Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einen ziemlich umfangreichen See n"d, am Gestade desselben ans einige Weiler
herniedersah. Dieser Punkt heißt Ostrowa und der See Ostrowa-Got.

Ein Landsee, mitten im Gebirge, hat für den Reisenden immer etwas' Ueber-
raschendes. Das Ange ist zwischen den Steilhängen der Berge, inmitten der
Schluchten und tiefen Thäler gleichsam des Anschauens horizontaler Flächen ent¬
wöhnt. Alle Abmessungen in der Wagcrechteu erscheinen ihm größer, ranmum-
fasseuder. Aber der Ostrowa-Got ist wirklich ein bedeutender See. Er ist von
anderer Form, als er sich auf den meisten Karten verzeichnet findet, vielgegliedert,
und in der Mitte liegt eine Insel, wenn ich mich recht erinnere, mit einer alten
Moschee und sehr verfallenen Mauern.

Unsere Näst in Ostrowa war nnr von kurzer Dauer; die >Sonne war eben
im Untergehen begriffen-; als wir aufs neue zu Pferde gestiegen, funkelten ihre
letzten Strahlen in den Finten. Bei Nacht dnrch eine unbekannte Gegend zu
ziehen, hat einen besondern Neiz; derselbe steigert sich aber noch, wenn außerge¬
wöhnliche Umstände sich mit ihm verknüpfen. Dieses war hier der Fall. In
Imi-Schehir bereits hatte man uus gesagt, d,aß sich bei Ostrowa zuweilen Räuber
gezeigt hätten, wilde und verwegene Gesellen aus den entlegeneren Bergen und
die es uicht allzu genau damit nähmen, ihr Gewissen mit einem Mord zu belade".
Ju letzter Zeit, und zwar bereits seit mehren Ja-Hreu habe die Regierung unter
ihnen aufgeräumt und die Sicherheit habe "och zugenommen, nachdem seit dem
montenegrinischen Kriege stets Soldaten deö Weges gezogen, auch wisse man in
neuester Zeit von keinen Naubaufälleu, -- ganz aber könne man für nichts garan-
tiren.") Meine Reisegefährten machten ihre Pistolen schußfertig und wir ritte"
gedrängter hintereinander, als wir es vorher gethan. Auch war dies noch aus
anderen Gründen, als der bloßen Sicherheit wegen nöthig. Nachdem es dunkel
geworden, wurde es nämlich nothwendig, daß die Pferde genau in die Spur
ihrer Vorgänger eintraten, da der Pfad nur schmal war und ein Fehltreten leicht
den Sturz in deu seitwärtigeu Abgrund zur Folge haben konnte. Endlich hatten
wir den Kamm der Bergkette erreicht, welche sich dicht am See entlang zieht.
Ans der Ferne klangen gleichzeitig Stimmen zu uns; beim Näherkomme" wurde
eine Anzahl Reiter sichtbar, die dicht am Wege hielte". Es waren reisende
Kaufleute, zumeist wol Juden, aus Salonik. Alle trüge" Turbane und hatten
sich gegen deu Thau u"d frostige" Nachtwind vo" unde" hinauf bis z" de" A"ge"
i" dichte, weiße Gewä"der gehüllt. El" Selam! (Gruß!) war alles, was wir
mit ihne" austauschten. Kurze Zeit darnach ging der Mond auf und ließ uus
die Gegend wiederum im weitere" Kreise überschaue". Sie war kahl und öde;
die Steingerölle "ud Felstrümmer herrschten mehr, als die Vegetation darin



') Dabei muß ich erwähnen, daß die Sicherheit im türkische" Reich weit weniger ge¬
fährdet ist. als man im allgemeinen annimmt und daß z. B. ans der ganze" Strecken von
jlr'nstantinvpci bis Belgrad nnr bei Mrianvpel Anfälle vorkomme".

einen ziemlich umfangreichen See n»d, am Gestade desselben ans einige Weiler
herniedersah. Dieser Punkt heißt Ostrowa und der See Ostrowa-Got.

