Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Theilnehmern angegeben wurden, welche großes Aufsehen machten. Sebastian,
der damals eine Richterstelle im supreme Court bekleidete, wurde offen des Vater¬
landsverrathes bezüchtigt, Brown, Senator im Kongreß, und WMnson, General
im regulären Heere, als Helfershelfer Burrs bezeichnet. Es war eine' Vermi¬
schung von zwei ähnlichen Projecten in dieser Anklage, und so war sie allerdings
nur halbwahr. Aber die öffentliche Meinung wurde durch die weitreichende Be¬
deutsamkeit derselben und die große Anzahl hochgestellter Persönlichkeiten, die in
sie verwickelt waren, bis in ihre untersten Schichten wie durch einen Schreckschuß
betroffen. Die Freunde der Angeklagten nahmen sich derselben an, man griff zu
Pistolen und Dolchen, um die Artikel zu widerlegen, und eine Menge von Duellen
fand statt. Die Zeitung aber blieb fest bei ihren Behauptungen, und eine Adresse
an die Gesetzgebung wurde vorbereitet und veröffentlicht, in welcher um eine
Untersuchung der Angelegenheit gebeten wurde. Dieselbe wurde im Lande ver¬
breitet und namentlich im County von Woodford zahlreich unterzeichnet.

Inzwischen erschien Oberst Joseph Hamilton Davieß, Staatsanwalt der
Union, am 3. November im offenen Gerichtshofe, und stellte den Antrag, einen
Proceß gegen Burr einzuleiten und ihn vorzuladen, damit er sich gegen die An¬
klage verantworte, eine militärische Expedition gegen eine befreundete Macht vom
Gebiete der Vereinigten Staaten aus organisirt zu haben. Dieser Antrag
wurde durch deu Eid des Staatsanwalt begründet, mit welchem er eine sehr ge¬
naue Darstellung der von Burr getroffenen Vorbereitungen und eine Angabe der
Pläne verband. Dieser Schritt rief eine ungeheure Aufregung hervor. Burr
hatte es verstände", sich in Kentucky allenthalben beliebt zu machen, und die her¬
vorragendste" Kräfte standen mit ihm in freundschaftlichem Verkehr. Davieß da¬
gegen wurde zwar wegen seiner mächtigen, selten, wenn überhaupt jemals über-
troffenen Rednergaben bewundert, aber zugleich als unheilbarer Föderalist, als
welcher er seine politischen Meinungen der überwiegenden Partei gegenüber mit
rücksichtsloser Kühnheit auszusprechen gewohnt war, in weiten Kreisen gehaßt.
Die große Mehrheit der Köpfe, welche die öffentliche Meinung bildete, waren er¬
schrocken über die Kühnheit der Anklage und geneigt, sie dem wohlbekannten Hasse
der Föderalisten gegen den, der ihren einstigen Vorkämpfer getödtet, zuzuschreiben.
Mit einem Worte, die Masse war entschieden günstig für Burr gestimmt und von
gründlichem Mißtrauen gegen den Attorney erfüllt, welcher tapfer und mannhaft
that, was seines Amts war. Der Vorsitzende des Gerichts, Richter Junis, erbat
sich Zeit, den Antrag in Erwägung zu ziehen und wies ihn nach Verlauf von
zwei Tage" ab. ,

Oberst Burr war zu dieser Zeit in Lexington und wurde in unglaublich kur¬
zer Zeit, nachdem der Antrag auf seiue Vorladung gestellt worden, davon be¬
nachrichtigt. Sogleich war sein Entschluß gefaßt. Er reiste eiligst nach Frank¬
sort ab, und kurze Zeit, nachdem Junis die Untersuchung abgelehnt, trat er in


Theilnehmern angegeben wurden, welche großes Aufsehen machten. Sebastian,
der damals eine Richterstelle im supreme Court bekleidete, wurde offen des Vater¬
landsverrathes bezüchtigt, Brown, Senator im Kongreß, und WMnson, General
im regulären Heere, als Helfershelfer Burrs bezeichnet. Es war eine' Vermi¬
schung von zwei ähnlichen Projecten in dieser Anklage, und so war sie allerdings
nur halbwahr. Aber die öffentliche Meinung wurde durch die weitreichende Be¬
deutsamkeit derselben und die große Anzahl hochgestellter Persönlichkeiten, die in
sie verwickelt waren, bis in ihre untersten Schichten wie durch einen Schreckschuß
betroffen. Die Freunde der Angeklagten nahmen sich derselben an, man griff zu
Pistolen und Dolchen, um die Artikel zu widerlegen, und eine Menge von Duellen
fand statt. Die Zeitung aber blieb fest bei ihren Behauptungen, und eine Adresse
an die Gesetzgebung wurde vorbereitet und veröffentlicht, in welcher um eine
Untersuchung der Angelegenheit gebeten wurde. Dieselbe wurde im Lande ver¬
breitet und namentlich im County von Woodford zahlreich unterzeichnet.

