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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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chen er an seiner Gemahlin Maria von Brabant beging, dnrch eine große Schen¬
kung an die Kirche (-1266) zu sühnen gedachte. Mächtiger Jcsnitenstil ans dem
Jahre 1741!.

Bei der Untheilbarkeit der bäuerlichen Güter gibt es in der Gegend von
Dachau und von Schwabmünchen Erbherren, deren Vorfahren die Kirchenglocke
unter der Bedingung aus ihrem Säckel stifteten, daß dieselbe an allen hohen Fest¬
tagen solange geläutet würde, bis sie selbst gravitätisch in ihrem Thorwege er¬
schienen, um den Kirchgang anzutreten. Bei festlicher Gelegenheit tragen sie noch
immer silberne Sporen, wie sie überhaupt ihren Reichthum gern aufweisen. Da¬
bei hat ihre Tracht, sowol die der Männer als die der Frauen viel Sonderbares,
ohne daß damit culturgeschichtlich viel mehr bewiesen würde, als daß auch dieser
Bauer dem Städter nachahmt, nur daß er mit seiner Nachahmung um ein- bis
anderthalb Jahrhundert zurückbleibt. Der Sonntagsstaat der Männer besteht
ans hohen Wickelstiefeln und kurzen schwarzledernen Hosen mit silbernen Schnallen
und der Messertasche am Knie. Diese Tasche darf niemals fehlen nud ihr zu
Liebe hat es die Negierung sogar für.rathsam gehalten, der alten Sitte, eine
Waffe zu tragen, nur so weit entgegenzutreten, daß das im Griff feststehende,
nicht aber das Knickmesser zu tragen verboten ist. Die Brust ziert eine scharlach¬
rothe Weste, durchweg Gilet genannt, und dazu kommt die kurze, selten blanc,
meist schwarze Tuchjacke, auf welcher sich die silbernen Knöpfe scharf abheben. Ans
der Weste paradiren mit Oehr versehene Sechs- und Zwolfkreuzerstücke, auf der
Jacke vollwichtige östreichische Zwanziger, je nach dem Reichthum immer dichter
gesetzt, so daß mancher Bauer neben den baierschen Thalern in der Tasche noch
vier bis zwölf Gulden als Putz an sich trägt und es sich wirklich ereignen kann,
daß er beim Spiel mit den vom Rocke abgeschnittenen Knöpfen bezahlt. Kein
Bauer trägt eine Tuch- oder Pelzmütze, selbst die Knaben nicht, sondern einen
runden, breitkrempigen, spitzen Filzhut mit goldnen Tressen, Schnüren, Troddeln
und gemachten Blumen. Mit dem blauen Mantel, dessen überhängender Kragen
fast so lang wie der Rock selbst ist, wird nicht blos um Weihnachten, sondern
auch um Pfingsten und uns Johannisfest Staat gemacht. Sehr praktisch aber
ist der Gebrauch, bei den winterlichen Marktfnhrcn eine gewöhnliche Pferdedecke
umzuhängen, indem in der Mitte der Kopf hindurchgesteckt wird, die eine Hälfte
sodann vorn, die andere hinten hinabhängt und die Arme auf diese Weise ganz,
frei bleiben. Die Frauen zeigen gern Gold und Silber, Wolle und Seide oder
im Nothfalle recht grell gefärbten, besonders türkischrothen Kattun. Das dnrch
die Maler bekannt gewordene silberne und goldene Niegelhäubchen gehört indeß
nicht dem Lande, sondern nnr den Städten an und hier trage" es wieder ganz
ausschließlich katholische Mädchen und Frauen, während sich die Protestanten der
wechselnden Mode mehr anschlössen. Auf den Dörfern gilt ein Kopfputz, der sich
hier wie ein kleiner Papierkorb, da wie ein ausgebreiteter Pfauenschweif und dort


chen er an seiner Gemahlin Maria von Brabant beging, dnrch eine große Schen¬
kung an die Kirche (-1266) zu sühnen gedachte. Mächtiger Jcsnitenstil ans dem
Jahre 1741!.

Bei der Untheilbarkeit der bäuerlichen Güter gibt es in der Gegend von
Dachau und von Schwabmünchen Erbherren, deren Vorfahren die Kirchenglocke
unter der Bedingung aus ihrem Säckel stifteten, daß dieselbe an allen hohen Fest¬
tagen solange geläutet würde, bis sie selbst gravitätisch in ihrem Thorwege er¬
schienen, um den Kirchgang anzutreten. Bei festlicher Gelegenheit tragen sie noch
immer silberne Sporen, wie sie überhaupt ihren Reichthum gern aufweisen. Da¬
bei hat ihre Tracht, sowol die der Männer als die der Frauen viel Sonderbares,
ohne daß damit culturgeschichtlich viel mehr bewiesen würde, als daß auch dieser
Bauer dem Städter nachahmt, nur daß er mit seiner Nachahmung um ein- bis
anderthalb Jahrhundert zurückbleibt. Der Sonntagsstaat der Männer besteht
ans hohen Wickelstiefeln und kurzen schwarzledernen Hosen mit silbernen Schnallen
und der Messertasche am Knie. Diese Tasche darf niemals fehlen nud ihr zu
Liebe hat es die Negierung sogar für.rathsam gehalten, der alten Sitte, eine
Waffe zu tragen, nur so weit entgegenzutreten, daß das im Griff feststehende,
nicht aber das Knickmesser zu tragen verboten ist. Die Brust ziert eine scharlach¬
rothe Weste, durchweg Gilet genannt, und dazu kommt die kurze, selten blanc,
meist schwarze Tuchjacke, auf welcher sich die silbernen Knöpfe scharf abheben. Ans
der Weste paradiren mit Oehr versehene Sechs- und Zwolfkreuzerstücke, auf der
Jacke vollwichtige östreichische Zwanziger, je nach dem Reichthum immer dichter
gesetzt, so daß mancher Bauer neben den baierschen Thalern in der Tasche noch
vier bis zwölf Gulden als Putz an sich trägt und es sich wirklich ereignen kann,
daß er beim Spiel mit den vom Rocke abgeschnittenen Knöpfen bezahlt. Kein
Bauer trägt eine Tuch- oder Pelzmütze, selbst die Knaben nicht, sondern einen
runden, breitkrempigen, spitzen Filzhut mit goldnen Tressen, Schnüren, Troddeln
und gemachten Blumen. Mit dem blauen Mantel, dessen überhängender Kragen
fast so lang wie der Rock selbst ist, wird nicht blos um Weihnachten, sondern
auch um Pfingsten und uns Johannisfest Staat gemacht. Sehr praktisch aber
ist der Gebrauch, bei den winterlichen Marktfnhrcn eine gewöhnliche Pferdedecke
umzuhängen, indem in der Mitte der Kopf hindurchgesteckt wird, die eine Hälfte
sodann vorn, die andere hinten hinabhängt und die Arme auf diese Weise ganz,
frei bleiben. Die Frauen zeigen gern Gold und Silber, Wolle und Seide oder
im Nothfalle recht grell gefärbten, besonders türkischrothen Kattun. Das dnrch
die Maler bekannt gewordene silberne und goldene Niegelhäubchen gehört indeß
nicht dem Lande, sondern nnr den Städten an und hier trage» es wieder ganz
ausschließlich katholische Mädchen und Frauen, während sich die Protestanten der
wechselnden Mode mehr anschlössen. Auf den Dörfern gilt ein Kopfputz, der sich
hier wie ein kleiner Papierkorb, da wie ein ausgebreiteter Pfauenschweif und dort


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/431>, abgerufen am 22.07.2024.