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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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werde sich bald zeigen, sobald der Herr Attorney zur Begründung seiner Behaup¬
tungen bereit sei, was allerdings, wie er befürchte, nie der Fall sein werde. In¬
zwischen fühle er sich, obwol Privatangelegenheiten dringend seine Abreise ver¬
langten, genöthigt, dem Ankläger noch eine Gelegenheit zu geben, die Wahrheit
seiner Sache zu beweisen, und so werde er geduldig den zweiten Augriff ab¬
warten.

Am 2S. November benachrichtigte Davieß den Gerichtshof, daß Floyd am
2. December zugegen sein könne, und abermals wurde eine Grandjury ans die¬
sen Tag berufen- Burr erschien, von denselben Sachwaltern begleitet und er¬
wartete kaltblütig den Angriff seines Gegners. Davieß erklärte mit augenschein¬
lichem Verdruß wiederum, daß er uicht bereit sei, da John Adair, ein anderer,
unumgänglich nothwendiger Zeuge in der Sache, sich nicht eingestellt habe. Aber¬
mals verlangte er einen Aufschub des Processes ans etliche Tage, bis es ihm
möglich sei, Adair zu zwingen, daß er vor Gericht erscheine.

Burr blieb diesmal vollkommen still und unbewegt von dem, was vorging.
Nicht so seine Vertheidiger. Eine sehr lebhafte und leidenschaftliche Debatte er¬
hob sich, gemischt mit scharfgespchteu persönlichen Angriffen, die wie BHe zwischen
den beiden Rednern Clay und Davieß hin- und herzuckten. Selten standen in
Kentucky zwei so gewaltige Kämpfer sich gegenüber. Die ungeheure Menschen¬
zahl, welche die Diele, die Galerie, die Fenster, die Platform des Richters bis
zum Erdrücken füllte, horte mit verhaltenem Athem stundenlang zu, wie diese weit¬
berühmten Helden der Barre, angestachelt vom Wetteifer um die Palme des
Ruhms und beiderseits glühend von der Ueberzeugung, eine gute Sache zu ver¬
fechte", sich in diesem Advocatentnrniere gegenüberstanden. Davieß war, wie ge¬
sagt, ein Föderalist und man erblickte in ihm lediglich den Parteimann, welcher
einen unschuldigen und unglücklichen Gegner ans Gründen politischen Hasses ver¬
folgte. Aber er fühlte sich erhoben durch die vollste Ueberzeugung von Burrs
Verrath am Vaterlande, das er als Anwalt vertrat, und grade die Verblendung,
die Burrs Gabe, zu täuschen, über die Anwesenden verbreitet hatte, und die la-
chende Miene des sich geborgen fühlenden Verräthers, der vor ihm saß, regle
seinen mächtigen Geist zu einer von seinen glänzendsten Leistungen an.

Es war indessen alles vergeblich. Richter Junis weigerte sich, dem Antrage
von Davieß zu willfahren und die Grandjnry zusammenzubehalten, wenn sie
nichts zu thu" habe, nud Davieß sandte deu Richten?, um Zeit zu gewinnen,
einen Antrag aus die Verhaftung Adairs hinauf, der aber als unstatthaft zurück¬
gewiesen wurde. Da es spät wurde, verlangte Davieß, daß nach dem vermißten
Zeugen geschickt und er gezwungen werde, zu erscheinen. Auch diese Maßregel
wurde vom Gerichtshöfe abgelehnt, und zwar ans den Grund hin, daß Adair nicht
eher straffällig sei, als bis der Tag vorüber. Endlich vertagte sich der Gerichts¬
hof auf den folgenden Morgen.


Grenzboten. I. ILöt, 47

werde sich bald zeigen, sobald der Herr Attorney zur Begründung seiner Behaup¬
tungen bereit sei, was allerdings, wie er befürchte, nie der Fall sein werde. In¬
zwischen fühle er sich, obwol Privatangelegenheiten dringend seine Abreise ver¬
langten, genöthigt, dem Ankläger noch eine Gelegenheit zu geben, die Wahrheit
seiner Sache zu beweisen, und so werde er geduldig den zweiten Augriff ab¬
warten.

Am 2S. November benachrichtigte Davieß den Gerichtshof, daß Floyd am
2. December zugegen sein könne, und abermals wurde eine Grandjury ans die¬
sen Tag berufen- Burr erschien, von denselben Sachwaltern begleitet und er¬
wartete kaltblütig den Angriff seines Gegners. Davieß erklärte mit augenschein¬
lichem Verdruß wiederum, daß er uicht bereit sei, da John Adair, ein anderer,
unumgänglich nothwendiger Zeuge in der Sache, sich nicht eingestellt habe. Aber¬
mals verlangte er einen Aufschub des Processes ans etliche Tage, bis es ihm
möglich sei, Adair zu zwingen, daß er vor Gericht erscheine.

