlung in der Thal sehr bunt und spannend ist und weil
die symbolische Bedeutung leicht und eindringlich in die Augen springt. Auf das
deutsche Theater hat dieses Stück unter allen den größten Einfluß geübt. Die
übrigen symbolisirenden Dramen (Zenobia, Herodes, Semiranüs, Absalon bei
Gries und „Alles ist Wahrheit und Alles Lüge" bei Martin) haben mit Recht
weniger Anklang gesunden, weil sie eigentlich nur eine theatralische Bedeutung
haben und diese auf unserem Theater nicht hervortreten kann. Dasselbe gilt von
den Nitterstücken, die mit einem sehr großen Aufwand von Mitteln im ganzen
ein sehr geringes Interesse hervorrufe», sowie von den mythologischen Dramen,
von denen namentlich Malsburg und Martin einen guten Theil übersetzt haben,
und deren Composition wol das ernsthafteste Studium verdiente, weil wir daraus
auch für die religiösen Dramen Caloerons manche wichtige Aufschlüsse erhalten.

Endlich bleiben uns noch die Lustspiele übrig oder wie sie im Spanischen
genannt werden, die „Mantel- und Degenstücke" weil das spanische Lustspiel es


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[0056] des Sinnes stört. Dagegen würde sich für die Nachlässigkeiten in der Sprache und selbst in der Wiedergabe des Sinns, die wir mehrfach darin antreffen, kein vernünftiger Grund anführen lassen.— Ein Theil von den Fronleichnamöstücken ist von Joseph von Eichendorff übersetzt, von andern hat Schack in seiner Geschichte des spanischen Theaters einen Auszug gegeben. Wir machen noch einige Bemerkungen über die Auswahl der Stücke. Was die geistlichen Dramen betrifft, so hatte Schlegel bereits diejenigen herausgefunden, die einen unmittelbaren Eindruck machen konnten. Gries hat den „wunderthätigen Magus", Malsburg die „Sibylle des Orients" und „die Morgenröthe im Kvpakavana" hinzugefügt; sie sind ziemlich spurlos vorüber¬ gegangen. ES wäre aber sehr wünschenswert!), nicht aus ästhetischen, sondern aus culturhistorischen Gründen, auch die übrigen zu übersetzen, wobei sich von selbst versteht, daß man sich die ganz überflüssige Mühe des Metrums und des Reims ersparen könnte. Eine getreue, prosaische Uebersetzung würde hier, wo es ans keinen unmittelbaren Eindruck ankommt, vollständig ausreichen. Wir meinen namentlich die „Wiederherstellung des Gnadenbildes der Jungfrau", von welchem Valentin Schmidt in den Wiener Jahrbüchern 1822 in Beziehung auf die Quellen eine sehr gründliche und gelehrte Analyse gibt, ferner die „Erhebung des Kreuzes, die Kirchentrennnng von England, (von Valentin Schmidt in einer eigenen Schrift, Berlin, Maurer 1819, behandelt) den großen Fürsten von Fez, das Fegefeuer des heiligen Patrizins, die Ketten des Teufels und die beiden Liebhaber des Himmels". Eine Zusammenstellung dieser und vielleicht einiger anderer spanischen Stücke würde ein großer Gewinn für die Naturgeschichte der katholischen Religion sein. Den glücklichsten Griff hat Gries in seinem 1. Bd. (I81S) mit dem „Leben ein Traum" gethan. Das Stück wird noch heute überall mit großem Beifall aufgeführt, weil die Handlung in der Thal sehr bunt und spannend ist und weil die symbolische Bedeutung leicht und eindringlich in die Augen springt. Auf das deutsche Theater hat dieses Stück unter allen den größten Einfluß geübt. Die übrigen symbolisirenden Dramen (Zenobia, Herodes, Semiranüs, Absalon bei Gries und „Alles ist Wahrheit und Alles Lüge" bei Martin) haben mit Recht weniger Anklang gesunden, weil sie eigentlich nur eine theatralische Bedeutung haben und diese auf unserem Theater nicht hervortreten kann. Dasselbe gilt von den Nitterstücken, die mit einem sehr großen Aufwand von Mitteln im ganzen ein sehr geringes Interesse hervorrufe», sowie von den mythologischen Dramen, von denen namentlich Malsburg und Martin einen guten Theil übersetzt haben, und deren Composition wol das ernsthafteste Studium verdiente, weil wir daraus auch für die religiösen Dramen Caloerons manche wichtige Aufschlüsse erhalten. Endlich bleiben uns noch die Lustspiele übrig oder wie sie im Spanischen genannt werden, die „Mantel- und Degenstücke" weil das spanische Lustspiel es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/56>, abgerufen am 28.09.2024.