Ein Landsee, mitten im Gebirge, hat für den Reisenden immer etwas' Ueber-
raschendes. Das Ange ist zwischen den Steilhängen der Berge, inmitten der
Schluchten und tiefen Thäler gleichsam des Anschauens horizontaler Flächen ent¬
wöhnt. Alle Abmessungen in der Wagcrechteu erscheinen ihm größer, ranmum-
fasseuder. Aber der Ostrowa-Got ist wirklich ein bedeutender See. Er ist von
anderer Form, als er sich auf den meisten Karten verzeichnet findet, vielgegliedert,
und in der Mitte liegt eine Insel, wenn ich mich recht erinnere, mit einer alten
Moschee und sehr verfallenen Mauern.

Unsere Näst in Ostrowa war nnr von kurzer Dauer; die >Sonne war eben
im Untergehen begriffen-; als wir aufs neue zu Pferde gestiegen, funkelten ihre
letzten Strahlen in den Finten. Bei Nacht dnrch eine unbekannte Gegend zu
ziehen, hat einen besondern Neiz; derselbe steigert sich aber noch, wenn außerge¬
wöhnliche Umstände sich mit ihm verknüpfen. Dieses war hier der Fall. In
Imi-Schehir bereits hatte man uus gesagt, d,aß sich bei Ostrowa zuweilen Räuber
gezeigt hätten, wilde und verwegene Gesellen aus den entlegeneren Bergen und
die es uicht allzu genau damit nähmen, ihr Gewissen mit einem Mord zu belade».
Ju letzter Zeit, und zwar bereits seit mehren Ja-Hreu habe die Regierung unter
ihnen aufgeräumt und die Sicherheit habe »och zugenommen, nachdem seit dem
montenegrinischen Kriege stets Soldaten deö Weges gezogen, auch wisse man in
neuester Zeit von keinen Naubaufälleu, — ganz aber könne man für nichts garan-
tiren.") Meine Reisegefährten machten ihre Pistolen schußfertig und wir ritte»
gedrängter hintereinander, als wir es vorher gethan. Auch war dies noch aus
anderen Gründen, als der bloßen Sicherheit wegen nöthig. Nachdem es dunkel
geworden, wurde es nämlich nothwendig, daß die Pferde genau in die Spur
ihrer Vorgänger eintraten, da der Pfad nur schmal war und ein Fehltreten leicht
den Sturz in deu seitwärtigeu Abgrund zur Folge haben konnte. Endlich hatten
wir den Kamm der Bergkette erreicht, welche sich dicht am See entlang zieht.
Ans der Ferne klangen gleichzeitig Stimmen zu uns; beim Näherkomme» wurde
eine Anzahl Reiter sichtbar, die dicht am Wege hielte». Es waren reisende
Kaufleute, zumeist wol Juden, aus Salonik. Alle trüge» Turbane und hatten
sich gegen deu Thau u»d frostige» Nachtwind vo» unde» hinauf bis z» de» A»ge»
i» dichte, weiße Gewä»der gehüllt. El» Selam! (Gruß!) war alles, was wir
mit ihne» austauschten. Kurze Zeit darnach ging der Mond auf und ließ uus
die Gegend wiederum im weitere» Kreise überschaue». Sie war kahl und öde;
die Steingerölle »ud Felstrümmer herrschten mehr, als die Vegetation darin



