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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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das Gerichtshaus und hielt eine im ernstesten und würdigsten Tone gehaltene
Ansprache an den Richter, worin er ihn ersuchte, dem Antrage Folge zu geben.
Er sagte, die Anklage habe ihn sehr überrascht, er ließ durchblicken, daß Davieß
Grund gehabt habe, ihn abwesend zu glauben, da er Geschäfte privater, aber
dringender Natur gehabt, bemerkte, daß der Gerichtshof den Antrag allerdings
so behandelt habe, wie er es verdiente, daß er aber, da derselbe in seiner Ab¬
wesenheit wiederholt werden könne, es vorzöge, wenn die Anklage jetzt aufge¬
nommen werde, und schloß damit, daß er sich den Schein gab, freiwillig und im
Bewußtsein seiner Unschuld an deu Ort des Gerichts gekommen zu sein, um dem
Herrn Staatsanwalt Gelegenheit zu bieten, seine Behauptungen zu beweisen.

Nicht im mindesten eingeschüchtert durch die heuchlerische Ruhe in Burrs Auf¬
treten, die das ihm günstige Vorurtheil der Masse um vieles stärkte, nahm Da¬
vieß ohne Zögern diese Aufforderung an und erklärte, das Verfahren gegen den
Angeklagten sofort beginnen zu wollen, wenn er die nöthigen Zeugen herbeige¬
schafft habe. Nachdem er sich mit dem Marshal berathen, sprach er die Hoffnung
aus, daß ihm letzteres bis zur nächsten Mittwoch möglich sein werde, und mit Ein¬
willigung Burrs wurde dieser Tag vom Gerichtshofe zur Erörterung der Sache
bestimmt.

Burr erwartete den Tag mit dem ihm eigenen Gleichmuthe. Er wie seine
Genossen fürchtete" keine Gefahr. Die Mittwoch kam, und das Gerichtshans
füllte sich mit Zuhörern bis zum Ersticken. Davieß überzählte seine Zeugen, und
entdeckte, daß Davis Floyd, einer der wichtigsten, fehlte. Er sah sich daher, sehr
gegen seinen Willen, genöthigt, einen Aufschub des Processes zu verlangen, worauf
der Richter sofort die Graudjury entließ. Hierauf erschien Burr vor der Barre,
begleitet von seinen Sachwaltern, dem Obersten Allan und dem nachmals so be¬
rühmten Staatsmanne Henry Clay. Er bat um das Wort, drückte sein Be¬
dauern über die Entlassung des Gerichts aus und fragte nach dem Grnnde.
Davieß antwortete und fügte hinzu, daß Davis Floyd in Jndiana sei, um an
einer Sitzung der Territvrialgesetzgebnng teilzunehmen. Burr verlangte gelassen,
daß die Ursache des Aufschnbes in das Protokoll aufgenommen werde, und erhob
sich dann, um mit größter Selbstbeherrschung und der Miene ehrenhaftester Auf¬
richtigkeit, der schwer zu widerstehen war, den Gerichtshof und die Zuhörer über
den Gegenstand der Anklage ins klare zu setzen. Der Stil, in dem er dies
that, war schmucklos, ohne Leidenschaft und ohne Gehässigkeit; aber der Zauber
einer mächtigen Seele und eines kühnen, aber ruhigen Geistes wurde von allen
empfunden, die ihn hörten. Er sprach die Hoffnung aus, das gute Volk Ken-
tuckyö werde alle Befürchtungen irgendwelcher Gefahr von ihm aufgeben, wenn
überhaupt deren gehegt würden. Es wäre in der That keine Ursache dazu, so
eifrig auch der Staatsanwalt bestrebt sei, sie zu wecken. Er sei mit keinen dem
Frieden und der Ruhe deö Landes feindlichen Projecten beschäftigt, und dies


das Gerichtshaus und hielt eine im ernstesten und würdigsten Tone gehaltene
Ansprache an den Richter, worin er ihn ersuchte, dem Antrage Folge zu geben.
Er sagte, die Anklage habe ihn sehr überrascht, er ließ durchblicken, daß Davieß
Grund gehabt habe, ihn abwesend zu glauben, da er Geschäfte privater, aber
dringender Natur gehabt, bemerkte, daß der Gerichtshof den Antrag allerdings
so behandelt habe, wie er es verdiente, daß er aber, da derselbe in seiner Ab¬
wesenheit wiederholt werden könne, es vorzöge, wenn die Anklage jetzt aufge¬
nommen werde, und schloß damit, daß er sich den Schein gab, freiwillig und im
Bewußtsein seiner Unschuld an deu Ort des Gerichts gekommen zu sein, um dem
Herrn Staatsanwalt Gelegenheit zu bieten, seine Behauptungen zu beweisen.

Nicht im mindesten eingeschüchtert durch die heuchlerische Ruhe in Burrs Auf¬
treten, die das ihm günstige Vorurtheil der Masse um vieles stärkte, nahm Da¬
vieß ohne Zögern diese Aufforderung an und erklärte, das Verfahren gegen den
Angeklagten sofort beginnen zu wollen, wenn er die nöthigen Zeugen herbeige¬
schafft habe. Nachdem er sich mit dem Marshal berathen, sprach er die Hoffnung
aus, daß ihm letzteres bis zur nächsten Mittwoch möglich sein werde, und mit Ein¬
willigung Burrs wurde dieser Tag vom Gerichtshofe zur Erörterung der Sache
bestimmt.