Inzwischen erschien Oberst Joseph Hamilton Davieß, Staatsanwalt der
Union, am 3. November im offenen Gerichtshofe, und stellte den Antrag, einen
Proceß gegen Burr einzuleiten und ihn vorzuladen, damit er sich gegen die An¬
klage verantworte, eine militärische Expedition gegen eine befreundete Macht vom
Gebiete der Vereinigten Staaten aus organisirt zu haben. Dieser Antrag
wurde durch deu Eid des Staatsanwalt begründet, mit welchem er eine sehr ge¬
naue Darstellung der von Burr getroffenen Vorbereitungen und eine Angabe der
Pläne verband. Dieser Schritt rief eine ungeheure Aufregung hervor. Burr
hatte es verstände», sich in Kentucky allenthalben beliebt zu machen, und die her¬
vorragendste» Kräfte standen mit ihm in freundschaftlichem Verkehr. Davieß da¬
gegen wurde zwar wegen seiner mächtigen, selten, wenn überhaupt jemals über-
troffenen Rednergaben bewundert, aber zugleich als unheilbarer Föderalist, als
welcher er seine politischen Meinungen der überwiegenden Partei gegenüber mit
rücksichtsloser Kühnheit auszusprechen gewohnt war, in weiten Kreisen gehaßt.
Die große Mehrheit der Köpfe, welche die öffentliche Meinung bildete, waren er¬
schrocken über die Kühnheit der Anklage und geneigt, sie dem wohlbekannten Hasse
der Föderalisten gegen den, der ihren einstigen Vorkämpfer getödtet, zuzuschreiben.
Mit einem Worte, die Masse war entschieden günstig für Burr gestimmt und von
gründlichem Mißtrauen gegen den Attorney erfüllt, welcher tapfer und mannhaft
that, was seines Amts war. Der Vorsitzende des Gerichts, Richter Junis, erbat
sich Zeit, den Antrag in Erwägung zu ziehen und wies ihn nach Verlauf von
zwei Tage» ab. ,

