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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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behielt er eine hinreichende Zahl von Anhängern, um nach Ablauf seines Amts
als Bewerber um die Stelle eines Gouverneurs in seinem Heimatsstaate auf¬
zutreten. Allein auch bei dieser Gelegenheit erlitt er eine entschiedene Niederlage.
Zwar war die große Masse der Föderalisten geneigt, ihn zu unterstützen, aber
der einflußreiche Führer derselben, Hamilton, der die egoistischen Pläne Burrs
durchschaute und in ihm den Intriguanten erkannte, war ihm entschieden abhold
und zögerte, als der Wahlkamps begann, nicht, ihn öffentlich des Vertrauens un¬
würdig zu erklären. Die Folge war, daß die Gemüther sich allenthalben von
ihm abwendeten, und daß die Wahlurnen eine verhältnißmäßig nur geringe Zahl
ihm günstiger Stimmen zeigten. Erdöhl über dieses Mißlingen seiner Erwar¬
tungen, warf Burr sich auf die Person seines berühmten Gegners und suchte sich
auf dem Privatwege die vermeintliche Genugthuung zu verschaffen. Es kam zu
einem Duell, in welchem Hamilton getödtet wurde. Hamilton war der Abgott
seiner Partei gewesen, und in der That, er erscheint als einer der edelsten unter
den vielen edeln Charakteren jener Periode, in welcher Washingtons Geist noch
der Genius Amerikas war. Selbst seine politischen Feinde erkannten seine vielen
trefflichen Eigenschaften bereitwillig an. Burr sah sich infolge dessen von den
Demokraten aufgegeben, von den Föderalisten mit Abscheu betrachtet und von
aller Befriedigung seines Ehrgeizes auf gesetzmäßigem Wege ausgeschlossen. Ver¬
zweifelnd an der Möglichkeit, sich im Osten wieder zu einer einflußreichen Stellung
emporzuschwingen, begab er sich-nach dem Westen, wo in dieser Zeit eine durch
allerlei Sonderinteressen hervorgerufene, fast allgemeine Abneigung gegen die
Centralgewalt herrschte, und begann ein Gewebe verräterischer Intriguen, so kühn
entworfen und so wagehalsig unternommen, wie je eines im Gehirn eines hoch¬
fliegenden, aber unsittlichen Geistes entsprang.

Der Grundgedanke seines Planes war, auf den westlichen Strömen aus der
kriegs- und abenteuerlustigen dortigen Bevölkerung ein Heer zu organisiren, den
Mississippi hinabzufahren und der spanischen Krone einen Theil ihres Gebiets
am Golfe von Mexiko zu entreißen. Die südwestliche Ecke der Vereinigten Staa¬
ten -- das soeben von Frankreich erworbene Louisiana -- sollte entweder durch
Ueberredung oder durch Gewalt dem neuen Reiche einverleibt werden. Neu-
orleans war zur Hauptstadt und Aaron Burr zum Oberhaupte dieses Golfstaates
bestimmt -- ob in der Gestalt eines Monarchen oder unter einem der vielen Na¬
men, welche in neuer und alter Zeit als Deckmantel despotischer Gewalt in re¬
publikanisch organisirten Staaten gebraucht worden sind, mag als unwesentlich da¬
hingestellt bleiben. Erwiesen ist nur diese Seite des Hochverrätherischen Planes.
Mit einer der Wahrscheinlichkeit nahen Gewißheit aber läßt sich schließen, daß
Burr nnter günstigen Umständen viel weiter zu gehen vorhatte, d. l). daß er dann
das gesammte Land westlich von den Alleghanys von der Union loszureißen und
zu seinem Reiche zu schlagen bestrebt gewesen sein würde.


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behielt er eine hinreichende Zahl von Anhängern, um nach Ablauf seines Amts
als Bewerber um die Stelle eines Gouverneurs in seinem Heimatsstaate auf¬
zutreten. Allein auch bei dieser Gelegenheit erlitt er eine entschiedene Niederlage.
Zwar war die große Masse der Föderalisten geneigt, ihn zu unterstützen, aber
der einflußreiche Führer derselben, Hamilton, der die egoistischen Pläne Burrs
durchschaute und in ihm den Intriguanten erkannte, war ihm entschieden abhold
und zögerte, als der Wahlkamps begann, nicht, ihn öffentlich des Vertrauens un¬
würdig zu erklären. Die Folge war, daß die Gemüther sich allenthalben von
ihm abwendeten, und daß die Wahlurnen eine verhältnißmäßig nur geringe Zahl
ihm günstiger Stimmen zeigten. Erdöhl über dieses Mißlingen seiner Erwar¬
tungen, warf Burr sich auf die Person seines berühmten Gegners und suchte sich
auf dem Privatwege die vermeintliche Genugthuung zu verschaffen. Es kam zu
einem Duell, in welchem Hamilton getödtet wurde. Hamilton war der Abgott
seiner Partei gewesen, und in der That, er erscheint als einer der edelsten unter
den vielen edeln Charakteren jener Periode, in welcher Washingtons Geist noch
der Genius Amerikas war. Selbst seine politischen Feinde erkannten seine vielen
trefflichen Eigenschaften bereitwillig an. Burr sah sich infolge dessen von den
Demokraten aufgegeben, von den Föderalisten mit Abscheu betrachtet und von
aller Befriedigung seines Ehrgeizes auf gesetzmäßigem Wege ausgeschlossen. Ver¬
zweifelnd an der Möglichkeit, sich im Osten wieder zu einer einflußreichen Stellung
emporzuschwingen, begab er sich-nach dem Westen, wo in dieser Zeit eine durch
allerlei Sonderinteressen hervorgerufene, fast allgemeine Abneigung gegen die
Centralgewalt herrschte, und begann ein Gewebe verräterischer Intriguen, so kühn
entworfen und so wagehalsig unternommen, wie je eines im Gehirn eines hoch¬
fliegenden, aber unsittlichen Geistes entsprang.

Der Grundgedanke seines Planes war, auf den westlichen Strömen aus der
kriegs- und abenteuerlustigen dortigen Bevölkerung ein Heer zu organisiren, den
Mississippi hinabzufahren und der spanischen Krone einen Theil ihres Gebiets
am Golfe von Mexiko zu entreißen. Die südwestliche Ecke der Vereinigten Staa¬
ten — das soeben von Frankreich erworbene Louisiana — sollte entweder durch
Ueberredung oder durch Gewalt dem neuen Reiche einverleibt werden. Neu-
orleans war zur Hauptstadt und Aaron Burr zum Oberhaupte dieses Golfstaates
bestimmt — ob in der Gestalt eines Monarchen oder unter einem der vielen Na¬
men, welche in neuer und alter Zeit als Deckmantel despotischer Gewalt in re¬
publikanisch organisirten Staaten gebraucht worden sind, mag als unwesentlich da¬
hingestellt bleiben. Erwiesen ist nur diese Seite des Hochverrätherischen Planes.
Mit einer der Wahrscheinlichkeit nahen Gewißheit aber läßt sich schließen, daß
Burr nnter günstigen Umständen viel weiter zu gehen vorhatte, d. l). daß er dann
das gesammte Land westlich von den Alleghanys von der Union loszureißen und
zu seinem Reiche zu schlagen bestrebt gewesen sein würde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/371>, abgerufen am 03.07.2024.