') Dabei muß ich erwähnen, daß die Sicherheit im türkische» Reich weit weniger ge¬
fährdet ist. als man im allgemeinen annimmt und daß z. B. ans der ganze» Strecken von
jlr'nstantinvpci bis Belgrad nnr bei Mrianvpel Anfälle vorkomme».
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97702"/>
            <p xml:id="ID_1278" prev="#ID_1277"> einen ziemlich umfangreichen See n»d, am Gestade desselben ans einige Weiler<lb/>
herniedersah.  Dieser Punkt heißt Ostrowa und der See Ostrowa-Got.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1279"> Ein Landsee, mitten im Gebirge, hat für den Reisenden immer etwas' Ueber-<lb/>
raschendes. Das Ange ist zwischen den Steilhängen der Berge, inmitten der<lb/>
Schluchten und tiefen Thäler gleichsam des Anschauens horizontaler Flächen ent¬<lb/>
wöhnt. Alle Abmessungen in der Wagcrechteu erscheinen ihm größer, ranmum-<lb/>
fasseuder. Aber der Ostrowa-Got ist wirklich ein bedeutender See. Er ist von<lb/>
anderer Form, als er sich auf den meisten Karten verzeichnet findet, vielgegliedert,<lb/>
und in der Mitte liegt eine Insel, wenn ich mich recht erinnere, mit einer alten<lb/>
Moschee und sehr verfallenen Mauern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1280" next="#ID_1281"> Unsere Näst in Ostrowa war nnr von kurzer Dauer; die &gt;Sonne war eben<lb/>
im Untergehen begriffen-; als wir aufs neue zu Pferde gestiegen, funkelten ihre<lb/>
letzten Strahlen in den Finten. Bei Nacht dnrch eine unbekannte Gegend zu<lb/>
ziehen, hat einen besondern Neiz; derselbe steigert sich aber noch, wenn außerge¬<lb/>
wöhnliche Umstände sich mit ihm verknüpfen. Dieses war hier der Fall. In<lb/>
Imi-Schehir bereits hatte man uus gesagt, d,aß sich bei Ostrowa zuweilen Räuber<lb/>
gezeigt hätten, wilde und verwegene Gesellen aus den entlegeneren Bergen und<lb/>
die es uicht allzu genau damit nähmen, ihr Gewissen mit einem Mord zu belade».<lb/>
Ju letzter Zeit, und zwar bereits seit mehren Ja-Hreu habe die Regierung unter<lb/>
ihnen aufgeräumt und die Sicherheit habe »och zugenommen, nachdem seit dem<lb/>
montenegrinischen Kriege stets Soldaten deö Weges gezogen, auch wisse man in<lb/>
neuester Zeit von keinen Naubaufälleu, &#x2014; ganz aber könne man für nichts garan-<lb/>
tiren.") Meine Reisegefährten machten ihre Pistolen schußfertig und wir ritte»<lb/>
gedrängter hintereinander, als wir es vorher gethan. Auch war dies noch aus<lb/>
anderen Gründen, als der bloßen Sicherheit wegen nöthig. Nachdem es dunkel<lb/>
geworden, wurde es nämlich nothwendig, daß die Pferde genau in die Spur<lb/>
ihrer Vorgänger eintraten, da der Pfad nur schmal war und ein Fehltreten leicht<lb/>
den Sturz in deu seitwärtigeu Abgrund zur Folge haben konnte. Endlich hatten<lb/>
wir den Kamm der Bergkette erreicht, welche sich dicht am See entlang zieht.<lb/>
Ans der Ferne klangen gleichzeitig Stimmen zu uns; beim Näherkomme» wurde<lb/>
eine Anzahl Reiter sichtbar, die dicht am Wege hielte». Es waren reisende<lb/>
Kaufleute, zumeist wol Juden, aus Salonik. Alle trüge» Turbane und hatten<lb/>
sich gegen deu Thau u»d frostige» Nachtwind vo» unde» hinauf bis z» de» A»ge»<lb/>
i» dichte, weiße Gewä»der gehüllt. El» Selam! (Gruß!) war alles, was wir<lb/>
mit ihne» austauschten. Kurze Zeit darnach ging der Mond auf und ließ uus<lb/>
die Gegend wiederum im weitere» Kreise überschaue». Sie war kahl und öde;<lb/>
die Steingerölle »ud Felstrümmer herrschten mehr, als die Vegetation darin</p><lb/>