Oberst Burr war zu dieser Zeit in Lexington und wurde in unglaublich kur¬
zer Zeit, nachdem der Antrag auf seiue Vorladung gestellt worden, davon be¬
nachrichtigt. Sogleich war sein Entschluß gefaßt. Er reiste eiligst nach Frank¬
sort ab, und kurze Zeit, nachdem Junis die Untersuchung abgelehnt, trat er in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97621"/>
          <p xml:id="ID_979" prev="#ID_978"> Theilnehmern angegeben wurden, welche großes Aufsehen machten. Sebastian,<lb/>
der damals eine Richterstelle im supreme Court bekleidete, wurde offen des Vater¬<lb/>
landsverrathes bezüchtigt, Brown, Senator im Kongreß, und WMnson, General<lb/>
im regulären Heere, als Helfershelfer Burrs bezeichnet. Es war eine' Vermi¬<lb/>
schung von zwei ähnlichen Projecten in dieser Anklage, und so war sie allerdings<lb/>
nur halbwahr. Aber die öffentliche Meinung wurde durch die weitreichende Be¬<lb/>
deutsamkeit derselben und die große Anzahl hochgestellter Persönlichkeiten, die in<lb/>
sie verwickelt waren, bis in ihre untersten Schichten wie durch einen Schreckschuß<lb/>
betroffen. Die Freunde der Angeklagten nahmen sich derselben an, man griff zu<lb/>
Pistolen und Dolchen, um die Artikel zu widerlegen, und eine Menge von Duellen<lb/>
fand statt. Die Zeitung aber blieb fest bei ihren Behauptungen, und eine Adresse<lb/>
an die Gesetzgebung wurde vorbereitet und veröffentlicht, in welcher um eine<lb/>
Untersuchung der Angelegenheit gebeten wurde. Dieselbe wurde im Lande ver¬<lb/>
breitet und namentlich im County von Woodford zahlreich unterzeichnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_980"> Inzwischen erschien Oberst Joseph Hamilton Davieß, Staatsanwalt der<lb/>
Union, am 3. November im offenen Gerichtshofe, und stellte den Antrag, einen<lb/>
Proceß gegen Burr einzuleiten und ihn vorzuladen, damit er sich gegen die An¬<lb/>
klage verantworte, eine militärische Expedition gegen eine befreundete Macht vom<lb/>
Gebiete der Vereinigten Staaten aus organisirt zu haben. Dieser Antrag<lb/>
wurde durch deu Eid des Staatsanwalt begründet, mit welchem er eine sehr ge¬<lb/>
naue Darstellung der von Burr getroffenen Vorbereitungen und eine Angabe der<lb/>
Pläne verband. Dieser Schritt rief eine ungeheure Aufregung hervor. Burr<lb/>
hatte es verstände», sich in Kentucky allenthalben beliebt zu machen, und die her¬<lb/>
vorragendste» Kräfte standen mit ihm in freundschaftlichem Verkehr. Davieß da¬<lb/>
gegen wurde zwar wegen seiner mächtigen, selten, wenn überhaupt jemals über-<lb/>
troffenen Rednergaben bewundert, aber zugleich als unheilbarer Föderalist, als<lb/>
welcher er seine politischen Meinungen der überwiegenden Partei gegenüber mit<lb/>
rücksichtsloser Kühnheit auszusprechen gewohnt war, in weiten Kreisen gehaßt.<lb/>
Die große Mehrheit der Köpfe, welche die öffentliche Meinung bildete, waren er¬<lb/>
schrocken über die Kühnheit der Anklage und geneigt, sie dem wohlbekannten Hasse<lb/>
der Föderalisten gegen den, der ihren einstigen Vorkämpfer getödtet, zuzuschreiben.<lb/>
Mit einem Worte, die Masse war entschieden günstig für Burr gestimmt und von<lb/>
gründlichem Mißtrauen gegen den Attorney erfüllt, welcher tapfer und mannhaft<lb/>
that, was seines Amts war. Der Vorsitzende des Gerichts, Richter Junis, erbat<lb/>
sich Zeit, den Antrag in Erwägung zu ziehen und wies ihn nach Verlauf von<lb/>
zwei Tage» ab. ,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_981" next="#ID_982"> Oberst Burr war zu dieser Zeit in Lexington und wurde in unglaublich kur¬<lb/>
zer Zeit, nachdem der Antrag auf seiue Vorladung gestellt worden, davon be¬<lb/>
nachrichtigt. Sogleich war sein Entschluß gefaßt. Er reiste eiligst nach Frank¬<lb/>
sort ab, und kurze Zeit, nachdem Junis die Untersuchung abgelehnt, trat er in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0375] Theilnehmern angegeben wurden, welche großes Aufsehen machten. Sebastian, der damals eine Richterstelle im supreme Court bekleidete, wurde offen des Vater¬ landsverrathes bezüchtigt, Brown, Senator im Kongreß, und WMnson, General im regulären Heere, als Helfershelfer Burrs bezeichnet. Es war eine' Vermi¬ schung von zwei ähnlichen Projecten in dieser Anklage, und so war sie allerdings nur halbwahr. Aber die öffentliche Meinung wurde durch die weitreichende Be¬ deutsamkeit derselben und die große Anzahl hochgestellter Persönlichkeiten, die in sie verwickelt waren, bis in ihre untersten Schichten wie durch einen Schreckschuß betroffen. Die Freunde der Angeklagten nahmen sich derselben an, man griff zu Pistolen und Dolchen, um die Artikel zu widerlegen, und eine Menge von Duellen fand statt. Die Zeitung aber blieb fest bei ihren Behauptungen, und eine Adresse an die Gesetzgebung wurde vorbereitet und veröffentlicht, in welcher um eine Untersuchung der Angelegenheit gebeten wurde. Dieselbe wurde im Lande ver¬ breitet und namentlich im County von Woodford zahlreich unterzeichnet. Inzwischen erschien Oberst Joseph Hamilton Davieß, Staatsanwalt der Union, am 3. November im offenen Gerichtshofe, und stellte den Antrag, einen Proceß gegen Burr einzuleiten und ihn vorzuladen, damit er sich gegen die An¬ klage verantworte, eine militärische Expedition gegen eine befreundete Macht vom Gebiete der Vereinigten Staaten aus organisirt zu haben. Dieser Antrag wurde durch deu Eid des Staatsanwalt begründet, mit welchem er eine sehr ge¬ naue Darstellung der von Burr getroffenen Vorbereitungen und eine Angabe der Pläne verband. Dieser Schritt rief eine ungeheure Aufregung hervor. Burr hatte es verstände», sich in Kentucky allenthalben beliebt zu machen, und die her¬ vorragendste» Kräfte standen mit ihm in freundschaftlichem Verkehr. Davieß da¬ gegen wurde zwar wegen seiner mächtigen, selten, wenn überhaupt jemals über- troffenen Rednergaben bewundert, aber zugleich als unheilbarer Föderalist, als welcher er seine politischen Meinungen der überwiegenden Partei gegenüber mit rücksichtsloser Kühnheit auszusprechen gewohnt war, in weiten Kreisen gehaßt. Die große Mehrheit der Köpfe, welche die öffentliche Meinung bildete, waren er¬ schrocken über die Kühnheit der Anklage und geneigt, sie dem wohlbekannten Hasse der Föderalisten gegen den, der ihren einstigen Vorkämpfer getödtet, zuzuschreiben. Mit einem Worte, die Masse war entschieden günstig für Burr gestimmt und von gründlichem Mißtrauen gegen den Attorney erfüllt, welcher tapfer und mannhaft that, was seines Amts war. Der Vorsitzende des Gerichts, Richter Junis, erbat sich Zeit, den Antrag in Erwägung zu ziehen und wies ihn nach Verlauf von zwei Tage» ab. , Oberst Burr war zu dieser Zeit in Lexington und wurde in unglaublich kur¬ zer Zeit, nachdem der Antrag auf seiue Vorladung gestellt worden, davon be¬ nachrichtigt. Sogleich war sein Entschluß gefaßt. Er reiste eiligst nach Frank¬ sort ab, und kurze Zeit, nachdem Junis die Untersuchung abgelehnt, trat er in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/375
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/375>, abgerufen am 22.07.2024.