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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Mittlerweile hatte Davieß eine Zusammenkunft mit dem Richter auf dem
Privatwege und erlangte von ihm die Meinungsäußerung, es werde ihm als
Kläger gestattet sein, der Grandjury in ihrem Berathungszimmer beizuwohnen
und die Zeugen zu befragen, um ihnen den Zusammenhang der einzelnen Glieder
des Beweises klar zu machen, wozu ihn seine genane Kenntniß der Verschwörung
befähigen und ohne welche Aufklärung die Grandjury schwerlich im Stande sein
wurde, ihre Aussage zu begreifen. Als der Gerichtshof am nächsten Tage seine
Sitzung wiederaufnahm, stellte Davieß einen desfallsigen Antrag; allein die
Vertheidiger Bnrrs erklärten ihn für eine Neuerung ohne Beispiel, und der,
Gerichtshof gab ihnen recht und der Antrag siel. Die Grandjury zog sich hieraus
zurück, die Zeugen leisteten den Eid, wurden abgehört, das Urtheil ward in
Berathung gezogen und am 3. December erfolgte, was der Staatsanwalt unter
den obwaltenden Umständen erwartet hatte, der Ausspruch: "not g, trucz KM."

Ja uoch mehr: die Grandjnry übersendete dem Gerichtshof eine schriftliche
Erklärung, unterzeichnet von der ganzen Körperschaft, worin sie nach den vor¬
liegenden Verdachtsgründen Aaron Burr von aller und jeder Schuld, gegen den
Frieden und die Wohlfahrt des Landes conspirirt zu haben, freisprach. Diese
Rechtfertigung wurde aus Antrag der Advocaten des Beklagen gedruckt, alle Welt
mit Ausnahme des Staatsanwalts betrachtete den Freigesprochenen als Märtyrer,
und Davieß wurde von allen Seiten mit Schimpf und Schmach beworfen.

Die Freisprechung Bnrrs wurde in Frankfort durch einen glänzenden, zahlreich
besuchten Ball gefeiert, dem ein anderer zu Ehren des Attorncy, welcher unter¬
legen, folgte. Der letztere war weniger glänzend, aber er versammelte alle die¬
jenigen, welche die Anklage für wahr hielten und der Meinung huldigten, daß
Ehre und Redlichkeit bei dem Processe nur auf kurze Zeit der Frechheit, Zungen¬
gewandtheit und Lüge hätten weichen müssen. Bei einer dieser Gelegenheiten
wurde der Redacteur des Blattes, welches zuerst ins Lärmhorn gestoßen, von
BurrS Freunden angefallen und nur mit Mühe vor dem Tode gerettet.

Diese Ereignisse sind schlagende Beweise für den Ton, der zu dieser Zeit
herrschte. Um aber Burrs Charakter vollständig würdigen zu können, ist noch
ein Umstand zu beachten. Ehe Clay sich thätig bei der Sache betheiligte, forderte
er von Burr eine ausführliche feierliche Erklärung auf sein Ehrenwort, daß
er in keinerlei Weise in eine Verschwörung gegen die Gesetze und die Ruhe des
Vaterlandes verwickelt sei. Dieses Verlangen wurde von Burr in einer Sprache
erfüllt, welche durchaus keine doppelte Deutung zuließ, sondern mochte man sie
ansehen, von welcher Seite man wollte, eine entschiedene und vollständige Ablehnung
der ihm schnldgegebeueu Bestrebung war.

Er habe durchaus uicht die Absicht,, sagte er, die Ruhe der Vereinigten
Staaten oder ihrer Territorien oder irgend welches Theils derselben zu beein¬
trächtigen oder zu stören. Er habe niemandem zu irgend einem Zwecke ein


Mittlerweile hatte Davieß eine Zusammenkunft mit dem Richter auf dem
Privatwege und erlangte von ihm die Meinungsäußerung, es werde ihm als
Kläger gestattet sein, der Grandjury in ihrem Berathungszimmer beizuwohnen
und die Zeugen zu befragen, um ihnen den Zusammenhang der einzelnen Glieder
des Beweises klar zu machen, wozu ihn seine genane Kenntniß der Verschwörung
befähigen und ohne welche Aufklärung die Grandjury schwerlich im Stande sein
wurde, ihre Aussage zu begreifen. Als der Gerichtshof am nächsten Tage seine
Sitzung wiederaufnahm, stellte Davieß einen desfallsigen Antrag; allein die
Vertheidiger Bnrrs erklärten ihn für eine Neuerung ohne Beispiel, und der,
Gerichtshof gab ihnen recht und der Antrag siel. Die Grandjury zog sich hieraus
zurück, die Zeugen leisteten den Eid, wurden abgehört, das Urtheil ward in
Berathung gezogen und am 3. December erfolgte, was der Staatsanwalt unter
den obwaltenden Umständen erwartet hatte, der Ausspruch: „not g, trucz KM."

Ja uoch mehr: die Grandjnry übersendete dem Gerichtshof eine schriftliche
Erklärung, unterzeichnet von der ganzen Körperschaft, worin sie nach den vor¬
liegenden Verdachtsgründen Aaron Burr von aller und jeder Schuld, gegen den
Frieden und die Wohlfahrt des Landes conspirirt zu haben, freisprach. Diese
Rechtfertigung wurde aus Antrag der Advocaten des Beklagen gedruckt, alle Welt
mit Ausnahme des Staatsanwalts betrachtete den Freigesprochenen als Märtyrer,
und Davieß wurde von allen Seiten mit Schimpf und Schmach beworfen.

