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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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ebene am katholischen Glauben hangt, obwol die Kirche die ursprüngliche Gottes¬
furcht und das Gewisse" der Menschen dnrch eine Menge von heiligem Apparat
verhüllte und die Religion fast nichts als das Darlehn der Geistlichkeit ist. Vom
Protestantismus weiß der dortige Bauer so wenig wie ein Italiener. Erfährt er
ja, daß der Bürger, welcher Holz von ihm kauft, ein Protestant sei, so wird er
ihn zu übcrthcucrn suchen: im übrigen kümmert er sich nicht um die Streitigkeiten
und Feinheiten der Städte und die Wiedertäufer, welche sich in seiner MitK als
Gutsbesitzer niederließen, läßt er als vereinzelte Sonderlinge gewähren. Seine
Ergebenheit an die katholische Kirche ist unbedingt. Ans allen Wege", anf jedem
Hügel findet man die Bilder des großen Dulders am Krenz und seiner als Ideal
der Weiblichkeit verehrten Mutter. Allein wer weckt bei dem Bauer den ganzen
Inhalt dieser Bilder? Wer lehrt ihn, den Gedankenschatz von Gott, Tugend,
Tod und Unsterblichkeit in diese Bilder hineinzulegen, oder, wenn man. lieber will,
herauszunehmen? -- Waren es die früheren lebhaften Beziehungen zu Italien, welche
den Bilderdienst in diesen Gegenden einführte", so sind es deshalb noch lange
nicht lauter Gemälde aus römischer und venetianischer Schule, welche sich in den
Dörfern finden. Der Bauer versorgt sich damit ans den Jahrmärkten, wo er
seine Kruzifixe zwischen den hölzernen Löffeln und Nußknackern und Se. Ursula
oder Se. Bernhard zwischen Napoleons Uebergang über die Alpen und allen
Potentaten herauszufinden weiß. Zwar ist es in manchen Kreise" Modesache von
dem hohen Alterthum der Holzschnitzerei Oberammergaus und Berchtesgadens
mit knnstvcrständigem Eriist zu rede"; ihre Prod"ete wäre" aber bisher meist
widrig und abgeschmackt. Bleibt es dessenungeachtet >v.ahr, daß dem Volke, bei
seiner großen Neigung, solche Schnitzwerke zu kaufen und aufzustellen, von dieser
Seite beizukommen ist und genaht werde" muß, um deu Sinn für schönere und
edlere Formen zu wecken, so war es allerdings eine ganz richtige Maßregel der
baierschen Regierung, in den genannten Hvlzschnitzereibezirken förmliche Zeichnen¬
schulen anzulegen. Indeß ist der Weg der Veredelung von dieser Seite ""strei¬
tig el" sehr langsamer und man darf der Sache daher auch uicht zu große" Werth
beilegen. Bei der Masse der Kupferstiche und Lithographien, schwarzen und far¬
bigen, zeigte sichs schon, wie wenig durch directe Einflüsse auszurichten sei, und
die Negierung hat sich darauf beschränkt, loyale, aber nichts weniger als geschmack¬
volle Schreibbuchnmschläge und Bilderbogen aus der baierscheu Geschichte zu
empfehle". Gesetzt aber a"es, es sei möglich, dieselben besser herzustellen, so läßt
sich der Bauer das Gute dennoch nicht aufdrängen. Für ihn bleibt das Feinere
und Edlere noch ungesehen und uur das Grelle und Starke zieht und reizt ihn.
Weit mehr als mit der Aesthetik würde hier also mit der Moral anzugreifen sei",
und mit dieser sehr ernstlich und energisch, denn mit den Sitten sieht es in den
oberbaicrschen Provinzen "och gar übel aus.


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ebene am katholischen Glauben hangt, obwol die Kirche die ursprüngliche Gottes¬
furcht und das Gewisse« der Menschen dnrch eine Menge von heiligem Apparat
verhüllte und die Religion fast nichts als das Darlehn der Geistlichkeit ist. Vom
Protestantismus weiß der dortige Bauer so wenig wie ein Italiener. Erfährt er
ja, daß der Bürger, welcher Holz von ihm kauft, ein Protestant sei, so wird er
ihn zu übcrthcucrn suchen: im übrigen kümmert er sich nicht um die Streitigkeiten
und Feinheiten der Städte und die Wiedertäufer, welche sich in seiner MitK als
Gutsbesitzer niederließen, läßt er als vereinzelte Sonderlinge gewähren. Seine
Ergebenheit an die katholische Kirche ist unbedingt. Ans allen Wege», anf jedem
Hügel findet man die Bilder des großen Dulders am Krenz und seiner als Ideal
der Weiblichkeit verehrten Mutter. Allein wer weckt bei dem Bauer den ganzen
Inhalt dieser Bilder? Wer lehrt ihn, den Gedankenschatz von Gott, Tugend,
Tod und Unsterblichkeit in diese Bilder hineinzulegen, oder, wenn man. lieber will,
herauszunehmen? — Waren es die früheren lebhaften Beziehungen zu Italien, welche
den Bilderdienst in diesen Gegenden einführte», so sind es deshalb noch lange
nicht lauter Gemälde aus römischer und venetianischer Schule, welche sich in den
Dörfern finden. Der Bauer versorgt sich damit ans den Jahrmärkten, wo er
seine Kruzifixe zwischen den hölzernen Löffeln und Nußknackern und Se. Ursula
oder Se. Bernhard zwischen Napoleons Uebergang über die Alpen und allen
Potentaten herauszufinden weiß. Zwar ist es in manchen Kreise» Modesache von
dem hohen Alterthum der Holzschnitzerei Oberammergaus und Berchtesgadens
mit knnstvcrständigem Eriist zu rede»; ihre Prod»ete wäre» aber bisher meist
widrig und abgeschmackt. Bleibt es dessenungeachtet >v.ahr, daß dem Volke, bei
seiner großen Neigung, solche Schnitzwerke zu kaufen und aufzustellen, von dieser
Seite beizukommen ist und genaht werde» muß, um deu Sinn für schönere und
edlere Formen zu wecken, so war es allerdings eine ganz richtige Maßregel der
baierschen Regierung, in den genannten Hvlzschnitzereibezirken förmliche Zeichnen¬
schulen anzulegen. Indeß ist der Weg der Veredelung von dieser Seite »»strei¬
tig el» sehr langsamer und man darf der Sache daher auch uicht zu große» Werth
beilegen. Bei der Masse der Kupferstiche und Lithographien, schwarzen und far¬
bigen, zeigte sichs schon, wie wenig durch directe Einflüsse auszurichten sei, und
die Negierung hat sich darauf beschränkt, loyale, aber nichts weniger als geschmack¬
volle Schreibbuchnmschläge und Bilderbogen aus der baierscheu Geschichte zu
empfehle». Gesetzt aber a»es, es sei möglich, dieselben besser herzustellen, so läßt
sich der Bauer das Gute dennoch nicht aufdrängen. Für ihn bleibt das Feinere
und Edlere noch ungesehen und uur das Grelle und Starke zieht und reizt ihn.
Weit mehr als mit der Aesthetik würde hier also mit der Moral anzugreifen sei»,
und mit dieser sehr ernstlich und energisch, denn mit den Sitten sieht es in den
oberbaicrschen Provinzen »och gar übel aus.