Burr erwartete den Tag mit dem ihm eigenen Gleichmuthe. Er wie seine
Genossen fürchtete» keine Gefahr. Die Mittwoch kam, und das Gerichtshans
füllte sich mit Zuhörern bis zum Ersticken. Davieß überzählte seine Zeugen, und
entdeckte, daß Davis Floyd, einer der wichtigsten, fehlte. Er sah sich daher, sehr
gegen seinen Willen, genöthigt, einen Aufschub des Processes zu verlangen, worauf
der Richter sofort die Graudjury entließ. Hierauf erschien Burr vor der Barre,
begleitet von seinen Sachwaltern, dem Obersten Allan und dem nachmals so be¬
rühmten Staatsmanne Henry Clay. Er bat um das Wort, drückte sein Be¬
dauern über die Entlassung des Gerichts aus und fragte nach dem Grnnde.
Davieß antwortete und fügte hinzu, daß Davis Floyd in Jndiana sei, um an
einer Sitzung der Territvrialgesetzgebnng teilzunehmen. Burr verlangte gelassen,
daß die Ursache des Aufschnbes in das Protokoll aufgenommen werde, und erhob
sich dann, um mit größter Selbstbeherrschung und der Miene ehrenhaftester Auf¬
richtigkeit, der schwer zu widerstehen war, den Gerichtshof und die Zuhörer über
den Gegenstand der Anklage ins klare zu setzen. Der Stil, in dem er dies
that, war schmucklos, ohne Leidenschaft und ohne Gehässigkeit; aber der Zauber
einer mächtigen Seele und eines kühnen, aber ruhigen Geistes wurde von allen
empfunden, die ihn hörten. Er sprach die Hoffnung aus, das gute Volk Ken-
tuckyö werde alle Befürchtungen irgendwelcher Gefahr von ihm aufgeben, wenn
überhaupt deren gehegt würden. Es wäre in der That keine Ursache dazu, so
eifrig auch der Staatsanwalt bestrebt sei, sie zu wecken. Er sei mit keinen dem
Frieden und der Ruhe deö Landes feindlichen Projecten beschäftigt, und dies


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[0376] das Gerichtshaus und hielt eine im ernstesten und würdigsten Tone gehaltene Ansprache an den Richter, worin er ihn ersuchte, dem Antrage Folge zu geben. Er sagte, die Anklage habe ihn sehr überrascht, er ließ durchblicken, daß Davieß Grund gehabt habe, ihn abwesend zu glauben, da er Geschäfte privater, aber dringender Natur gehabt, bemerkte, daß der Gerichtshof den Antrag allerdings so behandelt habe, wie er es verdiente, daß er aber, da derselbe in seiner Ab¬ wesenheit wiederholt werden könne, es vorzöge, wenn die Anklage jetzt aufge¬ nommen werde, und schloß damit, daß er sich den Schein gab, freiwillig und im Bewußtsein seiner Unschuld an deu Ort des Gerichts gekommen zu sein, um dem Herrn Staatsanwalt Gelegenheit zu bieten, seine Behauptungen zu beweisen. Nicht im mindesten eingeschüchtert durch die heuchlerische Ruhe in Burrs Auf¬ treten, die das ihm günstige Vorurtheil der Masse um vieles stärkte, nahm Da¬ vieß ohne Zögern diese Aufforderung an und erklärte, das Verfahren gegen den Angeklagten sofort beginnen zu wollen, wenn er die nöthigen Zeugen herbeige¬ schafft habe. Nachdem er sich mit dem Marshal berathen, sprach er die Hoffnung aus, daß ihm letzteres bis zur nächsten Mittwoch möglich sein werde, und mit Ein¬ willigung Burrs wurde dieser Tag vom Gerichtshofe zur Erörterung der Sache bestimmt. Burr erwartete den Tag mit dem ihm eigenen Gleichmuthe. Er wie seine Genossen fürchtete» keine Gefahr. Die Mittwoch kam, und das Gerichtshans füllte sich mit Zuhörern bis zum Ersticken. Davieß überzählte seine Zeugen, und entdeckte, daß Davis Floyd, einer der wichtigsten, fehlte. Er sah sich daher, sehr gegen seinen Willen, genöthigt, einen Aufschub des Processes zu verlangen, worauf der Richter sofort die Graudjury entließ. Hierauf erschien Burr vor der Barre, begleitet von seinen Sachwaltern, dem Obersten Allan und dem nachmals so be¬ rühmten Staatsmanne Henry Clay. Er bat um das Wort, drückte sein Be¬ dauern über die Entlassung des Gerichts aus und fragte nach dem Grnnde. Davieß antwortete und fügte hinzu, daß Davis Floyd in Jndiana sei, um an einer Sitzung der Territvrialgesetzgebnng teilzunehmen. Burr verlangte gelassen, daß die Ursache des Aufschnbes in das Protokoll aufgenommen werde, und erhob sich dann, um mit größter Selbstbeherrschung und der Miene ehrenhaftester Auf¬ richtigkeit, der schwer zu widerstehen war, den Gerichtshof und die Zuhörer über den Gegenstand der Anklage ins klare zu setzen. Der Stil, in dem er dies that, war schmucklos, ohne Leidenschaft und ohne Gehässigkeit; aber der Zauber einer mächtigen Seele und eines kühnen, aber ruhigen Geistes wurde von allen empfunden, die ihn hörten. Er sprach die Hoffnung aus, das gute Volk Ken- tuckyö werde alle Befürchtungen irgendwelcher Gefahr von ihm aufgeben, wenn überhaupt deren gehegt würden. Es wäre in der That keine Ursache dazu, so eifrig auch der Staatsanwalt bestrebt sei, sie zu wecken. Er sei mit keinen dem Frieden und der Ruhe deö Landes feindlichen Projecten beschäftigt, und dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/376>, abgerufen am 22.07.2024.