Burr blieb diesmal vollkommen still und unbewegt von dem, was vorging.
Nicht so seine Vertheidiger. Eine sehr lebhafte und leidenschaftliche Debatte er¬
hob sich, gemischt mit scharfgespchteu persönlichen Angriffen, die wie BHe zwischen
den beiden Rednern Clay und Davieß hin- und herzuckten. Selten standen in
Kentucky zwei so gewaltige Kämpfer sich gegenüber. Die ungeheure Menschen¬
zahl, welche die Diele, die Galerie, die Fenster, die Platform des Richters bis
zum Erdrücken füllte, horte mit verhaltenem Athem stundenlang zu, wie diese weit¬
berühmten Helden der Barre, angestachelt vom Wetteifer um die Palme des
Ruhms und beiderseits glühend von der Ueberzeugung, eine gute Sache zu ver¬
fechte», sich in diesem Advocatentnrniere gegenüberstanden. Davieß war, wie ge¬
sagt, ein Föderalist und man erblickte in ihm lediglich den Parteimann, welcher
einen unschuldigen und unglücklichen Gegner ans Gründen politischen Hasses ver¬
folgte. Aber er fühlte sich erhoben durch die vollste Ueberzeugung von Burrs
Verrath am Vaterlande, das er als Anwalt vertrat, und grade die Verblendung,
die Burrs Gabe, zu täuschen, über die Anwesenden verbreitet hatte, und die la-
chende Miene des sich geborgen fühlenden Verräthers, der vor ihm saß, regle
seinen mächtigen Geist zu einer von seinen glänzendsten Leistungen an.

Es war indessen alles vergeblich. Richter Junis weigerte sich, dem Antrage
von Davieß zu willfahren und die Grandjnry zusammenzubehalten, wenn sie
nichts zu thu» habe, nud Davieß sandte deu Richten?, um Zeit zu gewinnen,
einen Antrag aus die Verhaftung Adairs hinauf, der aber als unstatthaft zurück¬
gewiesen wurde. Da es spät wurde, verlangte Davieß, daß nach dem vermißten
Zeugen geschickt und er gezwungen werde, zu erscheinen. Auch diese Maßregel
wurde vom Gerichtshöfe abgelehnt, und zwar ans den Grund hin, daß Adair nicht
eher straffällig sei, als bis der Tag vorüber. Endlich vertagte sich der Gerichts¬
hof auf den folgenden Morgen.


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[0377] werde sich bald zeigen, sobald der Herr Attorney zur Begründung seiner Behaup¬ tungen bereit sei, was allerdings, wie er befürchte, nie der Fall sein werde. In¬ zwischen fühle er sich, obwol Privatangelegenheiten dringend seine Abreise ver¬ langten, genöthigt, dem Ankläger noch eine Gelegenheit zu geben, die Wahrheit seiner Sache zu beweisen, und so werde er geduldig den zweiten Augriff ab¬ warten. Am 2S. November benachrichtigte Davieß den Gerichtshof, daß Floyd am 2. December zugegen sein könne, und abermals wurde eine Grandjury ans die¬ sen Tag berufen- Burr erschien, von denselben Sachwaltern begleitet und er¬ wartete kaltblütig den Angriff seines Gegners. Davieß erklärte mit augenschein¬ lichem Verdruß wiederum, daß er uicht bereit sei, da John Adair, ein anderer, unumgänglich nothwendiger Zeuge in der Sache, sich nicht eingestellt habe. Aber¬ mals verlangte er einen Aufschub des Processes ans etliche Tage, bis es ihm möglich sei, Adair zu zwingen, daß er vor Gericht erscheine. Burr blieb diesmal vollkommen still und unbewegt von dem, was vorging. Nicht so seine Vertheidiger. Eine sehr lebhafte und leidenschaftliche Debatte er¬ hob sich, gemischt mit scharfgespchteu persönlichen Angriffen, die wie BHe zwischen den beiden Rednern Clay und Davieß hin- und herzuckten. Selten standen in Kentucky zwei so gewaltige Kämpfer sich gegenüber. Die ungeheure Menschen¬ zahl, welche die Diele, die Galerie, die Fenster, die Platform des Richters bis zum Erdrücken füllte, horte mit verhaltenem Athem stundenlang zu, wie diese weit¬ berühmten Helden der Barre, angestachelt vom Wetteifer um die Palme des Ruhms und beiderseits glühend von der Ueberzeugung, eine gute Sache zu ver¬ fechte», sich in diesem Advocatentnrniere gegenüberstanden. Davieß war, wie ge¬ sagt, ein Föderalist und man erblickte in ihm lediglich den Parteimann, welcher einen unschuldigen und unglücklichen Gegner ans Gründen politischen Hasses ver¬ folgte. Aber er fühlte sich erhoben durch die vollste Ueberzeugung von Burrs Verrath am Vaterlande, das er als Anwalt vertrat, und grade die Verblendung, die Burrs Gabe, zu täuschen, über die Anwesenden verbreitet hatte, und die la- chende Miene des sich geborgen fühlenden Verräthers, der vor ihm saß, regle seinen mächtigen Geist zu einer von seinen glänzendsten Leistungen an. Es war indessen alles vergeblich. Richter Junis weigerte sich, dem Antrage von Davieß zu willfahren und die Grandjnry zusammenzubehalten, wenn sie nichts zu thu» habe, nud Davieß sandte deu Richten?, um Zeit zu gewinnen, einen Antrag aus die Verhaftung Adairs hinauf, der aber als unstatthaft zurück¬ gewiesen wurde. Da es spät wurde, verlangte Davieß, daß nach dem vermißten Zeugen geschickt und er gezwungen werde, zu erscheinen. Auch diese Maßregel wurde vom Gerichtshöfe abgelehnt, und zwar ans den Grund hin, daß Adair nicht eher straffällig sei, als bis der Tag vorüber. Endlich vertagte sich der Gerichts¬ hof auf den folgenden Morgen. Grenzboten. I. ILöt, 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/377>, abgerufen am 22.07.2024.