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[0433] ebene am katholischen Glauben hangt, obwol die Kirche die ursprüngliche Gottes¬ furcht und das Gewisse« der Menschen dnrch eine Menge von heiligem Apparat verhüllte und die Religion fast nichts als das Darlehn der Geistlichkeit ist. Vom Protestantismus weiß der dortige Bauer so wenig wie ein Italiener. Erfährt er ja, daß der Bürger, welcher Holz von ihm kauft, ein Protestant sei, so wird er ihn zu übcrthcucrn suchen: im übrigen kümmert er sich nicht um die Streitigkeiten und Feinheiten der Städte und die Wiedertäufer, welche sich in seiner MitK als Gutsbesitzer niederließen, läßt er als vereinzelte Sonderlinge gewähren. Seine Ergebenheit an die katholische Kirche ist unbedingt. Ans allen Wege», anf jedem Hügel findet man die Bilder des großen Dulders am Krenz und seiner als Ideal der Weiblichkeit verehrten Mutter. Allein wer weckt bei dem Bauer den ganzen Inhalt dieser Bilder? Wer lehrt ihn, den Gedankenschatz von Gott, Tugend, Tod und Unsterblichkeit in diese Bilder hineinzulegen, oder, wenn man. lieber will, herauszunehmen? — Waren es die früheren lebhaften Beziehungen zu Italien, welche den Bilderdienst in diesen Gegenden einführte», so sind es deshalb noch lange nicht lauter Gemälde aus römischer und venetianischer Schule, welche sich in den Dörfern finden. Der Bauer versorgt sich damit ans den Jahrmärkten, wo er seine Kruzifixe zwischen den hölzernen Löffeln und Nußknackern und Se. Ursula oder Se. Bernhard zwischen Napoleons Uebergang über die Alpen und allen Potentaten herauszufinden weiß. Zwar ist es in manchen Kreise» Modesache von dem hohen Alterthum der Holzschnitzerei Oberammergaus und Berchtesgadens mit knnstvcrständigem Eriist zu rede»; ihre Prod»ete wäre» aber bisher meist widrig und abgeschmackt. Bleibt es dessenungeachtet >v.ahr, daß dem Volke, bei seiner großen Neigung, solche Schnitzwerke zu kaufen und aufzustellen, von dieser Seite beizukommen ist und genaht werde» muß, um deu Sinn für schönere und edlere Formen zu wecken, so war es allerdings eine ganz richtige Maßregel der baierschen Regierung, in den genannten Hvlzschnitzereibezirken förmliche Zeichnen¬ schulen anzulegen. Indeß ist der Weg der Veredelung von dieser Seite »»strei¬ tig el» sehr langsamer und man darf der Sache daher auch uicht zu große» Werth beilegen. Bei der Masse der Kupferstiche und Lithographien, schwarzen und far¬ bigen, zeigte sichs schon, wie wenig durch directe Einflüsse auszurichten sei, und die Negierung hat sich darauf beschränkt, loyale, aber nichts weniger als geschmack¬ volle Schreibbuchnmschläge und Bilderbogen aus der baierscheu Geschichte zu empfehle». Gesetzt aber a»es, es sei möglich, dieselben besser herzustellen, so läßt sich der Bauer das Gute dennoch nicht aufdrängen. Für ihn bleibt das Feinere und Edlere noch ungesehen und uur das Grelle und Starke zieht und reizt ihn. Weit mehr als mit der Aesthetik würde hier also mit der Moral anzugreifen sei», und mit dieser sehr ernstlich und energisch, denn mit den Sitten sieht es in den oberbaicrschen Provinzen »och gar übel aus. Grenzboten. I. -I8si>. til

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/433>, abgerufen am 22.07.2024.