            <note xml:id="FID_15" place="foot"> ') Dabei muß ich erwähnen, daß die Sicherheit im türkische» Reich weit weniger ge¬<lb/>
fährdet ist. als man im allgemeinen annimmt und daß z. B. ans der ganze» Strecken von<lb/>
jlr'nstantinvpci bis Belgrad nnr bei Mrianvpel Anfälle vorkomme».</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0456] einen ziemlich umfangreichen See n»d, am Gestade desselben ans einige Weiler herniedersah. Dieser Punkt heißt Ostrowa und der See Ostrowa-Got. Ein Landsee, mitten im Gebirge, hat für den Reisenden immer etwas' Ueber- raschendes. Das Ange ist zwischen den Steilhängen der Berge, inmitten der Schluchten und tiefen Thäler gleichsam des Anschauens horizontaler Flächen ent¬ wöhnt. Alle Abmessungen in der Wagcrechteu erscheinen ihm größer, ranmum- fasseuder. Aber der Ostrowa-Got ist wirklich ein bedeutender See. Er ist von anderer Form, als er sich auf den meisten Karten verzeichnet findet, vielgegliedert, und in der Mitte liegt eine Insel, wenn ich mich recht erinnere, mit einer alten Moschee und sehr verfallenen Mauern. Unsere Näst in Ostrowa war nnr von kurzer Dauer; die >Sonne war eben im Untergehen begriffen-; als wir aufs neue zu Pferde gestiegen, funkelten ihre letzten Strahlen in den Finten. Bei Nacht dnrch eine unbekannte Gegend zu ziehen, hat einen besondern Neiz; derselbe steigert sich aber noch, wenn außerge¬ wöhnliche Umstände sich mit ihm verknüpfen. Dieses war hier der Fall. In Imi-Schehir bereits hatte man uus gesagt, d,aß sich bei Ostrowa zuweilen Räuber gezeigt hätten, wilde und verwegene Gesellen aus den entlegeneren Bergen und die es uicht allzu genau damit nähmen, ihr Gewissen mit einem Mord zu belade». Ju letzter Zeit, und zwar bereits seit mehren Ja-Hreu habe die Regierung unter ihnen aufgeräumt und die Sicherheit habe »och zugenommen, nachdem seit dem montenegrinischen Kriege stets Soldaten deö Weges gezogen, auch wisse man in neuester Zeit von keinen Naubaufälleu, — ganz aber könne man für nichts garan- tiren.") Meine Reisegefährten machten ihre Pistolen schußfertig und wir ritte» gedrängter hintereinander, als wir es vorher gethan. Auch war dies noch aus anderen Gründen, als der bloßen Sicherheit wegen nöthig. Nachdem es dunkel geworden, wurde es nämlich nothwendig, daß die Pferde genau in die Spur ihrer Vorgänger eintraten, da der Pfad nur schmal war und ein Fehltreten leicht den Sturz in deu seitwärtigeu Abgrund zur Folge haben konnte. Endlich hatten wir den Kamm der Bergkette erreicht, welche sich dicht am See entlang zieht. Ans der Ferne klangen gleichzeitig Stimmen zu uns; beim Näherkomme» wurde eine Anzahl Reiter sichtbar, die dicht am Wege hielte». Es waren reisende Kaufleute, zumeist wol Juden, aus Salonik. Alle trüge» Turbane und hatten sich gegen deu Thau u»d frostige» Nachtwind vo» unde» hinauf bis z» de» A»ge» i» dichte, weiße Gewä»der gehüllt. El» Selam! (Gruß!) war alles, was wir mit ihne» austauschten. Kurze Zeit darnach ging der Mond auf und ließ uus die Gegend wiederum im weitere» Kreise überschaue». Sie war kahl und öde; die Steingerölle »ud Felstrümmer herrschten mehr, als die Vegetation darin ') Dabei muß ich erwähnen, daß die Sicherheit im türkische» Reich weit weniger ge¬ fährdet ist. als man im allgemeinen annimmt und daß z. B. ans der ganze» Strecken von jlr'nstantinvpci bis Belgrad nnr bei Mrianvpel Anfälle vorkomme».

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/456
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/456>, abgerufen am 22.07.2024.