Die Freisprechung Bnrrs wurde in Frankfort durch einen glänzenden, zahlreich
besuchten Ball gefeiert, dem ein anderer zu Ehren des Attorncy, welcher unter¬
legen, folgte. Der letztere war weniger glänzend, aber er versammelte alle die¬
jenigen, welche die Anklage für wahr hielten und der Meinung huldigten, daß
Ehre und Redlichkeit bei dem Processe nur auf kurze Zeit der Frechheit, Zungen¬
gewandtheit und Lüge hätten weichen müssen. Bei einer dieser Gelegenheiten
wurde der Redacteur des Blattes, welches zuerst ins Lärmhorn gestoßen, von
BurrS Freunden angefallen und nur mit Mühe vor dem Tode gerettet.

Diese Ereignisse sind schlagende Beweise für den Ton, der zu dieser Zeit
herrschte. Um aber Burrs Charakter vollständig würdigen zu können, ist noch
ein Umstand zu beachten. Ehe Clay sich thätig bei der Sache betheiligte, forderte
er von Burr eine ausführliche feierliche Erklärung auf sein Ehrenwort, daß
er in keinerlei Weise in eine Verschwörung gegen die Gesetze und die Ruhe des
Vaterlandes verwickelt sei. Dieses Verlangen wurde von Burr in einer Sprache
erfüllt, welche durchaus keine doppelte Deutung zuließ, sondern mochte man sie
ansehen, von welcher Seite man wollte, eine entschiedene und vollständige Ablehnung
der ihm schnldgegebeueu Bestrebung war.

Er habe durchaus uicht die Absicht,, sagte er, die Ruhe der Vereinigten
Staaten oder ihrer Territorien oder irgend welches Theils derselben zu beein¬
trächtigen oder zu stören. Er habe niemandem zu irgend einem Zwecke ein


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[0378] Mittlerweile hatte Davieß eine Zusammenkunft mit dem Richter auf dem Privatwege und erlangte von ihm die Meinungsäußerung, es werde ihm als Kläger gestattet sein, der Grandjury in ihrem Berathungszimmer beizuwohnen und die Zeugen zu befragen, um ihnen den Zusammenhang der einzelnen Glieder des Beweises klar zu machen, wozu ihn seine genane Kenntniß der Verschwörung befähigen und ohne welche Aufklärung die Grandjury schwerlich im Stande sein wurde, ihre Aussage zu begreifen. Als der Gerichtshof am nächsten Tage seine Sitzung wiederaufnahm, stellte Davieß einen desfallsigen Antrag; allein die Vertheidiger Bnrrs erklärten ihn für eine Neuerung ohne Beispiel, und der, Gerichtshof gab ihnen recht und der Antrag siel. Die Grandjury zog sich hieraus zurück, die Zeugen leisteten den Eid, wurden abgehört, das Urtheil ward in Berathung gezogen und am 3. December erfolgte, was der Staatsanwalt unter den obwaltenden Umständen erwartet hatte, der Ausspruch: „not g, trucz KM." Ja uoch mehr: die Grandjnry übersendete dem Gerichtshof eine schriftliche Erklärung, unterzeichnet von der ganzen Körperschaft, worin sie nach den vor¬ liegenden Verdachtsgründen Aaron Burr von aller und jeder Schuld, gegen den Frieden und die Wohlfahrt des Landes conspirirt zu haben, freisprach. Diese Rechtfertigung wurde aus Antrag der Advocaten des Beklagen gedruckt, alle Welt mit Ausnahme des Staatsanwalts betrachtete den Freigesprochenen als Märtyrer, und Davieß wurde von allen Seiten mit Schimpf und Schmach beworfen. Die Freisprechung Bnrrs wurde in Frankfort durch einen glänzenden, zahlreich besuchten Ball gefeiert, dem ein anderer zu Ehren des Attorncy, welcher unter¬ legen, folgte. Der letztere war weniger glänzend, aber er versammelte alle die¬ jenigen, welche die Anklage für wahr hielten und der Meinung huldigten, daß Ehre und Redlichkeit bei dem Processe nur auf kurze Zeit der Frechheit, Zungen¬ gewandtheit und Lüge hätten weichen müssen. Bei einer dieser Gelegenheiten wurde der Redacteur des Blattes, welches zuerst ins Lärmhorn gestoßen, von BurrS Freunden angefallen und nur mit Mühe vor dem Tode gerettet. Diese Ereignisse sind schlagende Beweise für den Ton, der zu dieser Zeit herrschte. Um aber Burrs Charakter vollständig würdigen zu können, ist noch ein Umstand zu beachten. Ehe Clay sich thätig bei der Sache betheiligte, forderte er von Burr eine ausführliche feierliche Erklärung auf sein Ehrenwort, daß er in keinerlei Weise in eine Verschwörung gegen die Gesetze und die Ruhe des Vaterlandes verwickelt sei. Dieses Verlangen wurde von Burr in einer Sprache erfüllt, welche durchaus keine doppelte Deutung zuließ, sondern mochte man sie ansehen, von welcher Seite man wollte, eine entschiedene und vollständige Ablehnung der ihm schnldgegebeueu Bestrebung war. Er habe durchaus uicht die Absicht,, sagte er, die Ruhe der Vereinigten Staaten oder ihrer Territorien oder irgend welches Theils derselben zu beein¬ trächtigen oder zu stören. Er habe niemandem zu irgend einem Zwecke ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/378>, abgerufen am 22.07.2024.